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Brandbrief

Bürgermeister bittet um vier weitere Monate in Seldnerhalle in Kau

Tettnang / Lesedauer: 7 min

Eigentlich endet der Vertrag Ende Dezember – Das bestätigt Landrat Wölfle im Ortschaftsrat – Doch die Stadt hätte trotzdem ein Problem
Veröffentlicht:08.11.2022, 17:00

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Einen Brandbrief hatte der Ortschaftsrat Kau an Landrat Lothar Wölfe geschrieben: Am Montagabend hat dieser jetzt bei der Sitzung des Gremiums Stellung dazu bezogen, wie es mit der Seldnerhalle weitergehen soll, in der derzeit Geflüchtete unterkommen. Auch Bürgermeister Bruno Walter war vor Ort, um die städtische Perspektive darzustellen. Zahlreiche Besucher waren in die Halle der Diakonie Pfingstweid gekommen, um den Austausch zu verfolgen. Die Diskussion streifte noch weitere Themen, dies aber waren die Kerninhalte mit Blick auf Kau.

Was im Brandbrief steht: Der Ortschaftsrat Kau hatte in seinem offenen Brief an Landrat Lothar Wölfle gefordert, die Seldnerhalle so bald wie möglich wieder freizugeben. Vereine und Schule sollen die Halle wieder nutzen können. In seinem Brief äußerte der Ortschaftsrat Verständnis dafür, dass Flüchtlinge eine Unterkunft brauchen. Zugleich forderte er eine klare Strategie. Die Seldnerhalle sei der kulturelle Mittelpunkt Kaus. Und schon 2015 habe die Ortschaft für einen langen Zeitraum auf die einzige Halle verzichten müssen.

Das sagt Landrat Wölfle: „Der Mietvertrag läuft bis zum 31. Dezember. Und der Bodenseekreis ist vertragstreu. Dann werden wir die Halle auch wieder räumen.“ Wölfle schlug den Bogen allerdings etwas weiter und schilderte die Herausforderung, dass Geflüchtete eben Unterkünfte bräuchten und dass es dann Ersatz geben müsse. Der Landkreis setze alles daran, dass etwa die Halle am Berufschulzentrum Friedrichshafen fertig werde.

 Landrat Lothar Wölfle sagt: „Wir sind vertragstreu.“ Aber eine Verlängerung der Nutzungsdauer würde für ihn und seine Behörde einiges entspannen.
Landrat Lothar Wölfle sagt: „Wir sind vertragstreu.“ Aber eine Verlängerung der Nutzungsdauer würde für ihn und seine Behörde einiges entspannen. (Foto: Alexander Tutschner/Schwäbische.de)

Allerdings machte er auch klar, dass die Seldnerhalle beim Auszug nicht gleich wieder komplett nutzbar sein werde, da die Einrichtung noch abgebaut werden müsse. „Wenn Sie fragen würden, wie lange ich die Halle noch brauche, dann würde die Antwort allerdings anders ausfallen“, sagte Wölfle.

Er warb später darum, dem Kompromissvorschlag von Bürgermeister Bruno Walter zuzustimmen, die Belegung um vier Monate zu verlängern, weil das eine große Erleichterung wäre. Später erläuterte er auch noch weitere Maßnahmen seiner Behörde, etwa die Umnutzung eines früheren Pflegewohnheims für Flüchtlinge in Sipplingen. Bis das genutzt werden könne, brauche es die vorläufigen, schnellen Lösungen.

Worum Bürgermeister Walter wirbt: Ende April schlug Tettnangs Bürgermeister Bruno Walter als „Kompromisslösung“ für den Auszug vor. „Wir habe jetzt die schwierigste Zeit vor uns, den Winter“, sagte er. Russland zerstöre gerade gezielt die Infrastruktur in der Ukraine. Die Konsequenz werde gegebenenfalls sein, dass die Zahlen noch weiter steigen würden. Es gehe um vier Monate im neuen Jahr, dann müsse es ein klares Ende geben. In der wärmeren Jahreszeit sei die Situation dann grundsätzlich einfacher zu handhaben.

++ Lesen Sie hier den Kommentar zur Geschichte ++

Das Kernproblem für die Stadt Tettnang: Für die Unterbringung von Geflüchteten ist zum einen der Landkreis mit Sammelunterkünften wie in der Seldnerhalle zuständig. Hier geht es um die Erstaufnahme, bevor die Geflüchteten dann von den Kommunen übernommen werden und in Anschlussunterbringungen unterkommen. Jede Kommune ist nach einer bestimmten Quote (nach Einwohnerzahl) belastbar. Auf diese Quote rechnet das Landratsamt allerdings auch Menschen in Sammelunterkünften an.

Heißt für Tettnang: Da die Seldnerhalle vom Landkreis aus belegt ist, muss die Stadt in ihrem eigenen Verantwortungsbereich weniger Menschen aufnehmen. Entfällt die Seldnerhalle allerdings, muss die Stadt mehr Menschen in städtischen Anschlussunterbringungen aufnehmen. Die aber sind laut Bürgermeister Walter bereits voll. „Dann müssen wir in Tettnang trotzdem wieder eine Halle belegen.“ Das könnte auch die Argentalhalle oder die Mehrzweckhalle in Obereisenbach sein. Die Stadt Tettnang müsste dann selbst die Ausstattung anschaffen, weil das Material in der Seldnerhalle dem Landkreis gehört.

