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Dauerärgernis

Warum auf Baustellen oft niemand zu arbeiten scheint

Friedrichshafen / Lesedauer: 6 min

Die Verantwortlichen der Stadt erklären, warum oft so lange gebaut wird und Nachtarbeit selten in Frage kommt
Veröffentlicht:21.02.2018, 17:52

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Dauerärgernis Dauerbaustellen: Was vergangenes Jahr die Ehlersstraße war, ist in diesem die Keplerstraße. Muss das sein? Warum dauert das so lange? Warum haben so viele den Eindruck, dass nichts vorwärts geht? Martin Hennings hat sich mit Baubürgermeister Stefan Köhler, Wolfgang Kübler , Leiter des Stadtbauamts, und Christian Geiger, im Rathaus als Abteilungsleiter für den Tiefbau zuständig, über das Thema unterhalten.

Man kann fast die Uhr danach stellen: In Friedrichshafen startet eine große Baustelle – und es gibt Stau. Kann denn die Stadtverwaltung nicht früher und umfassender über die Zeitpläne solcher Maßnahmen informieren?

Stefan Köhler: Zunächst einmal muss ich sagen, dass die betroffenen Anwohner immer ausführlich und rechtzeitig über anstehende Baumaßnahmen informiert werden. Ein exakter Zeitplan hängt von ganz vielen Stellschrauben ab. Erst wenn diese alle justiert sind, können wir darüber auch informieren.

Welche Stellschrauben sind denn das?

Wolfgang Kübler: Es beginnt damit, dass wir als Stadt verpflichtet sind, Aufträge gemäß den gesetzlichen Vorgaben auszuschreiben. Erst wenn das passiert ist, kann das beauftragte Bauunternehmen Mitarbeiter und Maschinen fix einplanen und Lieferanten beauftragen. Und dann muss die Firma noch die verkehrsrechtlichen Genehmigungen bei den zuständigen Kollegen im Amt für Bürgerservice, Sicherheit und Umwelt (BSU) einholen. Dort werden die Straßensperrungen und die Umleitungsempfehlungen koordiniert. Erst wenn das alles passiert ist, kann ein fester Zeitplan aufgestellt werden, der dann veröffentlicht wird.

Der dann aber auch nicht immer eingehalten wird?

Kübler: Auf dem Bau sagt man: Vor der Schaufel ist es dunkel. Das heißt, dass wir vieles erst genau wissen, wenn wir die entsprechende Stelle aufgegraben haben. Das gilt gerade für eine Stadt mit Industrie- und Kriegsvergangenheit wie Friedrichshafen. Der Terminplan einer Baustelle kann deshalb nie ganz starr sein.

Christian Geiger: Anders als zum Beispiel in der Industrie bauen wir nie in Serie. Bei uns ist jede Baustelle ein Prototyp, die neue und teilweise unvorhersehbare Herausforderungen in sich birgt.

Gerade bei der zurückliegenden Großbaustelle in der Ehlersstraße war immer wieder von Bürgern zu hören, dass dort phasenweise gar nicht gearbeitet worden sei. Stimmt das?

Geiger: Nein, das stimmt so nicht. Je nach dem aktuellen Stand der Bauarbeiten ist es notwendig, Ruhezeiten einzuhalten, in denen beispielsweise der Randsteinbeton abbinden muss. Wenn hier zu früh die Kiesplanum, also die Tragschicht für den Asphalt hergestellt wird, werden die gesetzten Randeinfassungen wieder beschädigt. Dann kann nicht gearbeitet werden.

Wann ruht denn eine Baustelle sonst noch vernünftigerweise?

Geiger: Es gibt zum Beispiel Handwerkerferien. Ein anderes Beispiel: Die Asphaltwerke haben in Deutschland grundsätzlich vom 20. Dezember bis zum 1. März geschlossen. Noch zwei Beispiele: Es gibt bundesweit nur drei Firmen, die Markierungsarbeiten verrichten, und zwei, die Ampelanlagen bauen. Und dann haben wir noch den Faktor Wetter: Wenn es stark regnet, dann sind bestimmte Tiefbauarbeiten nicht möglich. Und wenn der Boden gefroren ist, kann man einfach nicht in die Tiefe graben.

