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Vom Do X-Fieber erfasst: Studenten bauen Flugschiff nach

Friedrichshafen / Lesedauer: 7 min

Startschuss für Flugschiff-Nachbau am 12. Juli - Flugboot zog einst die ganze Welt in seinen Bann
Veröffentlicht:26.06.2019, 15:03

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Claude Dornier und seine Konstrukteure arbeiten Tag und Nacht fieberhaft daran, die letzten Arbeiten für das Flugschiff Do X zu Ende zu bringen, damit es am 12. Juli 1929 zu seinem Erstflug abheben kann. 90 Jahre später wird wieder fieberhaft am Projekt Do X gearbeitet: Am 12. Juli soll der Startschuss für ihren Nachbau gegeben werden.

Projektleiter und Ideengeber ist der ehemalige Dornianer Peter Kielhorn . Seine „Mitarbeiter“ sind Studenten der Dualen Hochschulen Baden-Württemberg (DHBW) in Friedrichshafen, Mosbach und Lörrach sowie deren Lehrbeauftragte. Sie alle schwelgen im Do X-Fieber, sind fasziniert von dem Flugboot, das seinerzeit, als es mit einem Gewicht von 56 Tonnen als erster „Jumbo“ der Lüfte abgehoben ist, die ganze Welt in seinen Bann gezogen hat. Die logische Konsequenz: mithelfen bei der Rückkehr der Do X im Maßstab 1:1 in Form eines Computermodells, also in CAD, direkt in 3D, das ab 12. Juli 2019 nachgebaut werden soll - allerdings nicht schwimmfähig.

Projekt begann im Jahr 2014

„Ich möchte dazu beitragen, dass die Umsetzung gelingt“, begründet Student Marcel Koch sein Engagement für die Do X, für das er zwei Monate lang „exzessiv gearbeitet“, sich manche Nacht um die Ohren geschlagen hat. Insgesamt haben seit Beginn des Projekts im Jahr 2014 bisher 39 Studenten, die an einer DHBW Maschinenbau oder Luft- und Raumfahrtsysteme studieren, rund 9000 Stunden am Nachbau der Do X gearbeitet. Nach Abschluss der derzeitigen Studienarbeiten der fünften Generation werden es 10 800 sein – dann sind das komplette Flugschiff als Vorkonstruktion und die Spante des Vorschiffs nachkonstruiert. Peter Kielhorn selbst hat seine Stunden nie gezählt – bei ihm greift der Spruch „Einmal Dornianer, immer Dornianer“, Arbeitsstunden sind, ist erst einmal die Begeisterung entfacht, Nebensache. 40 Meter lang, 10,1 Meter hoch, Spannweite: 48 Meter. Höchstgeschwindigkeit: rund 200 Kilometer pro Stunde, Leistung: 7680 PS (Curtiss-Motoren), Reichweite: maximal 1520 Kilometer, Besatzung: zehn Mann – die Do X. Eigentlich kann ein Schiff nicht fliegen.

 Aufwändige Studentenarbeit: die Vorkonstruktion für den Nachbau der legendären Do X.

Doch am 12. Juli 1929 wird die Menschheit eines Besseren belehrt: Der Riese hebt ab. Am 21. Oktober 1929 stellt die Do X bei einem Rekordflug ihre enorme Tragfähigkeit unter Beweis: Sie transportiert 169 Fluggäste, zugelassen sind 66 Passagiere. Am 27. August 1931 findet der Transatlantikflug des Flugschiffs Do X, des ersten Großraumflugzeugs, mit einer Wasserung auf dem Hudson-River in New York seinen Höhepunkt. „Um 11.10 Uhr sind wir über New York, umfliegen die Freiheitsstatue, dann geht es den Hudson aufwärts bis zur Hudson-Brücke, im weiten Bogen zurück über die Stadt, vorbei an den Wolkenkratzern“, schrieb Maurice Dornier, Bruder von Flugzeugpionier Claude Dornier, dem Vater der Do X, über den triumphalen Empfang in New York. „Dächer und Straßen sind schwarz von Menschen, die Sirenen der Dampfer dringen bis zu uns herauf, trotz unserer zwölf Motoren. Am Hafen stehen Tausende und winken und warten auf die Landung. 11.30 Uhr landen wir vor der Battery“.

„Sie ist und bleibt eine faszinierende Maschine“, hört man in den Studenten-Seminaren immer wieder. „Unglaublich, welche Technik, welches Wissen in diesem Flugschiff stecken“, sagen etwa die Studenten Peter Hepp und Christoph Legener. „Dieses Großflugschiff war eine herausragende technische Meisterleistung von Claude Dornier und seiner Mannschaft.“ Das Problem: Obwohl dereinst drei Do X-Maschinen gebaut wurden, ist keine einzige mehr erhalten. Verschollen sind auch die Original-Baupläne – geblieben sind nur wenig Originalteile und einige Übersichtszeichnungen. Also betreiben die Studenten auf Kielhorns Einladung hin „luftfahrthistorische Archäologie“, wie dieser es formuliert. Nur auf ein paar „grottenschlechte Zeichnungen“ aus dem Jahr 1956 und Hunderte von Fotos aus der Bauphase der Do X im Schweizer Altenrhein, die Peter Kielhorn im Staatsarchiv in St. Gallen aufgetrieben hat, können sich die Studenten bei ihrer Rekonstruktion stützen.

