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Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion mit der SZ

Meckenbeuren / Lesedauer: 9 min

Podiumsdiskussion mit der SZ
Veröffentlicht:17.10.2017, 09:02

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Am Sonntag, 22. Oktober, sind 10 914 Bürgerinnen und Bürger Meckenbeurens aufgerufen, den Bürgermeister zu wählen. Die Entscheidung fällt zwischen dem Amtsinhaber Andreas Schmid (51) und der Herausforderin Elisabeth Kugel (46).

Andreas Schmid ist seit dem Jahr 2010 Bürgermeister in der Schussengemeinde, nachdem er zuvor bei der Stadt Ravensburg als Abteilungsleiter und Jugendreferent tätig gewesen ist.

Elisabeth Kugel hat soziale Arbeit in der Verwaltung studiert und war dann sieben Jahre in der Bezirkssozialarbeit sowie 15 Jahre in der kommunalen Jugendarbeit und Schulsozialarbeit in Meckenbeuren tätig.

Als Entscheidungshilfe hat die SZ fünf Antworten der Kandidaten auf fünf Fragen zu wichtigen Zukunftsthemen gegenübergestellt.

Nicht vergessen: Am Dienstag, 17. Oktober, lädt die Schwäbische Zeitung zur Podiumsdiskussion in die Karl-Brugger-Halle in Kehlen ein. Einlass ist um 19 Uhr, die Veranstaltung mit den Moderatoren Mark Hildebrandt und Roland Weiß sowie Elisabeth Kugel und Andreas Schmid beginnt um 19.30 Uhr.

Wie schnell soll und kann sich Meckenbeuren samt der Ortsteile entwickeln? Offenbar gibt es dazu in der Bürgerschaft unterschiedliche Vorstellungen, festgemacht unter anderem an den Eckpunkten Wohnpark St. Georg und Alte-Schmiede-Platz.

Andreas Schmid: Meckenbeuren entwickelt sich bereits seit einigen Jahren im Spannungsfeld von hohem Wohnbedarf einerseits und andererseits der Erwartung, dass eine gewisse Beschaulichkeit und Überschaubarkeit bleibt und dass sich neue Bürger in die Gemeinde integrieren können. Darauf haben wir mit kleinen neuen Wohngebieten – überwiegend mit Einfamilienhäusern und Reihenhäusern reagiert. Viele Bürgerinnen und Bürger sind aber auch auf der Suche nach Wohnungen (zum Beispiel junge Familien, ältere Menschen), daher mussten wir auch den Bereich Geschosswohnungsbau angehen. Wir werden uns in den Ortsteilen unterschiedlich weiterentwickeln. Liebenau, Kehlen, Brochenzell werden eher kleinteilig mit neuen Wohngebieten wachsen. Der Ortsteil Meckenbeuren hat verschiedene Bereiche. Hier spielen im Bereich B 30 Ravensburger Straße/Bahnhofstraße bis Hauptstraße/Tettnanger Straße Faktoren wie Einzelhandel und Städtebau eine zentrale Rolle. Unsere Mitte soll erkennbar sein, dies bedeutet, sie muss einen Anfangs- und einen Endpunkt haben, Dazu dienen die beiden Gebäude Wohnpark St. Georg und die anstehende Bebauung auf dem Alte- Schmiede-Platz.

Elisabeth Kugel: Ich möchte die genannten Eckpunkte (Wohnpark St. Georg und Alte-Schmiede-Platz) noch um die aktuelle Bebauung des Selbi-Geländes im Ortsteil Buch ergänzen. Alle genannten Beispiele sind Bauobjekte, die nach meinen Rückmeldungen aus der Bevölkerung ohne Rücksicht auf die bereits bestehende Bebauung oder ihre Auswirkungen für die öffentliche Infrastruktur realisiert wurden bzw. werden.

Eine künftige Bebauung in den Ortsteilen sollte sich daher an einem Entwicklungskonzept orientieren, das in den Brennpunkten (zum Beispiel künftig zur Bebauung anstehende Hofstellen) durch eine rechtsverbindliche Bauleitplanung rechtzeitig konkretisiert wurde. Die Aufstellung und Umsetzung dieser Entwicklungskonzepte sollte von einer breiten politischen Mehrheit in der Bevölkerung und im Gemeinderat getragen werden. Sie würde auch den privaten Investoren und Akteuren die notwendige Sicherheit für ihre Planungs- und Investitionskosten bieten.

Bedeutsam bei der Entwicklung der Gemeinde: die Lösung der Verkehrsproblematik mit dem Bau der B 30-neu. Sie haben sich beide bereits vor Ende des Verfahrens für die Westtrasse ausgesprochen. Sicherlich ein Versuch der Beschleunigung, der aber zu verpuffen droht. Hat die Gemeinde noch weitere Möglichkeiten?