Kübler: Für die Unternehmen ist außerdem der Einsatz der Baumaschinen ein ganz entscheidender Faktor. Kein Baustellenverantwortlicher lässt die Maschinen länger ungenutzt stehen als unbedingt nötig. Trotzdem muss man bei einer großen Maßnahme wie jetzt in der Keplerstraße drei- oder viermal an einer Stelle graben.

Warum das denn?

Geiger: Weil Abwasserrohre in drei Metern Tiefe, Wasserrohre in 1,20 Meter und Elektroleitungen in einem Meter Tiefe verlaufen. Daten- oder Fernwärmeleitungen können noch dazukommen. Weil die Rohre unterschiedlich lang sind, sind die erforderlichen Rohrgräben auch unterschiedlich lang und eben unterschiedlich tief. Da die Stelle, an der gegraben wird, aber auch noch mit Bagger und Lkw anfahrbar sein muss, können nicht alle Leitungen zeitgleich verlegt werden.

„Zeitgleich“ ist ein gutes Stichwort: Warum kann man so ein Großprojekt wie die Erneuerung von Ehlers- und Keplerstraße nicht in einem Rutsch abarbeiten, sondern braucht so viele Bauabschnitte und immer wieder neue Umleitungen?

Köhler: Weil wir ansonsten für lange Zeit eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen der Stadt sperren müssten. Das gäbe dann wirklich Chaos. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Anwohner nicht komplett abgeschnitten sind und dass Rettungsfahrzeuge im Falle eines Falles auch überall hinkommen. Auch deshalb die halbseitigen Sperrungen der Straßen.

Würde nachts und am Wochenende gearbeitet, dann käme man schneller zum Ziel.

Kübler: Das machen wir nur in seltenen Ausnahmefällen. Aus Kostengründen, vor allem aber wegen der Anwohner, die solche Aktionen sehr belasten.

Geiger: Wenn auf unseren Baustellen ausnahmsweise einmal vor halb sieben gearbeitet wird, dann kommt es oftmals schnell zu Beschwerden. Überhaupt müssen sich die Bauarbeiter vor Ort eine ganze Menge anhören, obwohl die dort nur ihre Arbeit machen. Und dies bei Wind und Wetter.

Kübler: Auch wir von der Verwaltung müssen uns in diesem Zusammenhang viel anhören. Dabei machen wir die notwendigen Straßensanierungen oder Straßenrückbauten zum Wohle der Allgemeinheit und setzen damit die Beschlüsse des Gemeinderats um.

Bleibt noch das leidige Thema Umleitungen. Warum hat man immer wieder mal den Eindruck, dass das in Friedrichshafen nicht wirklich funktioniert?

Köhler: Das sehe ich nicht so. Zu Beginn einer Baumaßnahme gibt es oft Probleme, was aber auch daran liegt, dass die Verkehrsteilnehmer Hinweise und auch Verkehrsschilder einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Nach ein paar Tagen beruhigt sich das doch oft. Es gibt aber zwei spezielle Friedrichshafener Probleme. So können wir praktisch immer nur in eine Richtung umleiten, weil uns der See beschränkt. Und dann setzt uns die Messe Grenzen. Während der großen Messeveranstaltungen sollte es möglichst keine nennenswerten Straßenbauarbeiten geben, die den Verkehrsfluss zusätzlich beeinträchtigen.

Nun lässt nicht nur die Stadtverwaltung in Friedrichshafen Straßen bauen. Und man hat manchmal das Gefühl, dass eine Behörde nicht weiß, was die andere tut.

Geiger: Dieser Eindruck ist falsch: Einmal im Jahr gibt es einen Koordinierungstermin zu den geplanten und bereits bekannten Straßenbaumaßnahmen mit Vertretern der Stadt, des Landratsamts Bodenseekreis, des Regierungspräsidiums Tübingen, der Polizei und weiterer beteiligter Behörden. Mit dem Stadtwerk am See stimmen wir uns zusätzlich quartalsweise ab. Auch mit den Telekommunikationsanbietern gibt es Abstimmungen. Das Ziel ist immer eine möglichst gute Koordination.