Eine knifflige Aufgabe, wie ihr Betreuer Professor Gangolf Kohnen von der DHBW Mosbach sagt, denn die jungen Leute brauchen auch detektivischen Spürsinn. Ein Student zeigt auf ein u-förmiges Profil des im Dornier-Museum in Friedrichshafen ausgestellten Do X-Holmes. „Das kann man auf dem Foto nicht erkennen.“58 Spante hat das Flugschiff, fertig konstruiert sind Nummer 43 bis 54. Der Nachbau soll mit Spant 44 starten. „Der ist sechs Meter hoch und ungefähr vier Meter breit – das ist überschaubar“, sagt Peter Kielhorn in dem Wissen, dass er noch jede Menge Ausschreibungen für Konstruktionsaufgaben an die Hochschulen schicken muss. Und fügt an: „Es wäre es toll, wenn neben den Dualen Hochschulen in Mosbach, Friedrichshafen und Lörrach weitere Hochschulen mitarbeiten würden.“ Denn: Auch das Cockpit, der Navigationsraum, der Funkraum, der Motorsteuerungsraum und der Passagierbereich sowie die Motorengruppe sollen im Detail konstruiert werden. Durch so genanntes Reverses Engineering beispielsweise wurde der Original-Do X-Propeller, der einen Durchmesser von drei Metern hat und im Flugzeugmuseum in Altenrhein aufbewahrt wird, per Laser erfasst und in eine Konstruktionsdatei umgewandelt – er kann also bereits nachgebaut werden.

Beratend im Team und damit auch in der Do X-Whatsapp-Gruppe ist Konstrukteurin Sophia Borbely aus Ungarn – in ihrem Betrieb, der auch ihrem Mann Karl Bircsak gehört, wurden bereits das Flugboot Dornier-Wal sowie das Verkehrsflugzeug Dornier-Merkur in Originalgröße fürs Dornier Museum nachgebaut.

Das nächste Projekt bereits im Blick

Visionen hat Peter Kielhorn zur Genüge – wie auch seine Mitstreiter: „Auch könnte man mit einer VR-Brille tiefer in die Do X eintauchen‘, gar als Pilot das Flugzeug virtuell steuern oder als Passagier mitfliegen - vielleicht ein nächstes Studenten-Projekt“, sagt Professor Marc Nutzmann von der DHBW Friedrichshafen.

Große Hoffnungen ruhten seinerzeit auf der Do X. Doch aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage blieb der Erfolg aus. Do X 1 wird in der Deutschen Luftfahrtsammlung in Berlin im Frühjahr 1944 durch eine englische Luftmine, die das Hallendach über der Do X durchschlagen hat, zerfetzt. Do X 2 und Do X 3, die beiden anderen, nach Italien verkauften Flugschiffe werden 1937 abgerüstet – zuvor hatte es wie auch bei der Do X 1 Havarien gegeben. Trotzdem, betont Claude-Dornier Enkel Iren, erfahrener Pilot und Besitzer des Flugboots Do 24 ATT: „Für die Entwicklung der Flugverbindungen zwischen den Kontinenten ist die Bedeutung der Do X nicht hoch genug einzuschätzen.“

Davon sind auch Peter Kielhorn und seine Mitstreiter überzeugt. Wo die „neue“ Do X ihre Heimat findet, ist derweil noch ungeklärt – vielleicht im Dornier Museum, der ehemalige Dornianer könnte sie sich auch an der Strand-Promenade in Friedrichshafen in einem Hangar als Außenstelle des Dornier Museums vorstellen.

Der Nachbau des Flugschiffs wird eine nicht unbeträchtliche Menge Geld kosten, ein eigener Do X-Förderverein „Freundes- und Förderkreis Do X Flugschiff“ ist bereits in der Gründungsphase. Über diesen soll das Geld gesammelt werden, beispielsweise über Crowd Funding oder öffentliche Unterstützung. Genau 570 Tage reine Bauzeit sind für die Original-Do X dokumentiert. Peter Kielhorn und seine Mitstreiter möchten die komplette Do X, die er gerne als „Leuchtturm für das Dornier Museum“ bezeichnet, zu ihrem 100. Geburtstag nachgebaut haben – als Wahrzeichen für Pioniergeist, Schöpferkraft und Mut. Student Marcel Koch sagt: „Sollte es mir zeitlich möglich sein, möchte ich wieder in das Projekt eintauchen – nicht nur auf mich übt es eine unglaubliche Faszination aus.“