Schmid: Ich glaube nicht, dass die Positionierung von Gemeinderat und Verwaltung zu verpuffen droht. Sie zeigt, dass wir uns aktiv in diesen komplexen Prozess einbringen und zugleich fachlich sehr seriös mit der Fragestellung auseinandergesetzt haben. Dies ist die Voraussetzung, dass wir mit unserem Votum ernst genommen werden und damit Einfluss gewinnen. Im Gesamtprozess mit dem Regierungspräsidium ist das auch zu spüren. Ja, der Prozess dauert für uns alle zu lang. Darum gilt es, aufbauend auf meinen bereits bestehenden direkten Kontakten ins Regierungspräsidium hinein, die sachliche Diskussion weiterzuführen und gleichzeitig den berechtigten Druck zu erhöhen. Parallel dazu werde ich meine bereits auf Bundesebene geführten Gespräche mit unserem Abgeordneten Riebsamen und dem parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Herr Barthle, beharrlich weiterführen. Mit dieser Vorgehensweise, einem Mix aus Kommunikation und Druck, war ich bei der Südumfahrung Kehlen gegenüber dem Land erfolgreich. Ich bin sicher, beim Bund gelingt das auch, wenn wir Kontinuität und Beharrlichkeit sicherstellen. Dafür stehe ich.

Kugel: Ich habe mich – mit der von mir versprochenen Kontinuität - für die Westtrasse ausgesprochen, weil diese Variante von einer breiten Mehrheit in den zuständigen Gremien der Region Bodensee-Oberschwaben und insbesondere unseren Nachbarstädten Friedrichshafen, Ravensburg und Tettnang beschlossen wurde bzw. mitgetragen wird.

Leider wurde dieser Schulterschluss in der Region durch die Einbringung der Variante „Korridor Mitte“ erneut mit Fragezeichen versehen. Das Verfahren wurde durch diesen Vorschlag der Gemeinde Meckenbeuren mit weiteren Untersuchungen und Gutachten befrachtet und die Entscheidung – sprich Linienbestimmung der Trasse – dadurch unnötig verzögert und verteuert.

Die nachfolgende Stellungnahme der Verwaltung und des Gemeinderates für die Variante „B 30-West“ verpufft hoffentlich nicht und hat, die in sie gesetzte – nicht nur – beschleunigende Wirkung.

Vielfach gefordert: die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Welche Rolle kann die Gemeinde hierbei spielen, macht eine kommunale Wohnbaugesellschaft Sinn?

Schmid: Diese Aufgabe erfordert eine gemeinsame Kraftanstrengung der Landes- und Kommunalpolitik sowie der Wohnungswirtschaft. Eine Lösung in einer kommunalen Wohnbaugesellschaft zu suchen, klingt zunächst einmal gut. Deswegen haben wir dieses Konzept – gemeinsam mit der Stadt Tettnang – durch Fachleute auf den Prüfstand stellen lassen. Ergebnis: Die Rahmenbedingungen – Finanzen, gemeindeeigene Grundstücke, personelle Ressourcen - sind nicht ausreichend. Daher benötigen wir schlüssigere Konzepte und Vorgehensweisen. Niedrigere und moderate Bau- und Grundstückskosten sind der entscheidende Hebel für bezahlbaren Wohnraum in Meckenbeuren. Dies heißt auch weiterhin seitens der Gemeinde ausreichend Flächen für Wohnbebauung zu erschließen. Das ist bisher gut gelungen. In Relation zu anderen Gemeinden um uns herum sind wir mit unseren Preisen sehr moderat. Gleichzeitig legen wir über Konzeptvergaben den Schwerpunkt der Entwicklung mehr auf sozialen, preiswerten Wohnraum und Familienförderung. Diesen Weg gehen wir aktuell beim Quartier Buch.

Kugel: Eine kommunale Wohnbaugesellschaft macht nur dann Sinn, wenn sie auf Kreisebene oder von mindestens zwei Kommunen (Tettnang und Meckenbeuren) getragen und mit dem notwendigen Eigenkapital ausgestattet wird. Diese Einrichtung ersetzt aber keinesfalls eine vorausschauende Grundstückspolitik der beteiligten Kommunen. Gerade die Vorhaltung gemeindeeigener Baugrundstücke wäre aus meiner Sicht ein weiterer wichtiger Baustein für die Schaffung bezahlbarer Wohnungen.

Priorisierung wird in Zeiten begrenzter Geldmittel immer wichtiger: Nach dem Bau der Halle in Meckenbeuren – welche drei Großprojekte haben danach für Sie Priorität?

