Im September 2016 haben Konzern und Betriebsrat eine Vereinbarung zur Sicherung des ZF-Standorts Friedrichshafen geschlossen. Zweieinviertel Jahre später ziehen beide Seiten eine rundweg positive Bilanz. „Ich würde es wieder tun“, sagte Betriebsratschef Achim Dietrich bei einem Pressegespräch.
Um das Papier haben beide Seiten lange gerungen, begleitet von der Angst vieler Mitarbeiter, ihren Job zu verlieren. Denn wichtigster Auslöser der Verhandlungen war die Entscheidung von MAN , seine Lastwagen-Getriebe künftig von der Konzernschwester Scania fertigen zu lassen und nicht mehr von ZF. Am Kunden MAN hingen um die 1000 Jobs in der Produktion am Standort
Jobgarantie gegen Verzicht auf Lohnerhöhung.
Die Standortsicherung schrieb das Ziel fest, weiter 9000 Beschäftigte bei ZF am See haben zu wollen. Weniger als 8500 sollten es nicht werden. Alle Mitarbeiter erhielten eine Jobgarantie bis Ende 2022. Im Gegenzug verzichteten sie auf eine zweiprozentige Lohnerhöhung, die ihnen laut Tarifvertrag zugestanden hätte. Das Unternehmen sagte zu, bis Ende 2022 in Produktion und Entwicklung am Standort Friedrichshafen 600 Millionen Euro zu stecken.
Ein erste Zwischenbilanz der Vereinbarung zogen Betriebsrat und ZF-Vorstandsvorsitzender Wolf-Henning Scheider am Freitag vor rund 4000 ZFlern bei einer Betriebsversammlung in der Messe. Nachmittags erläuterten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Sicht auf das Papier bei einem Pressegespräch.
Ein Drittel des Personals in der Produktion
Diese Sicht fällt positiv aus. „Das Eckpunktepapier war ein Meilenstein, um den Standort Friedrichshafen zukunftsfest zu machen“, sagte Dirk Hanenberg , der für den Produktionsbereich verantwortliche Standortleiter. Für den Schritt im September 2016 sei Mut nötig gewesen. Schließlich habe man zu diesem Zeitpunkt nicht absehen können, wie viel Beschäftigung sich mit E-Mobilität, autonomem Fahren und Hybridtechnik schaffen lässt. „Wir haben da alle ein wenig im Nebel gestochert“, erinnerte sich Hanenberg.
Offenbar mit Erfolg, denn der Beschäftigungsstand hat sich seit 2016 am ZF-Standort Friedrichshafen nicht verschlechtert. Im Gegenteil. „In Friedrichshafen arbeiten derzeit mehr als 9400 Beschäftigte. Hier sind wir gut unterwegs, wozu auch die günstige Auftragslage der vergangenen Zeit beigetragen hat“, sagte Detlef Gagg, Standortleiter für die Zentralbereiche. „Einen nachhaltigen Stellenaufbau sehen wir in den nächsten Jahren eher in der Forschung und Entwicklung.“ Ein Drittel der 9400 ZFler arbeitet in der Produktion mit dem traditionellen Schwerpunkt Nutzfahrzeuggetriebe, zwei Drittel im indirekten Bereich, also der Entwicklung, dem Vertrieb oder für die Konzernzentrale.
Neue Stellen in Aussicht
Damit ZF auch künftig genug Arbeitsplätze in der Produktion anbieten kann, wurden drei Produkte in Friedrichshafen angesiedelt. Die Hybrid-Variante des Lkw-Getriebes Traxon (das ZF-Hauptprodukt am See, für dessen Fertigung und Montage etwa 1300 Menschen arbeiten), Cetrax, ein elektrischer Zentralantrieb für Busse, und Powerline, ein Getriebe für kleinere Nutzfahrzeuge. Für Cetrax und Powerline sind bis jetzt je 60 Stellen eingeplant, je nach Erfolg am Markt kann die Zahl aber auf 250 und mehr ansteigen.
Neue Produkte brauchen neue Maschinen, allein für Powerline wird ZF noch diesen Monat 23 Millionen Euro freigeben. Ein großer Teil der vereinbarten 600 Millionen Euro werden am Standort aber für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Dazu gehören 70 Millionen für eine neues Prüfzentrum, der Ausbau der Teststrecke im Werk 2 mit Blickrichtung aufs autonome Fahren, die Elektrifizierung des Pkw-Getriebes 8HP und neue Stellen für Ingenieure. 650 sollen es werden, 150 für E-Mobilität, 500 fürs autonome Fahren. Um die 400 Stellen sind schon besetzt.
Studienplätze an Dualer Hochschule
Wichtig war vor allem dem Betriebsrat die Weiterbildung der Mitarbeiter, denn neue Produkte erfordern auch in Fertigung und Montage neue Fähigkeiten. „Deshalb setzt ZF darauf, seine Mitarbeiter weiter zu qualifizieren, um sie auf neue Tätigkeiten vorzubereiten und ihnen zugleich neue Karrierechancen zu eröffnen“, erklärte Franz-Josef Müller, Vorsitzender des Betriebsrats für die Zentralbereiche. Neben internen Schulungen bietet ZF deshalb jährlich fünf Mitarbeitern einen Studienplatz an der Dualen Hochschule an.
Bis zu zehn Millionen Euro sind für einen Innovationsfonds vorgesehen, der Ideen aus den Reihen der Arbeitnehmer für neue Produkte oder Angebote unterstützen soll. Breits auf dem Weg sind ein elektrischer Achssantrieb für Wohnwagen und „e-trofit“, ein Angebot zur Umrüstung von Dieselbussen auf E-Antrieb. Das Ziel all dieser Investitionen sei dabei klar, sagte Achim Dietrich : „Wir wollen, dass Beschäftigung hier am Standort entsteht.“
Papielose Fertigung
Von den zugesagten 600 Millionen sind bis jetzt laut Konzern etwa 200 Millionen Euro ausgegeben, unter anderem für den Aufbau der Modellfabrik für automatisierte Logistikprozesse im Werk 2, in die Traxon-Hybrid-Montage, das Lieferantennetzwerk und den Aufbau einer Modellfabrik für Anwendungen zum Schlagwort „Industrie 4.0“ in Halle 11 in Werk 2. Dort wird ab Anfang kommenden Jahres komplett papierlos gefertigt. Alle nötigen Infos erhalten die Mitarbeiter über ein Tablet.
Wie sehr sich der ZF-Standort Friedrichshafen zum Wissens- und Hightech-Standort wandelt zeigen zwei Zahlen: 1998 hat der Konzern weltweit 2330 Ingenieure, Techniker und Fachkräfte für Fortschung und Entwucklung bezahlt. huete sind es über 3000 – allein in Friedrichshafen.