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Neuer Reinraum: Airbus hofft auf mehr Aufträge zum Satellitenbau am Bodensee

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Airbus eröffnet Europas größten Reinraum – Kretschmann lobt Klimadaten
Veröffentlicht:22.02.2019, 16:49

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Sie denken, Ihr Wohnzimmer sei ziemlich sauber? Am Bodensee arbeiten Satelliten-Fachleute von Airbus in einer Umgebung, die 10 000 mal sauberer ist – in Europas größtem Reinraum. Am Freitag ist er im Beisein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann offiziell eröffnet worden. Das Hightech-Projekt ist nach Angaben des Unternehmens ein wichtiger Baustein beim Bemühen von Airbus, der größte europäische Raumfahrtkonzern zu bleiben.

Heute geht für Schwaben ein Traum in Erfüllung. Ihnen ist es gelungen, einen sauberen und blitzblanken Raum zu schaffen und das ohne Kehrwoche.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Mit diesem Beginn seines Grußwortes hatte Winfried Kretschmann (Grüne) die Lacher auf seiner Seite. Ganz ohne Flachs nannte der Ministerpräsident das 45 Millionen Euro teure ITC (Integrated Technology Centre) am Airbus-Standort in Immenstaad bei Friedrichshafen eine wichtige Investition für die Region und die Raumfahrt in Baden-Württemberg. Der grüne Politiker würdigte die Qualität der Klimadaten, die dank der Satelliten-Technik vom Bodensee mittlerweile vorlägen und die den „Spielraum für Ausreden beim Kampf gegen den Klimawandel“ immer kleiner machten.

Acht Satelliten gleichzeitig

Das ITC ist ein klares Bekenntnis des deutsch-französischen Konzerns Airbus zum Standort Immenstaad. Über 2200 Menschen arbeiten dort, davon 1100 für die Raumfahrtsparte, die konzernweit im Jahr 2018 rund elf Milliarden Euro Umsatz gemacht hat. Mit dem neuen, insgesamt 4200 Quadratmeter großen Gebäude sieht sich Standortleiter Dietmar Pilz für die Zukunft gut aufgestellt. In seinem Herzstück, dem Reinraum, können auf 2100 Quadratmetern Grundfläche bis zu acht Satelliten gleichzeitig integriert werden, also – etwas salopp gesagt – zusammengebaut. Derzeit stehen dort fünf Allflugkörper und zwei Radarinstrumente mit einer Länge bis zu 12,3 Metern. Auftragsvolumen: 1,2 Milliarden Euro.

Mit dem ITC verdreifacht sich die Reinraumfläche am Standort. Die schiere Größe des 70 mal 60 mal 20 Meter großen Gebäudes ermöglicht sehr voluminöse Aufträge, etwa Weltraumteleskope. Außergewöhnlich sind die vier seismischen Blöcke. Jeder rund 150 Tonnen schwer und über eine spezielle Federung vom Rest des Gebäudes abgekoppelt ermöglichen sie laut Airbus auf ihnen eine absolut erschütterungsfreie Montage optischer Geräte, bei der jede winzige Abweichung den Erfolg eines Projekts gefährden kann.

Technisch ausgefeilt ist die Luftfilterung. Sie wälzt ein Volumen von 900 000 Kubikmetern bis zu 60 mal pro Stunde um. Auf 400 Quadratmetern des Reinraum herrschen sogenannte ISO 5-Bedingungen. Das heißt, dort finden sich maximal 100 Minipartikel in 28,3 Litern Luft, also einem Kubikfuß.

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Dicke Luft in der Branche

Dass derzeit in der Raumfahrtbranche dicke Luft herrscht, wurde bei den offiziellen Reden zur Eröffnung des ITC deutlich. Immer mehr Länder steigen ein, zudem drängen neue, private Investoren auf den Markt, nicht nur der Tesla-Gründer Elon Musk. Die Schlagworte „immer kleiner“, „immer schneller“ und „immer leistungsfähiger“ gelten auch für die Raumfahrttechnik. Die politischen Spitzen in China, Russland und den USA setzen aufs All. „Den Mond zu besiedeln, ist technologisch möglich, und es wird passieren“, sagte Andreas Hammer, der die Airbus-Raumfahrt in Deutschland verantwortet. „Ebenso den Mars.“ Er appellierte an die Politik, „eine selbstbewusste Standortbestimmung zu machen“ und danach die nötigen Mittel zur Verfügung zustellen.

Damit dürfte er bei Winfried Kretschmann auf offene Ohren gestoßen sein. Die Raumfahrtbranche befinde sich in einem „gigantischen globalen Wettbewerb“, sagte er. Auf diese Herausforderung müsse man eine „europäische Antwort“ geben, technologisch, aber auch mit „den Werten, die dahinterstehen“.

„Raumfahrt ist allumfassend“

Der Chef der Airbus-Raumfahrt-sparte, Nicolas Chamussy, erinnerte daran, was das erste vom All aus aufgenommene Foto von der Erde ausgelöst habe. Seitdem spreche man vom blauen Planeten, seitdem wachse das Bewusstsein dafür, wie verletzlich dieser Himmelskörper ist. Raumfahrt, so Chamussy, nutze der Erde und den Menschen. Kommunikation, Vernetzung, Navigation, Klimaforschung, der Wetterbericht – „Raumfahrt ist allumfassend“, sagte der Manager. Um in einem immer komplexeren Markt zu bestehen, brauche man Agilität, Innovationskraft, die Bereitschaft zum Risiko und das Wissen der Mitarbeiter. Deshalb investiere Airbus am Bodensee, aber auch zum Beispiel in Ottobrunn bei München und Toulouse. Dies sei zwingend nötig, um die „Position als Nummer eins in Europa “ zu festigen.

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