 Tettnangs Bürgermeister Bruno Walter schlägt als Kompromiss vor, die Dauer bis zum 31. April zu verlängern. Denn sonst müsste die Stadt in ihrem Verantwortungsbereich mehr Geflüchtete aufnehmen, obwohl sie keine Kapazitäten mehr hat.
Tettnangs Bürgermeister Bruno Walter schlägt als Kompromiss vor, die Dauer bis zum 31. April zu verlängern. Denn sonst müsste die Stadt in ihrem Verantwortungsbereich mehr Geflüchtete aufnehmen, obwohl sie keine Kapazitäten mehr hat. (Foto: Mark Hildebrandt/Schwäbische.de)

Worauf es dem Ortsvorsteher ankommt: Ortsvorsteher Joachim Wohnhas äußerte mit Blick auf den Brandbrief, dass vor allem die Sorge gewesen sei, dass das jetzt noch viel länger gehen werde. Niemand strebe einen sofortigen Rausschmiss an. „Es muss einfach eine Definition geben, bis wann wir wieder mit unserer Halle rechnen können.“ Er warb ebenfalls für eine Verlängerung. Am Ende entscheide letztendlich der Gemeinderat. In der Sitzung sprach er vom „30.6.“, was für ein vernehmbares Raunen sorgte. Auf Nachfrage sagte er nach der Sitzung, dass er sich da versprochen habe: Er habe den 30. April gemeint.

Diese Sorgen äußert der Ortschaftsrat: Verschiedene Mitglieder des Ortschaftsrats meldeten sich zu Wort. Unter anderem Hubert Hahn ( FW ) verwies auf die geringe Infrastruktur in Kau, darunter „vier Ruhebänke“. Und darauf, dass die Fahrtwege für den Schul- und Vereinssport eben sehr lang seien. Der Elternverein Tintenklecks müsse im Kellergeschoss zusammengedrängt 40 Kinder betreuen. Hahn: „Es bereitet mir zunehmend Sorge, dass die Akzeptanz für Menschen in Not leiden könnte.“ Er wies auch auf die Nöte des SC Bürgermoos hin, dem durch den Entfall der Flutlichtmasten Probleme im Trainingsbetrieb am Abend entstünden.

Das monierte auch Alexander Schulz (CDU). Er ergänzte, dass er die Perspektive vermisse und dass er sich frage, was denn da in den letzten Monaten auch vom Landkreis unternommen worden sei. Michael Hildebrandt (CDU) äußerte sich ähnlich. „Wir verstehen ja, dass wir Flüchtlingen helfen müssen. Aber gibt es da Überlegungen, dass man da auch durchwechseln kann, dass es nicht jedes Mal Kau trifft?“ Auf den Hinweis von Günther Probst (CDU), dass er bei einem Ende am 31.12. hoffe, dass der Rückbau diesmal nicht so lang gehe wie vor einigen Jahren, verwies Wölfle darauf, dass es da eben auch Handwerker brauche. Gerhard Probst (FW) sagte: „Die Vereine unterstützen da gern.“

Klar bemerkbar war ein grundsätzliches Misstrauen, ob bei einem Aufschub auf den 30. April dann nicht doch wieder etwas komme, sodass die Seldnerhalle noch länger belegt werde. Das wurde in einigen Wortbeiträgen deutlich, unter anderem von Andrea Mayer (FW).

Warum Walter und Wölfle eine Zeltstadt ablehnen: Alexander Schulz (CDU) fragte, warum man die Geflüchteten nicht einfach in Zelten unterbringen könne, die seien heute doch gut heizbar. Das hatten Walter und Wölfle zuvor ausgeschlossen. Bürgermeister Walter verwies auf die Erfahrung mit einer Industriehalle damals nach 2015, die im Winter wegen der niedrigen Temperaturen als Unterkunft aufgegeben werden musste. Die Situation dort sei damals „verheerend“ gewesen. Auch Wölfle verwies darauf, dass das nicht praktikabel sei.

Wie die Vorlaufszeit für eine Hallenplanung ausschaut: Landrat Wölfle spricht im Schnitt von drei bis vier Monaten, bis die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind und die Planung abgeschlossen ist. Auf den Einwand von Ortschaftsrätin Andrea Mayer (FW), dass das in Kau doch schnell gegangen sei, geriet Wölfle etwas ins Schwimmen, weil er die Details nicht parat hatte. Bürgermeister Walter stellte dar, dass es eben eine besondere Konstellation gegeben habe, weil die Planungen vom letzten Umbau eben noch vorhanden gewesen seien. Und für Kau habe es auch bestehendes Material gegeben, darunter einen Fußboden, Messewände, Etagenbetten und weitere Ausstattung. Da es jetzt so sei, dass alle Landkreise und Städte die gleiche Ausstattung bräuchten, seien die Fristen jetzt erheblich länger.