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Zeppelin, Autos, Rahmsammler: Ausstellung zeigt Innovationen vom Bodensee

Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Das Zeppelin Museum Friedrichshafen will mit einer Austellung zu bekannten und unbekannten Innovationen vom Bodensee das Publikum locken und erklärt ganz nebenbei, warum die Region ein Technikbrennpunkt ist.
Veröffentlicht:15.05.2018, 18:42

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„Innovativ“, das ist ein Begriff zwischen Imperativ und leerem Schlagwort. Friedrichshafen ist eine Wiege vieler technischer Entwicklungen und deshalb prädestiniert, diesem Wort auf den Grund zu gehen. Dies geschieht in der Ausstellung „Innovationen! Zukunft als Ziel“, die am morgigen Donnerstag im Zeppelin Museum eröffnet wird.

Die Ausstellung schaut auf rund 1000 Quadratmetern nicht nur auf die innovativen Potenziale des von Graf Zeppelin gegründeten Konzerns zurück. Sie nimmt im zweiten Teil auch gegenwärtige Entwicklungen in den Blick und schaut in die Zukunft: ZF präsentiert seine Forschungen am Technologietrend autonomes Fahren, Rolls Royce Power Systems stellt seine Hybrid-Dieselmotoren für den Schienenverkehr vor und auf der „Digitalen Baustelle“ des Zeppelin Konzerns können die Besucher interaktiv eine virtuelle Bauwelt erleben.

Das Museum der Zukunft

„Wie funktionieren das Überleben von Firmen und Innovationen über einen so langen Zeitraum hinweg?“, umreißt Museumsdirektorin Claudia Emmert die Grundfragen der Ausstellung. In ihren Antworten verknüpfen sich Stadt- und Technikgeschichte, denn Friedrichshafen wird zum exemplarischen Beispiel für Innovationsforschung. Mit diesem Ansatz ist die „Innovationen“-Ausstellung zugleich ein Testlauf für das künftige Konzept des Zeppelin Museums nach seiner Erweiterung. Die Geschichte der Häfler Industrieunternehmen soll nicht, jedes für sich, in geschlossenen Abteilungen verfolgt werden. Stattdessen will die Museumsleitung die Unternehmen parallel in den Blick nehmen: Wo zeigten sie sich unter gewandelten Bedingungen besonders anpassungsfähig? Welche Schlüsseltechnologien wurden entwickelt, aus denen sich neue Produkte und Absatzmärkte ergaben? Was ist letztlich das Wesen der Innovation? Emmert möchte die Friedrichshafener Industriegeschichte zum Teil einer „Zukunftserzählung“ machen: „Die separaten Erzählungen über Unternehmen haben ein Ende. Aber die Innovationserzählungen gehen weiter“, sagt sie. Im zukünftigen Zeppelin-Museum sollen sie inhaltlich regelmäßig auf aktuellen Stand gebracht werden.

Innovationsmotor Leichtbau

Erst wenn eine Erfindung am Markt erfolgreich ist, kann von Innovation die Rede sein. Die neue Ausstellung schickt die Besucher auf einen „Innovationspfad“, der in der Leichtbauweise des Luftschiffs seinen Nukleus hat. Wie lässt sich das Konstruktionsmaterial Aluminium sonst noch verwenden? Diese Frage stellt man sich bei der Luftschiffbau Zeppelin GmbH bereits ab 1910 in einer eigenen Versuchsabteilung. Hohen Stellenwert genießt sie, weil Graf Zeppelin nicht einseitig aufs Luftschiff fixiert ist. „Er denkt systemisch und interessiert sich für alles, was in der Luftfahrt wichtig sein könnte“, erklärt Jürgen Bleibler , Leiter der Zeppelinabteilung des Museums. Das Metallflugzeug wird für Zeppelin schon früh zur Option – konstruiert von Claude Dornier. Zwar wird im Ersten Weltkrieg wegen der hohen Produktionskosten keines verkauft, „aber Dornier rüstet technologisch bereits für die Nachkriegsbedingungen auf“, sagt Bleibler. Ein Beispiel dafür, wie Innovationseffekte zeitversetzt eintreten können.

