StartseiteRegionalBodenseeMeckenbeurenViel Herzlichkeit und noch mehr Armut: Was zwei junge Frauen aus der Region in Guinea erleben

Terrorgefahr

Viel Herzlichkeit und noch mehr Armut: Was zwei junge Frauen aus der Region in Guinea erleben

Meckenbeuren / Lesedauer: 6 min

Zwei Elftklässlerinnen aus Ravensburg und Meckenbeuren haben ihre Reise nach Guinea nicht bereut
Veröffentlicht:13.05.2019, 14:31

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„Von Reisen nach Guinea wird dringend abgeraten.“ Noch entschiedener als das deutsche Auswärtige Amt in Berlin warnt das österreichische Außenministerium unter Hinweis auf die Terrorgefahr in dem westafrikanischen Land, das von der negativen Entwicklung in Nachbarländern wie Mali in Mitleidenschaft gezogen wird.

Die Elftklässlerin Sophie Baumbusch aus Ravensburg, Schülerin am Spohngymnasium, ließ sich von solchen offiziellen Warnungen jedoch nicht abschrecken. Eingeladen von der afrikanisch-deutschen Familie ihrer Freundin Aminata Bah, Elftklässlerin an der Edith-Stein-Schule und zu Hause in Meckenbeuren, flog sie vor Beginn der Osterferien für 14 Tage mit Aminata, ihrem Vater Solomon Bah, der aus Guinea stammt, aber schon lange hier lebt und arbeitet, seiner deutschen Frau Anke, und den beiden Schwestern von Aminata nach Conakry, in die Hauptstadt des Landes. Die Sorge ihrer Familie, ob denn auch alles gut gehen würde, begleitete sie. Es ging gut und Sophie hat es nicht bereut, anstatt eine Luxusreise zu buchen dieses arme Land zu bereisen.

Inzwischen bereitet sie schon einen Vortrag über Guinea vor, den sie demnächst am Spohn-Gymnasium halten soll und will. Darin wird ein gemeinnütziger Verein, den auch die „ Schwäbische Zeitung “ bereits mit Spendengeldern aus einer Weihnachtsaktion unterstützt hat und über den die „SZ“ auch schon berichtete, nicht zu kurz kommen. Unter der Mailadresse www.djarama.de ist er im Internet präsent. „Djarama“, das heißt danke und willkommen.

Gegründet wurde er von Anke und Solomon Bah und seiner Frau. Der Verein finanziert und baut seit 2001 in privater Initiative in dem Dorf Kassery, etwa 170 Kilometer von Conakry entfernt, Brunnen. Inzwischen ermöglichen bereits 14 den Zugang zu Trinkwasser, sodass die Frauen im Dorf nicht mehr bis zu fünf Kilometer lange Wege in der Hitze zu Fuß zurücklegen müssen, auf dem Kopf schwere Gefäße voller Wasser von weither. Dazu muss man wissen, dass es in Guinea keine Wasserleitungsnetze gibt, nicht einmal in der Hauptstadt. Auch die Stromversorgung funktioniert nur teilweise.

Der Meckenbeurer Verein hat auch schon den Bau einer Schule gefördert und sorgt mit Spendengeldern für ihren Unterhalt. Über 100 Schüler werden dort in drei Klassenräumen von zwei Lehrkräften unterrichtet, einem staatlichen und einer weiteren Kraft, die der Verein finanziert. Auch ein Lehrerhaus ist schon entstanden, eine Schneiderwerkstatt geplant. Bildungsanstrengungen sind in diesem Land mit einer Analphabeten-Quote von fast 70 Prozent sehr wichtig. Notleidende Familien, zum Teil von der Ebola-Epidemie schwer getroffen, werden unterstützt.

In Conakry gelandet, empfanden sie den Verkehr in der quirligen Hauptstadt als chaotisch. Motorräder beherrschen das Straßenbild. Es wird gehupt, was das Zeug hält. Verkehrsregeln? Es soll welche geben, aber allzu ernst werden sie nicht genommen. Doch Sophie möchte nicht nur ein negatives Bild von dem Land zeichnen, in dem die Hälfte der Bevölkerung von rund 13 Millionen Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen muss.

