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Nikolauskirche

„Mein Leben kömmt aus deinem Tod“

Markdorf / Lesedauer: 3 min

Markus-Passion wird zum eindringlichen Erlebnis
Veröffentlicht:21.03.2016, 18:05

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Nur gut zur Hälfte haben die Besucher am Sonntagabend die Nikolauskirche in Markdorf gefüllt, dabei gab es von den Musikfreunden Markdorf unter der Leitung von Uli Vollmer in vorzüglicher Interpretation etwas Außergewöhnliches zu hören: die 1731 uraufgeführte Markus-Passion von Johann Sebastian Bach, vom Schaffhauser Barockensemble auf Originalinstrumenten gespielt.

Das Besondere: Die Vertonung dieser Passion ist verschollen, nur der Text ist überliefert. Der Eingangs- und der Schlusschor sowie drei Arien sind der Trauerode für die sächsische Kurfürstin Christiane Eberhardine entnommen, zwei weitere Arien konnten aus anderen früheren Werken Bachs ermittelt werden, die sechzehn Choräle der Passion fanden sich in verschiedenen Choralsammlungen. Daher sagte Uli Vollmer in seiner Einführung augenzwinkernd: „Bach betrieb Recycling auf höchstem Niveau.“ Angesichts der ungeheuren Arbeitsbelastung war es damals üblich, auf bereits vorhandene Stücke zurückzugreifen, die dann genial angepasst in das neue Werk gelangten. Man darf daher davon ausgehen, dass die Arien und Choräle tatsächlich in dieser Markus-Passion gesungen wurden. Auch die vertraute Choralmelodie zu „O Haupt voll Blut und Wunden“, die Bach in der MatthäusPassion wie im Weihnachtsoratorium („Wie soll ich dich empfangen“) einsetzt, ist hier zu hören. Da Vollmer gegen die Rekonstruktion der fehlenden Rezitative ist, ließ er diese durch den Sprecher Claudius Hoffmann rezitieren. Das führte zu einem völlig anderen Passionserlebnis. Es erinnerte an früher, als in der Karwoche die Passionsgeschichte von verschiedenen Sprechern vorgetragen wurde. Verbunden mit Bachs Musik ging der Text wesentlich tiefer, da hier noch andere Ebenen im Zuhörer angesprochen wurden.

Gesang wie aus einer anderen Welt

Sehr schön sang der intensiv vorbereitete Chor der Musikfreunde Markdorf mit Sängern der Airbus BSG Chor- und Instrumentalmusik die Choräle, ließ in gepflegtem Chorgesang teilhaben an den in wiegenden Gesang gelegten Emotionen, Trauer, Reue, Trost und Freude. Dynamisch kamen der Eingangs- und Schlusschor herüber, am Ende blühte die Dankbarkeit über Jesu Leiden auf: „Mein Leben kömmt aus deinem Tod.“

Wie eine innig-zärtliche Versenkung in den Heiland sang Tobias Knaus die Arie „Mein Heiland, dich vergess’ ich nicht“. Wie aus einer anderen Welt kam der ungewöhnliche Gesang des Countertenors. Mit lyrischem Tenor beklagte William Lombardi Jesu Gefangennahme, doch ganz besonderes Lob gebührt Verena Wachter-Barroso, die zuvor den Kontakt zu den Sängern der „Schola Cantorum Basiliensis“ hergestellt und sich nun noch am Sonntagmorgen bereit erklärt hatte, die Partie der erkrankten Sopranistin einzustudieren. Nachdrücklich warnte sie in einer Arie Jesus vor den kommenden Häschern, ebenso eindringlich besang sie nach Jesu Tod seine Erlösungstat.

Ein ungewöhnliches Erlebnis war das Spiel des auf alte Musik spezialisierten Schaffhauser Barockensembles neben Christian Ringendahl an Orgel und Cembalo. Rauer, unmittelbarer und glasklar war der Ton der barocken Instrumente, nicht so elegant wie auf modernen – sofort entstand eine Stimmung, die wunderbar zur Passionsgeschichte des Evangelisten Markus passte.