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Flankenbrot

WM-Stimmung? In der Region hält sich die Euphorie in Grenzen

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Interesse ja, Begeisterung (noch) nicht – Wie die WM in der Region aufgenommen wird
Veröffentlicht:20.06.2018, 22:41

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„Flankenbrot“, „Heldenküsse“, „WM-Menü“: Ob beim Bäcker, im Supermarkt oder in Restaurants – wohin man auch geht, verfolgt einen die Weltmeisterschaft in Russland auf Schritt und Tritt. Von einer WM-Euphorie zu sprechen wäre jedoch übertrieben, zumindest aber verfrüht. Die „ Schwäbische Zeitung “ auf Spurensuche in der Region:

Public Viewing: Auch wenn die ersten Abende während der Gruppenphase im Lammgarten Friedrichshafen ziemlich gut besucht waren: „Die WM-Euphorie hält sich in Grenzen“, meint Betreiber Thomas Vogt . Beim Häfler Wirt an der Uferpromenade werden alle WM-Spiele übertragen.

Anders als früher überwiege bei vielen die Skepsis, ob Jogis Jungs in der Lage sind, den Titel zu verteidigen: „Deutschland kommt nicht weit“, hört Thomas Vogt an den Biertischen immer wieder. Ins selbe Horn stößt Bernd Wucher von den EV Lindau Islanders , die in der Eissportarena die Spiele mit deutscher Beteiligung auf einer Großleinwand übertragen. Der „einzige Hoffnungsschimmer“ bestehe daran, dass Deutschland traditionell eine Turniermannschaft sei und nach der Auftaktpleite noch ins Rollen komme.

Raphael Notz, Wirt des Blauen Affen in Leutkirch, beobachtet bei seinem Public Viewing ein „nach wie vor sehr hohes Interesse, auch nach der Niederlage der Deutschen. Ich weiß aber nicht, ob es einfach nur am optimalen Wetter liegt.“

Unternehmen: „Die WM ist hier schon Thema“, bestätigt Wolfgang Aich, Pressesprecher der Sparkasse Bodensee aus Friedrichshafen : Gespräche auf dem Flur, im Büro und der Mittagspause (Kantine) fänden natürlich statt. Es gibt WM-geschmückte Kundenschalter und auch einige WM-Tippgemeinschaften. Aber: „Eine Sommermärchen-Atmosphäre haben wir diesmal nicht.“

Auch Gunnar Flotow, Sprecher des Betriebsrats von ZF Friedrichshafen, stellt keine überschäumende Begeisterung fest. 2006, zur Heim-WM, hätte die ZF-Firmenleitung noch Public Viewing in der Kantine geboten. Die Spiele konnte die Belegschaft anschauen – gegen zwischenzeitliches Ausstempeln, versteht sich. Hiervon sei man aktuell „meilenweit entfernt“.


Ein enttäuschter Toni Kroos nach der 0:1-Niederlage der DFB-Elf gegen Mexiko beim WM-Auftakt.

Schulen: „Im Kollegium wird das natürlich aufmerksam verfolgt“, sagt Hermann Dollak vom Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichshafen über die WM-Resonanz. Einen Hype gebe es nicht. Niederlagen wie die von Deutschland gegen Mexiko würden im Lehrerzimmer realistisch bewertet.

Kein Problem sieht Dollak bei den Schülern mit dem Interessenskonflikt zwischen den Anstoßzeiten und der Nachmittagsschule. Lediglich eine Abendveranstaltung während der vier WM-Wochen habe man vorsorgehalber verlegt.

Einzelhandel: „Vor vier Jahren gab es einen totalen Hype, als Deutschland Weltmeister geworden ist. Auch die Euphorie war damals größer“, sagt Alexandra Abt von Sport Reischmann in Ravensburg.

Anders ist es jetzt, wo die deutsche Mannschaft gegen Mexiko eine 0:1-Auftaktniederlage kassierte. „Das gab einen starken Dämpfer. Das merken wir sofort, etwa beim Trikotverkauf. Artikel wie Fahnen, Tröten, Schminke oder schwarz-rot-goldene Halsketten werden gerade auch nicht soviel gekauft.“ Wobei sich Abt mit Blick aufs kommende Wochenende optimistisch gibt. „Ich denke, dass das wieder anziehen wird, wenn Deutschland spielt.

Fußballerinnen: Dass die WM nicht nur reine Männersache ist, bestätigt Karin Rasch Boos: „Die Mädchen schauen genauso gerne Männerfußball an“, sagt die Frauenfußballabteilungsleiterin des TSV Tettnang. Ebenso wie sie sieht auch Hans Langenbach von der Spielvereinigung Lindau bei der Euphorie noch Luft nach oben. Dessen Spielerinnen haben übrigens Ronaldo zu ihrem Liebling auserkoren.

TV-Einschaltquoten: Die sind, im Gegensatz zur verhaltenen WM-Stimmung, bislang ordentlich. 26 Millionen verfolgten die 0:1-Pleite der Deutschen, 13 Millionen das 3:3 zwischen Spanien und Portugal. Fast zwölf Millionen sahen die Partie zwischen der Schweiz und Brasilien. Janik Haberer aus Wangen, Fußballprofi in Diensten des SC Freiburg, hofft, dass die Teams spielerisch „alle noch eine Schippe drauflegen. Eine WM ist immer etwas Geiles, da sitzen alle vor dem Fernseher.“