Wir wurden richtig verwöhnt, auch kulinarisch.

Sophie Baumbusch

Denn sie hat in Conakry, wo die Bahs ein Haus besitzen und wo auch die noch die sehr vitale afrikanische Großmutter von Freundin Aminata lebt, eine Gastfreundschaft erlebt und so viel menschliche Wärme, dass es ihr schier die Sprache verschlagen hat. Und beschenkt worden ist sie mit Geld, obwohl die Gastgeber über sehr viel weniger verfügen als die Gäste, mit köstlichen Südfrüchten, mit bunter afrikanischer Kleidung. „Wir wurden richtig verwöhnt, auch kulinarisch“, schwärmt die Ravensburgerin.

Nur wenige Tage hielten sich die Gäste in der Hauptstadt auf, in der die Familie Bah ein Haus besitzt, mit Bädern wie in Deutschland. Allerdings müssen die Wannen mit Wasser aus Eimern gefüllt werden, denn aus den Hahnen fließt keines.

Dann ging es in zwei Jeeps in das Dorf Kassery, aus dem Solomon Bah stammt. Für die 170 Kilometer benötigte der kleine Konvoi auf Pisten mit Teils bis zu einem halben Meter tiefen Schlaglöchern neun Stunden, denn man kam nur sehr langsam voran und es war eine ziemliche Tortur, die aber die ausgerechnet die afrikanische Oma von Aminata erstaunlich gelassen wegsteckte.

Unterwegs immer wieder Polizeikontrollen. Irgendetwas stimmte immer nicht. Doch die sehr schlecht bezahlten Polizisten ließen gegen etwas Bargeld mit sich reden. „Was die Sicherheit im Lande betrifft, so erschien mir das alles gar nicht so bedenklich“, fasst Sophie zusammen. Sie war allerdings in der Familie Bah, die sich im Lande bestens auskennt, aufgehoben wie in Abrahams Schoß.

Ich habe noch nie so nette, gastfreundliche Menschen kennengelernt.

Sophie Baumbusch

Der Empfang in Kassery war wieder überaus herzlich. „Ich habe noch nie so nette, gastfreundliche Menschen kennengelernt“, erzählt Sophie begeistert. Sie ist tief beeindruckt, „wie offen man da aufgenommen wird, ohne Vorurteile wie vielfach umgekehrt bei uns.“ Freundin Aminata und ihre Schwestern und die Eltern kannten das schon. Sie waren nicht zum ersten Mal in der Heimat des Vaters.

Dass das Dorf mit Kinderreichtum gesegnet ist, versteht sich. „Die Kinder sind längst nicht so anstrengend wie die verwöhnten Kinder bei uns“, hat Sophie festgestellt, die als ehemalige Betreuerin von Fünftklässlern am Spohn-Gymnasium ein Lied davon singen kann. In Kassery waren die Gäste oft umringt von begeisterten Mädchen und Buben, von denen die allermeisten noch nicht viele oder gar keine Weiße gesehen hatten. „Beim Abschied flossen die Tränen. Das war richtig schlimm.“

Zurück in der Hauptstadt, führte die Familie Bah und Sophie auch ein Abstecher in ein Luxushotel, wo eine Verwandte arbeitet. Auch das gibt es in Conakry. In dem Hotel wimmelte es von weißen Gästen, die man in der Stadt kaum sieht. Die Supermärkte sind menschenleer. Die Einheimischen können sich die Preise, die höher als in Deutschland liegen, nicht leisten. Selbst Fisch ist teuer, Fleisch unerschwinglich. Mit ihren großen Trawlern fischen die Chinesen vor der Küste des Landes die besten Fanggründe leer und die Guineer müssen ihnen den Fisch dann abkaufen. Überhaupt gewinnen die Chinesen wirtschaftlich in dem Land immer mehr an Einfluss. Ob diese Entwicklung letztlich den Menschen vor Ort zugute kommt, steht auf einem anderen Blatt.

Sehr frustrierend: der an sich wunderschöne Atlantikstrand der Hauptstadt, wo man jedoch nicht baden kann, denn er ist total vermüllt. „Müllschweine“ wühlen sich durch die Abfallmassen. Und die Einheimischen spielen dort begeistert Fußball.