StartseiteRegionalBodenseeFriedrichshafenSo zerstört der Mensch den Bodensee – und sein eigenes Kulturdenkmal

Stockente

So zerstört der Mensch den Bodensee – und sein eigenes Kulturdenkmal

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Wie sehr schadet der Mensch dem Bodensee? Ein Forscherteam der Uni Konstanz liefert Antworten – und gibt Empfehlungen
Veröffentlicht:21.10.2018, 18:02

Von:
Artikel teilen:

Romantische Holzstege, Stockenten auf Tauchstation und kleine Jollen, die im flachen Gewässer vor sich hin dümpeln – so lieben die Einheimischen und Gäste ihren Bodensee. Wem gefällt das nicht? An einem lauen Herbsttag die Beine von der Mauer baumeln lassen und die Fähren dabei beobachten, wie sie Pendler und Touristen von Ufer zu Ufer bringen. Was wir Menschen als romantische Freizeitbeschäftigung verbuchen, kommt für das Leben unter Wasser beinahe einem Horrorszenario gleich.

Vor allem flache Gewässer vieler Voralpenseen sind durch uns Menschen und unser Handeln gefährdet. Hier schwinden die Sedimente, die wichtige Grundlage für das Ökosystem unter der Wasseroberfläche sind. Dieses Problem hat nun ein Team von Wissenschaftlern untersucht. Drei Jahre lang dauerten die Forschungen des Verbundprojekts mit dem Titel „HyMoBioStrategie“ an.

 Durch Schiffe verursachte Strömungen bedrohen laut Forscher auch die Pfahlbauten in Unteruhldingen.

Unter der Leitung von Hilmar Hofmann vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz wurden dafür die Uferbereiche von Sipplingen, Unteruhldingen, Hagnau, Langenargen, Kirchberg und Kressbronn untersucht. Das Bundesministerium für Bildung investierte rund 1,2 Millionen Euro in das Projekt.

Als Ziel setzten sich die Forscher, Lösungsvorschläge für eine nachhaltige Ufergestaltung herauszuarbeiten. Nun liegen die Ergebnisse vor – und die zeigen, dass die Auswirkungen des Menschen auf diese Uferzonen massiv sind. Sogar die prähistorischen Pfahlbauten von Unteruhldingen sind bedroht.

„Die ,Weiße Flotte’, Fähren und Katamarane“ – die sind laut Hofmann problematisch für das Ökosystem unter Wasser , und zwar aus folgendem Grund: Größere Schiffe, die einen Hafen anfahren, können 15 bis 50 Meter lange Wellen verursachen. Die prallen zum Teil mit großer Wucht an den künstlich angelegten Ufermauern auf. Das Resultat: Starke Turbulenzen auf dem Grund des Sees.

Die machen zum Beispiel das Wachstum von Pflanzen an den Ufermauern fast unmöglich. Laut Hofmann seien knapp 40 Prozent der Uferbereiche rund um den Bodensee stark verbaut – mit Mauern, Bojenfeldern oder Hafenanlagen – und gelten unter Seeforschern als „naturfern“. Am wenigsten Natur sei laut Hofmann an den Ufern von Kressbronn und Unteruhldingen übrig.

Neben der Natur leidet auch die Kultur unter den unnatürlichen Bedingungen am Bodenseeufer. So leiden die berühmten Pfahlbauten in Unteruhldingen unter dem starken Schiffsverkehr. Die Wellen, die durch die vorbeiziehenden Schiffe entstehen, verursachen Strömungen unter Wasser.

Das eigens von der Forschungsgruppe entworfene Sedimenttransportmodell zeigt: Die Sedimente bewegen sich so nicht mehr parallel zum Ufer, die Pfähle und archäologischen Fundstellen unter Wasser werden dadurch freigelegt, kommen mit Sauerstoff in Berührung und zersetzen sich immer weiter. Laut Hofmann wurden so in den vergangenen 40 Jahren bereits 30 bis 80 Zentimeter erodiert.

Zum Handeln ist es aber nicht zu spät. Hofmann zufolge kann Renaturierung eine Antwort auf diese Probleme sein. Ähnlich wie am Kirchberger Ufer sollten Bäume und Sträucher in den Uferzonen gepflanzt werden, um dort die Artenvielfalt zu erhalten. Weniger uferparallele Kurse der Schiffe, veränderte An- und Ablegemanöver in den Häfen und eine geringere Fahrgeschwindigkeit in Ufernähe könnten laut Hofmann dazu beitragen, die fortschreitende Erosion der Pfahlbauten abzumildern.