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Zwangstherapie

Angriff auf Vollstreckungsbeamten: Richter stellt Angeklagten vor die Wahl - Haft oder Zwangstherapie

Tettnang / Lesedauer: 3 min

Ein 31-Jähriger legt Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Nun muss er entweder in Haft oder eine intensive Drogentherapie beginnen.
Veröffentlicht:24.05.2019, 17:12

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Ein 31-jähriger Mann aus dem Bodenseekreis hat sich am Freitag wegen Körperverletzung und Drogenmissbrauch vor dem Landgericht Ravensburg verantworten müssen. Der Angeklagte hatte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Tettnang eingelegt, nachdem er nach dem Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Richter Franz Bernhard bot dem Mann letztlich zwei Alternativen an.

Ein Polizeibeamter schilderte vor Gericht die Geschehnisse an jenem Abend Anfang April 2018: „Wir sind wegen lautstarker Meinungsverschiedenheiten unter Mietern zu einem Wohnhaus gerufen worden. Als wir die Personalien des Angeklagten aufnehmen wollten, reagierte er sofort aggressiv. Er wirkte bedrohlich, auffallend waren seine schlagartigen Verhaltensveränderungen.“ Nach der Androhung von Gewahrsam sei der Angeklagte etwas ruhiger geworden und man sei abgerückt, doch nach der Ankunft im Polizeirevier Friedrichshafen hätte man erneut ausrücken müssen, da der Angeklagte Suizid angedroht hatte.

Nach dem Eintreffen habe der Mann zwar ruhig gewirkt, doch dann sei die Situation wieder eskaliert und man habe aus Eigenschutz beschlossen, ihn zu fixieren. Der Angeklagte habe sich heftig gewehrt und als man ihm die Handschließen anlegen wollte, habe er seinen Kopf extrem fest gegen die Wand geschlagen. Als er dann zu Boden gerungen wurde, seien die Beamten von ihm getreten und angespuckt worden. Bei einer Blutentnahme im Krankenhaus wurde neben 1,31 Promille Alkohol auch der Konsum von Cannabis nachgewiesen.

Alkohol- und Drogenprobleme

Der Angeklagte ist nach der Trennung von seiner Freundin, mit der er ein gemeinsames Kind hat, „abgerutscht“, wie er selbst sagt. Er habe keinen Kontakt zu dem Kind, wolle das aber ändern. Er verlor schon mehrere Arbeitsstellen aufgrund seiner Alkohol- und Drogenprobleme. Mittlerweile habe er aber einen neuen Job und alles laufe bestens, versicherte er vor Gericht. „Deshalb wünsche ich mir die Umwandlung des Freiheitsentzugs in eine Bewährungsstrafe“, sagte er. Passieren würden ihm diese Dinge nur bei Frust.“

„Der Frust kann jederzeit wiederkommen“, sagte Richter Bernhard und verlas die lange Vorstrafenliste des Mannes. In einem psychologischen Gutachten bestätigte die Sachverständige dem Angeklagten eine problematische Kindheit mit Gewalt und frühem Hang zu starkem Alkohol- und Drogenmissbrauch, stabile Beziehungen habe er keine.

Mehrere Drogentherapien seien abgebrochen worden. Doch da er noch jung sei und eine neue Arbeitsstelle habe, wäre Milde angebracht. Verteidiger Lutz Kohler beantragte deshalb eine Bewährungsstrafe und sah die Notwendigkeit, eine Suchttherapie anzugehen. Sein Mandant sei „wach geworden“ und mache Fortschritte. Die Staatsanwaltschaft stellte in Anbetracht der einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten den Antrag auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung.

Nachdem sich Richter Bernhard und die beiden Schöffen zur Beratung zurückgezogen hatten, verkündete der Richter das Urteil. Der Angeklagte sei nicht einsichtig, er konsumiere weiterhin Alkohol und Drogen, verharmlose seine Sucht. Versprechen und Entschuldigungen seien unglaubhaft, auch die Arbeitsstelle, die er gerade seit zwei Wochen bekleidet, habe keinen Einfluss. Eine Chance auf Bewährung sei durch den doppelten Bewährungsbruch nach vorangegangenen Straftaten verwirkt. Zwei Alternativen habe der Mann: Viereinhalb Monate Freiheitsentzug oder eine intensive, länger dauernde Zwangstherapie gegen die Drogensucht. Seine Entscheidung hat er dem Gericht mitzuteilen.