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Vom November-Blues und Literatur-Genuss

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Schauspieler Bernd Wengert und Musiker Michael Moravek führen „Die Geschichte von Moby Dick“ auf
Veröffentlicht:19.11.2018, 18:58

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„Immer wenn in meiner Seele nasser, nieseliger November herrscht, ist es höchste Zeit für mich, sobald ich kann, auf See zu kommen.“ Was der Held Ismael aus Herman Melvilles Klassiker „Moby Dick“ sagt, treibt derzeit vielleicht auch so manchen Häfler um. Der November zeigt sich in Friedrichshafen oft von seiner nassen und trüben Seite. Ein Bühnenstück wie „November in my Soul – Die Geschichte von Moby Dick nach Herman Melville“, das der Schauspieler Bernd Wengert und der Musiker Michael Moravek geschrieben und am Freitagabend in der Buchhandlung Gessler 1862 aufgeführt haben, kommt da gerade recht: Nicht nur trägt es herbstliche Melancholie schon im Titel, auch verlockt es dazu, dieser eine Weile lang zu entfliehen.

Dafür ist die Aufführung des Stücks, an dem der Konstanzer Wengert und der Ravensburger Moravek über ein Jahr gearbeitet und das sie extra vertont haben, bestens geeignet. Wengert verkörpert die Rollen des Erzählers Ismael aus Melvilles Original und die des Kapitäns Ahab. Er erzählt, schauspielert, gestikuliert. Alles bleibt wegen der wenigen Requisiten, die er für seine Darbietung braucht, in überschaubarem Rahmen. Dem Stück tut das gut: Der Fokus liegt auf Wengert. Seinen zum Teil mit rollendem „R“ vorgetragenen Erzählungen vom Aufbruch mit der „Pequod“, der Freundschaft von Ismael und dem Harpunier Queequeg, dem wahnsinnigen Kapitän Ahab und dem besonnenen Maat Starbuck lauscht man als Besucher gern. Nur ab und an verliert sich der Schauspieler, der unter anderem schon den großen österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard gespielt hat, in Details oder gerät ins Stocken. Das ist allerdings mit Sicherheit auch der 592-Seiten starken Romanvorlage geschuldet, die für die Bühne auf rund zwei Stunden gekürzt werden musste.

Musik zum Mitwippen

Wengert fokussiert sich daher auf Schlüsselszenen aus „Moby Dick“: Ismaels Entschluss, auf einem Walfangschiff anzuheuern, Ahabs Wut und Jagd auf den weißen Pottwal, der ihm ein Bein abgerissen hat, und schließlich der Untergang seines Schiffs, der zum Tod fast der gesamten Mannschaft führt.

Bloß Ismael überlebt, und Wengert nutzt dies, um die Geschichte von hinten aufzurollen. Sein Schauspiel startet mit dem jungen Matrosen, der auf einem Sarg übers Meer treibt. Diese und andere Szenen spielen auch in den Liedern, die der Musiker Michael Moravek für „November in my Soul“ geschrieben hat, eine Rolle.

Die Songs sind zwischen den episodischen Erzählungen angesetzt oder unterstreichen diese als Hintergrundmusik. Moravek benutzt lediglich Gitarren, eine Mandoline, eine Mundharmonika und seine Stimme, um die Sehnsucht Ismaels nach Abenteuern oder Kapitän Ahabs Rachsucht einzufangen.

Moraveks Lieder sind das Higlight des Stücks. Dass sie auf Englisch vorgetragen werden, während Wengert in deutscher Sprache schauspielert, stört nicht. Ganz im Gegenteil, hilft es dabei, dem 1851 erschienen Erzählstoff Frische zu verleihen und seine Kernthemen auf den Punkt zu bringen. Zudem klingt „allegory“ einfach besser als „Allegorie“.

„November in my Soul“ ist insgesamt eine gelunge Interpretation eines Klassikers, den vielleicht jeder einmal gelesen und entweder geliebt oder gehasst hat. Als Bühnenstück sorgt die Geschichte um den weißen Wal jedenfalls keineswegs für finstere Laune.

2019 können sich Besucher noch insgesamt sechs Mal „November in my Soul – Die Geschichte von Moby Dick nach Herman Melville“ ansehen. Am 11. Januar kommen Bernd Wengert und Michael Moravek mit dem Stück in die Buchhandlung Aegis nach Ulm, am 2. Februar sind sie im Theater Ravensburg , am 8. Februar im Braith-Mali-Museum in Biberach, am 4. April im Kleines Theater Haar in München und am 12. April in der Neuen Buchhandlung Jürgen Rieger in Balingen. Am 22. November gibt es noch einen Auftritt in Ravensburg im Figurentheater.

An allen Abenden beginnt die Vorstellung um 20 Uhr. Eintritt wird je nach Ort im Vorverkauf oder an der Abendkasse gezahlt und beträgt bis zu 18 Euro. Für Schüler, Studenten und Schwerbehinderte gibt es Ermäßigungen.