Schmid: Die Rekordinvestition für unser neues Bildungszentrum und für unsere Kitas in den letzten Jahren waren eine solche, konsequente Priorisierung. Dank hervorragender Einnahmen aus der Gewerbesteuer unserer Betriebe konnten wir in kurzer Zeit dennoch sehr viel realisieren. Nun geht es um Investitionen in das Thema Sicherheit, soziale/quartiersbezogene Angebote und städtebauliche Weiterentwicklung. Die drei Großprojekte sind aus meiner Sicht der Anbau am Feuerwehrhaus Meckenbeuren, welcher dringend notwendig ist. Desweiteren der Bau eines quartiersbezogenen Zentrums in Brochenzell (ehemaliger Standort Altes Lehrerhaus). Hier könnten Räume für eine Kita und offene Angebote für die Brochenzeller entstehen. Als drittes sollten wir die große Chance nutzen, welche die neue Südumfahrung Kehlen ermöglicht. Hier geht es um die weitere Nutzung des DGH und die der Fläche Haus Wocher. Ergänzt um die anstehende Aufwertung des Schussenufers wird hier ein „neues soziales Zentrum“ entstehen. Neben diesen Großprojekten stehen Förderungen von Vereinsräumen bzw. das Kunstrasenfeld sowie der Neubau und die Weiterentwicklung unserer Kitas zum Thema dezentrale U3- und Ganztagesversorgung an.

Kugel: Der Neubau einer Kindertagesstätte mit Mehrzweckraum in Liebenau-Langentrog hat für mich – nach den vom Gemeinderat bereits beschlossen Großprojekten – oberste Priorität.

Ich muss mit dem Blick auf die Finanzsituation der Gemeinde folgende Anmerkung machen:

Der Schuldenstand der Gemeinde liegt meines Wissens bzw. ausweislich der Daten des Statistischen Landesamtes zum 31. Dezember 2016 nicht bei nur 14 Millionen Euro (siehe Wahlprospekt von Bürgermeister Schmid) sondern summiert sich – einschließlich der Eigenbetriebe – auf 25 171 000 Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinde liegt mit 1899 Euro je Einwohner somit rund 300 Euro über dem Landesdurchschnitt von 1590 Euro je Einwohner.

Die Gemeinde muss sich deshalb, bevor weitere (Groß-) Projekte in Aussicht gestellt werden (siehe Wahlprospekt Bürgermeister Schmid), vorab von der massiven Verschuldung erholen.

In welcher Form sehen Sie Entwicklungsmöglichkeiten für die Bürgerbeteiligung in Meckenbeuren mit Blick auf kommunale Belange?

Schmid: Es wurde bereits einiges in dieser Richtung getan – von der Information über weitergehende Beteiligungen bis zu Umfragen. Es war ein Mix aus projektbezogenen Themen (z. B. Bebauung Alte Schmiede-Platz, Standorte der Flüchtlingsunterbringungen), und konzeptbezogen Themen (z. B. städtebauliches Konzept Meckenbeuren, Bürgerpark Ried, Entwicklungskonzept Kehlen). Wir haben uns im Gemeinderat für eine Herangehensweise von unten nach oben entschieden. Damit starten wir bereits bei den Jüngsten, Stichwort Gemeindedetektive an Grundschulen und 30-Prozent-Stelle für die Beteiligung Jugendlicher. Im ersten Quartal 2018 werden wir mit den Jugendlichen diskutieren, welche Beteiligungsform aus deren Sicht geeignet ist. Die auf Bürgerbeteiligung basierte Planung des Quartiers Buch ist Vorbild für ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept für die Gesamtgemeinde. Dies möchte ich unmittelbar nach der ersten Bürgerbeteiligungsrunde beim Quartier Buch starten. Dann gilt es, auf Basis einer Bestandsanalyse Bürgerbefragungen durchzuführen und in Workshops mit Experten und der Bürgerschaft auch bestehende Konzepte zu überprüfen. Daraus entsteht bis 2019 ein Leitbild sowie konkrete Ziele und Maßnahmen.

Kugel: Im Interesse der Bürgerschaft werden die von mir in Aussicht gestellten Bürgerbeteiligungen regelmäßig und gegebenenfalls auch in den Ortsteilen stattfinden. Dabei gilt für mich:

Im Interesse der von mir versprochenen Attraktivität muss der Informationsgehalt einer Bürgerbeteiligung – in welcher Form auch immer – in erster Linie den damit verbundenen Zeitaufwand der Besucher beziehungsweise der interessierten Bürgerschaft rechtfertigen und verständlich, übersichtlich, prägnant sein. Und die wesentlichen Meinungen und Anregungen aus der Bürgerschaft müssen von der Bürgermeisterin und ihrem Gemeinderat wirklich wahrgenommen und in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Sonst ist Bürgerbeteiligung nur eine Farce, die frustriert.