Seilbahn und Süßrahmbutter

Innovation geschieht auch auf der Grundlage erzwungener Anpassungen – wie für Zeppelin 1918 mit dem Verbot von Rüstungsgütern. Zeppelin sucht nach neuen Absatzmärkten und setzt die Erfahrungen mit Leichtbau und dem Material Aluminium gewinnbringend ein: Automobilkarosserien werden entwickelt, etwa für Maybach und Daimler Benz, und aus dem Karosseriebau ging in den 1930ern der Bau von Seilbahnkabinen hervor. „Das Problem am Berg ist das gleiche wie im Luftschiff“, erklärt Barbara Waibel, Leiterin des Luftschiffbau Zeppelin Archivs: „Man muss bei möglichst geringem Eigengewicht möglichst viel Nutzlast nach oben bringen.“ Ähnlich verhält es sich mit dem Anlagen- und Behälterbau. Zeppelin entwickelt nicht nur leichtgewichtige Aluminium-Tanks, sondern auch die zugehörigen Verfahrenstechniken – darunter den fahrbaren Rahmsammler für die Milchwirtschaft. Ein Unternehmen des Luftschiffbaus erfindet so die Süßrahmbutter.

Maybach muss umsatteln

Auch Maybach muss 1918 umsatteln. Das Unternehmen, im Ersten Weltkrieg Hersteller von Motoren für Militärflugzeuge, trifft Grundsatzentscheidungen: die Entwicklung eines Benzinmotors für Automobile und eines schnelllaufenden Dieselmotors für Schienenfahrzeuge. Die Benzinmotor-Idee scheitert, weil sich Automobilhersteller über den Motor definieren und ihn deshalb selbst fertigen. Aber Maybach, schon im Konkursverfahren, zieht daraus die Konsequenzen: Das Unternehmen steigt selbst in die Automobilproduktion ein und entwickelt den Benzinmotor weiter. „Das versetzt Maybach 1935 in die Lage, zum hochgradigen Rüstungsproduzenten für die Wehrmacht zu werden“, sagt Jürgen Bleibler.

Ob sich ein schnelllaufender Dieselmotor überhaupt realisieren lässt, ist 1918 unklar; Lokomotiven werden noch von Dampfloks angetrieben. Wilhelm Maybach hat sich hierzu aber schon in den Kriegsjahren Gedanken gemacht und legt den Motor 1924 vor. Ab 1933 liefert Maybach dann die Motoren für den weltweit schnellsten Zug: den Fliegenden Hamburger. Auch hier denkt Maybach systemisch – nicht auf den Motor beschränkt, sondern an die komplette Antriebseinheit. Maybach bestückt mit seinem Dieselmotor 90 Prozent der leistungsstarken Dieselzüge der Reichsbahn, exportiert nach Übersee – und knüpft in den 1950ern an diese Erfolgsgeschichte wieder an. Heute werden Dieselmotoren pauschal in die Ecke gestellt. Können sie immer noch innovativ sein? „ Natürlich“, sagt Jürgen Bleibler mit Blick auf das „Hybrid PowerPack“, das vom Maybach-Nachfolgeunternehmen MTU in der Ausstellung vorgestellt wird.

Späte Gründung als Chance

Die Zahnradfabrik Friedrichshafen wird 1915 gegründet, „weil beim Luftschiff die Kraftübertragung vom Motor auf den Propeller ein Problem ist“, sagt Waibel. Bei Kriegsende ist das Unternehmen erst drei Jahre alt – ein Vorteil für seine Innovationsfähigkeit, weil die Strukturen noch nicht eingefahren sind. „Der Geschäftszweck von ZF besteht früh nicht nur in Getrieben für Luftschiffe und Flugzeuge, sondern auch schon für Automobile, Motorräder und Schiffe“, so Waibel.

In der Ausstellung reicht die Reihe der ZF-Innovationen von den frühen Soden-Getrieben bis zur Servolenkung.; und sie leitet über zu dem, was uns im Straßenverkehr der Zukunft erwartet: der Sicherheitstechnik, die für das autonome Fahren notwendig ist.