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Bürgerentscheid

Bürgerentscheid: Zoff um finanzielle Auswirkungen

Langenargen / Lesedauer: 4 min

Langenargen fehlen laut Verwaltung jetzt 1,6 Millionen Euro – SPD-Gemeinderätin nennt Rechnung „schäbig“
Veröffentlicht:24.04.2018, 17:09

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1,6 Millionen Euro: So viel Geld fehlt der Gemeinde Langenargen laut Verwaltung, nachdem beim Bürgerentscheid am 18. März eine Mehrheit gegen die Bebauung eines Grünstreifens am Mooser Weg gestimmt hat. Dass jetzt eine Rechnung aufgemacht wird, was diese Entscheidung kostet, kam in der Gemeinderatssitzung am Montagabend jedoch nicht bei allen an. Im Gegenteil: SPD-Gemeinderätin Gertrud Reiss fiel dazu sogar die Formulierung „richtig schäbig“ ein.

Zwar hat das Gremium als Folge des Abstimmungsergebnisses einstimmig seinen eigenen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet „Mooser Weg/Alte Kaserne“ aufgehoben. Ob die finanziellen Auswirkungen auf den Tisch müssen, dazu gab es jedoch keine einheitliche Meinung.

„Sie müssen das einfach wissen“, sagte Bürgermeister Achim Krafft eingangs des brisanten Tagesordnungspunktes. Danach hörten die etwa 50 Besucher, wie Kämmerer Josef Benz über einen finanziellen Ausfall in Höhe von 1,6 Millionen Euro berichtete. Dadurch seien beschlossene Investitionen in dieser Höhe nicht möglich oder nur durch Darlehensaufnahmen zu finanzieren, sofern die Steuereinnahmen nicht deutlich höher anfallen, als im Etat dargestellt, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Mehr noch: Da die Gemeinde derzeit keine Bauplätze besitzt, sei die Einwohnerzahl in Langenargen rückläufig. Laut Statistischem Landesamt hatte die Gemeinde am 31. März dieses Jahres elf Einwohner weniger als im Jahr zuvor. Mit dem Baugebiet hätte die Abwanderung von etwa 60 Menschen verhindert werden können.

Steuererhöhungen als Ausgleich

60 Einwohner, ließ die Verwaltung errechnen, bedeuteten nach den derzeitigen Finanzausgleichsleistungen für die Gemeinde unter anderem jährlich 65 000 Euro weniger Schlüsselzuweisungen nach mangelnder Steuerkraft oder 5000 Euro weniger Investitionspauschale. Mit der möglichen Kreditbelastung bedeute dies eine jährliche Gesamtbelastung in Höhe von etwa 160 000 Euro, wobei Auswirkungen bei der Einkommenssteuer nicht berücksichtigt seien.

In der Sitzungsvorlage werden als Ausgleich dafür mögliche Erhöhungen bei Gewerbe-, Grundsteuer und den Gebühren genannt. Außerdem seien Einrichtungen, wie Kinderbetreuung oder Bücherei, betroffen. Vor dem Hintergrund schlägt die Verwaltung vor, spätestens im Rahmen der Haushaltsberatungen 2019 eine Anpassung der Realsteuerhebesätze zu prüfen. „Sollten sich weitere bauliche Entwicklungsmaßnahmen der Gemeinde in den kommenden Jahren ebenfalls nicht realisieren lassen, ist davon auszugehen, dass die wichtigen aber anspruchsvollen Ziele der Verwaltung (keine Neuverschuldung, keine Steuererhöhungen) deutlich gefährdet werden“, heißt es.

„Ich bin enttäuscht von der Vorlage und war am Ende der Lektüre fassungslos“, sagte Grünen-Fraktionschef Ulrich Ziebart, er hakte nach: „Sollen die Langenargener Bürger für ihr Stimmverhalten bestraft werden?“ Bisher habe er „einen wertschöpfenden Informationsprozess“ in der Gemeinde erlebt. Ulrich Ziebart schlug vor, einen Arbeitskreis einzurichten der die Langenargener Themen angehen und vorantreiben soll.

Auch CDU-Gemeinderäte zeigten sich erstaunt, da ihnen die Gegenrechnung zu den Ausfällen fehlte. Es sei nicht glücklich, mit Steuererhöhungen zu drohen. Dem sei nicht so, betonte der Bürgermeister. Allerdings würde die Entscheidung des Bürgerbegehrens nicht ohne Folgen bleiben, nachdem man einen Einnahmeüberschuss erwartet hatte.

„Der Gemeinderat hat beim Thema Bauen Vertrauen verloren“, bedauerte Joachim Zodel, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. Die Bürgerinitiative, die gegen die Bebauung kämpfte, habe an vielen Stellen den Nerv der Bürger mit den Behauptungen getroffen, der Gemeinderat habe nichts getan beziehungsweise es gebe in Langenargen genügend andere Flächen. Richtig sei allerdings, das Gremium hätte ein Konzept gehabt und „Gräbenen VI“ aus gutem Grund zunächst nicht weiterverfolgt. Fakt sei, die Gemeinde habe keine eigenen Bauflächen. Joachim Zodel ist „auf jede Fläche gespannt“, die ihm als Alternative zum Mooser Weg genannt wird.

„Schockiert“ von der Verwaltungsvorlage zeigte sich SPD-Gemeinderätin Gertrud Reiß. Damit habe man „die Katze aus dem Sack gelassen“ und „die beleidigte Leberwurst gespielt“. Die Zahlen hochzurechnen, sei nicht notwendig, sondern „richtig schäbig“ gewesen. Der Gemeinderat habe mit dieser Vorlage nichts zu tun, erklärte sie, distanzierte sich und stellte sich hinter den Vorschlag, einen Arbeitskreis zu bilden.

Dafür warb auch Bernd Kleiser ( CDU ). Er forderte zudem dazu auf, den Blick nach vorne zu richten: „Es darf in Sachen Wohnungen in Langenargen keinen Stillstand geben.“