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Kulturufer

Steine aufschneiden ist besser als Pokemons fangen

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

SZ-Redakteur steht zwei Stunden an der Säge, mit der Millionen Jahre alte Geheimnisse gelüftet werden
Veröffentlicht:01.08.2016, 19:29

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Silke Pott und Werner Bonk sind Aufschneider – Steinaufschneider. Und ihr Stand auf dem Kulturufer ist eine Attraktion, denn sie machen sichtbar, was vor 120 bis 200 Millionen Jahren entstanden ist. Sie schneiden für ihre Kunden Drusen auf und suchen Geoden, in denen sich Kristalle gebildet haben. Neugierig, wie das geht, hat sich der Autor dieser Zeilen ebenfalls mal an die Säge gestellt und ein Praktikum absolviert.

Um es vorwegzunehmen, es hat enorm viel Spaß gemacht und dank der Anleitung von Silke Pott und ihrem Sohn Steffen ist auch nicht allzuviel schief gegangen.

Dass man Steine aufsägt, um zu sehen, was drin ist, erinnert ein wenig an kalorienarme Überraschungseier. Ähnlich gespannt wie Kinder vor einem Überraschungs-Ei hoffen die Menschen vor der Säge auf das, was sich ihnen nach einem ziemlich lauten, kreischenden Arbeitsgang offenbart. Bei den Edelstein-Aufschneidern suchen sich die Kunden einen Stein aus und hoffen, dass „etwas drin ist“ – was in den meisten Fällen auch so ist. Nicht so bei meinem ersten Versuch. Der Stein zerbröselt und innen gibt es außer Erde und Sand nichts Außergewöhnliches.

Aller Anfang ist schwer

Toller Einstieg in das Leben eines Aufschneiders – und danke an das Publikum, das die Geschichte eher belustigt nahm. Zweiter Versuch: Langsam schneidet sich das mit Diamanten besetzte Sägeblatt durch die Steinhaut. Die Säge ist zwar gekühlt, weil sie durch ein Wasserbecken läuft, ein Verkanten des Steines sollte aber auf jeden Fall vermieden werden, weil sie sehr empfindlich ist. Steffen Pott klärt über Risiken und Nebenwirkungen beim Steinschneiden auf.

Das Sägeblatt ist fast durch. Noch gab es bei diesem Stein keine Stelle, die einen Hohlraum vermuten lässt, weil die Kraft, mit der der Stein gegen das Sägeblatt gedrückt werden muss, noch nicht nachgelassen hat. Ein Ruck und ich halte zwei Hälften in meiner Hand. Dass der Mann an der Säge an dieser Stelle das Geheimnis nicht gleich lüften darf und den Stein aufklappen sollte, versteht sich von selbst. Ich habe es aber auch bei den Aktionen von Steffen und Silke Pott zuvor gesehen. Erstmal wird der Stein gewaschen, der nach 120 bis 200 Millionen Jahren sein Innerstes offenbart. Dann öffnet sich ganz langsam ein Spalt, die Steinhälften werden gegeneinander verschoben und sichtbar wird eine feine Struktur des Achates, der den Mantel um die sonst üblichen Kristalle bildet. Von denen aber gibt es keine Spur. „Die Steine, die geschlossen sind und keine Höhle haben, sind besonders alt. Die Kristalle in den Steinen wachsen von außen nach innen und schließen nach Millionen von Jahren die ursprüngliche Höhle“, erklärt Steffen Pott. Er macht Mut. „Beim nächsten Stein wird alles besser“, sagt er und überlässt mich den kritischen Blicken der Kunden. Der zerbröselte Matschstein wird ausgetauscht und der Junge, dem der mal gehören sollte, darf sich einen neuen aussuchen.

Die erste Höhle

Und dann kommt das, auf das alle gewartet haben. Eine Höhle zeigt sich in einem durchgeschnittenen Achat, in der sich kleine Bergkristalle und sogar feine Rauchquarze befinden. „Das ist selten“, sagt Steffen Pott und erklärt den Menschen vor der Säge die mineralogischen Einzelheiten. Lehrreich und interessant ist das und jeder hört zu. „Das ist doch um Klassen besser als Pokemons zu fangen, oder“, fragt ein Vater seine Kinder. Beide stimmen zu und wollen noch einen Stein aufgeschnitten haben.

Zwei Stunden später, der Markt schließt langsam seine Pforten, bin ich um ein paar Gramm Steinstaub und eine wunderbare Erfahrung reicher und habe rund 15 Steine halbiert. Bis dann Kollege Hagen Schönherr von der Lesung im Kleinen Zelt kommt und sich einen besonders kleinen Stein aussucht. Der lässt sich nicht einspannen, muss also mit beiden Händen festgehalten werden. Die hohe Kunst des Stein-Sägens werde ich in den kommenden Minuten dank der Einweisung von Silke Pott auch noch kennenlernen. Respekt vor der Arbeit der Stein-Aufschneidern. Und langweilig wird es da hinter und vor der Säge auch nie.

Einen Film von dieser Aktion gibt es ebenfalls. Zu finden ist er ab Dienstagmittag unter

www.schwaebische.de/kulturufer