StartseiteRegionalBodenseeLangenargenElendsbilder aus glanzvoller Zeit

Elendsbild

Elendsbilder aus glanzvoller Zeit

Langenargen / Lesedauer: 2 min

Hans Sailer spricht im Kavalierhaus über die Armut im Barock
Veröffentlicht:18.08.2019, 14:30

Artikel teilen:

Zahlreiche Zuhörer sind am Donnerstagabend zu Hans Sailers Vortrag über „Barock und Armut – Die Kehrseite von Prunk, Protz und Völlerei“ ins Kavalierhaus gekommen. Standen im vergangenen Jahr unter dem Titel „Barocke Geschichten und barocke Töne“ Adel und Klöster im Mittelpunkt seines Vortrags zur Barockwoche, so hat er dieses Jahr die einfachen Leute, genauer die große Menge der Armen betrachtet.

Es sei viel leichter gewesen, ein prunkvolles Gewand aufzutreiben, erzählte Sailer, der auch diesmal versucht hatte, in entsprechender Kleidung vor den Zuhörern zu erscheinen. Den Hut habe er aus Wangen bekommen, Hemd und Hose aus Bad Buchau. Es war eine fast feine bäuerliche Kleidung. War der Kittel bekleckert, konnte man ihn umdrehen, half auch das nicht mehr, habe man ihn gewendet. So viel zum Einstieg.

Viele waren gekommen, die auch im Vorjahr da waren. Sailer betonte, dass die Reihe zur Barockstraße, die an 28 Stationen entlang der Oberschwäbischen Barockstraße zu Veranstaltungen einlädt, auch den Einheimischen Anregungen gebe, und stieß damit auf zustimmendes Nicken. Passende Musik zu finden, sei schwer gewesen – in Norddeutschland sei er schließlich fündig geworden. Immer wieder war zur Auflockerung ein Musikstückchen zu hören.

In seinem Vortrag hat sich Sailer an das Büchlein des Weingartener Paters Adalbert Nagel über „Armut im Barock: Die Kehrseite einer glanzvollen Epoche“ von 1989 gehalten, das leider längst vergriffen ist. Nagel hatte sich intensiv mit der breiten Schicht der Armen auseinandergesetzt. Er berichtete von Lehensleuten, Seldnern und Ackerbürgern, ebenso von Vaganten und Gauklern.

Breiten Raum nahmen die Bettler ein. In der Hoffnung, etwas zu bekommen, seien zu Stiftungstagen bis zu viertausend Bettler nach Weingarten gekommen – schlimme Zustände. Eltern seien froh gewesen, wenn ein Neugeborenes nach der Taufe gestorben sei, weil man dann einen Esser weniger hatte. Der Kinderreichtum war eine der vielen Ursachen für die Armut.

„Schlimmer als die Todesstrafe“

Schließlich wurde den ganz Armen das Heiraten verboten. Dazu kam die Verlagerung des Handels als Folge der Entdeckungsreisen. Kriege und Missernten führten zu Hungersnöten. Die Anzahl der Bettler nahm zu. Sie waren gekennzeichnet: Der Ausdruck „Heilig‘s Blechle“ sei darauf zurückzuführen. Man versuchte das Problem durch Zucht- und Arbeitshäuser in den Griff zu bekommen. „Schlimmer als die Todesstrafe“ habe man über die betreffende Einrichtung in Ravensburg gesagt.

Ganz schlimm seien die Bettelfuhren gewesen: Karren, auf denen diejenigen transportiert wurden, die nicht mehr laufen konnten. Starb einer, habe man einfach ein Loch gegraben, ihn „entsorgt“. Der Vortrag von Hans Sailer zeichnete ein Bild des Elends, auch das war die Zeit des Barocks.