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Schottenrock

Schottenrock in langen Hosen

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Mit Schmackes geht die Band Mànran im Bahnhof Fischbach zurück zu den Wurzeln der Folklore
Veröffentlicht:22.11.2018, 18:56

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In den 1980er-Jahren war Folkrock noch etwas ganz anderes als heute. Damals gab es Bands wie Big Country aus Schottland , die ihren Rock mit keltischen Elementen aufpeppten. Im Zentrum standen die traditionellen Wurzeln damals aber nicht. Heute ist das anders. Schon seit Jahren schießen Folkrockbbands aus dem Boden, die zu den Ursprüngen zurückkehren und dabei trotzdem rocken. Eine davon heißt Mànran und stammt aus Schottland. Mànran widerlegen den gängigen Kulturpessimismus, den es auch in der Popmusik gibt. Ihm zufolge strebt die Musik von heute immer mehr is Künstliche und Hybride. Im Bahnhof Fischbach bewiesen Mànran am Mittwoch das Gegenteil.

Mànran, das sind sechs junge Männer, einer dünner als der andere, mit offenen, zur Euphorie fähigen Gesichtern. Drei Alben haben sie seit 2011 herausgebracht. Alles was diese ausmacht, zeigen die Musiker auch live in Friedrichshafen: Ein Spiel, das Genauigkeit mit Wildheit verbindet, Balladen, aus denen Herzblut fließt und vertrackte Melodien voller Rhythmuswechsel. So passgenau wie durch Butterbrot gepaust liegen Dudelsack, Akkordeon, Geige und auch Flöte im Unisonospiel aufeinander. Evan Henderson legt ein Sprechgesangstempo an den Tag, das jeden Rapper in den Schatten stellt und fast schon an den Alltagsduktus des schwäbischen Schnellschwätzers Günther Oettinger heranreicht –vor allem beim Glanzstück des Konzerts, dem Song „Puirt“ von Mànrans Debütalbum.

Im harten schottischen Slang und dadurch schwer verständlich schicken Mànran ihre Ansagen über die Bühne, aber das macht ja nichts – gesungen wird ja eh auf Gälisch, was kein Mensch versteht. „Klingt fast Hebräisch“, sagt eine Besucherin in der Pause. Aber da sind auch die englischen Balladen, die überhaupt am schönsten sind, wenn sie von Craig Irving gesungen werden. Der Jüngste im Bunde von Mànran hat ein Gesicht wie Milch und Honig, außerdem ein unschuldiges Lächeln, das ihm die Aufmerksamkeit der Damen im Saal sichert – was ihm wohl nicht einmal bewusst ist. Mit schlichter Wärme schickt er zum Geigenschmelz ein Bittgebet an die Muttergottes: „When my legs no longer carry / And the warm wind chills my bones / I reach for Mother Mary / And I shall not walk alone“. Zugegeben, wenn man da noch ein paar Fingerschnipper drunterlegen würde und den Flausch eines Keyboardteppichs, wäre das ein Boygroup-Hit. Zum Glück lassen Mànran sowas bleiben.

Der Humor lässt auch nichts zu wünschen übrig: Da ist jenes fidele Lied, das von einem jungen Burschen handelt. Er ist ganz schön unglücklich, denn er hat eine alte Frau geheiratet. „Aber am Ende ist er glücklich, weil sie nämlich stirbt“, sagt Evan Henderson. Naja, man geniert sich ein wenig, dem Glückspilz zu gratulieren. Natürlich klingt vieles bei Mànran mannhaft und episch weit. Da ahnt man den schottischen Freiheitsgeist, der 2014 beim Unabhängkeitsreferendum nicht in Bestform war; und jetzt haben die Schotten den Brexit-Salat. In solchen Zeiten ist es gut, eine Band wie Mànran zu haben. Denn die beginnt ihre Jigs und Reels trotzig kriegerischem Unterton, kriegt dann aber doch die Kurve in den Optimismus. Kurvig dreht er dank Ryan Murphys Flöte Runde um Runde.

Und so beenden Mànran ihren Auftritt mit einer langen Tanzmusik-Session, die den Alltag aus den Synapsen fegt. Blind für die drohenden Schatten der Wirklichkeit ist diese Band trotzdem nicht.

Das Lied „Pandora“ vom neuen Album lässt sich jedenfalls auf ein Großbritannien beziehen, das ab März 2019 einer ungewissen Zukunft entgegengeht.