Feuchtgebiet

Männliche Feuchtgebiete

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Ingo Appelt will im Bahnhof Fischbach Männer zu Menschen machen
Veröffentlicht:11.05.2018, 18:05

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Das muss man erst mal hinkriegen: die Seiten zu wechseln und sich trotzdem treu zu bleiben. Ingo Appelt ist das geglückt. Ein Comedian der Zoten ist er immer noch, aber heute verpackt er sie so, dass auch Frauen darüber lachen können. Vor allem Frauen sogar – Appelt steht nämlich auf ihrer Seite.

Eine Schlüsselstelle seines Programms „Besser ist besser“ im vollen Bahnhof Fischbach ist deshalb ein ziemlich ekliges Thema: Intimrasur bei Männern und was sie an blutigen Missgeschicken mit sich bringen kann. Das erinnert stark an den Roman „Feuchtgebiete“, mit dem Charlotte Roche ja eigentlich einen Anti-Porno geschrieben hat. Appelt zeichnet allerdings vom Mann das Bild einer grunzend-grölenden Gehirn-Amöbe, das eines deutlich macht: man kann keinen Anti-Porno schreiben. Weil sich auf sexuellem Gebiet auch angesichts der größten Widerlichkeit noch Männerkreise finden, die sich daran aufgeilen. Damit macht Appelt Schluss, indem bei ihm keine Frau im Analbereich herumsäbelt, sondern ein Mann. Das ist zwar unterste Schublade, in der Absicht aber politisch korrekt. Eine entsprechend helle weibliche Färbung nimmt das Gelächter an.

Appelt wendet sich vom Machotum nicht ab, sondern er suhlt sich darin, wendet es aber, laut und bollerig wie eh und je, gegen seinen Urheber: die Männerwelt. Wer Ingo Appelt nach seinem Auftritt noch hinten an der Bar begegnet, glaubt nicht mehr, dass das nur die Überlebensstrategie eines Witzbolds ist, der sein Mäntelchen nach dem Zeitgeist hängt. Denn da erzählt er aus seinem Leben. Von seiner Frau, die abends erst gegen Mitternacht von der Arbeit nach Hause kommt und der er dann noch etwas kocht. Deshalb sei er auch körperlich etwas in die Breite gegangen, sagt der plötzlich still und überlegt wirkende Comedian. Die späten Mahlzeiten setzten an...

„Ich mache deinen Job!“

Andererseits: Können sich Männer wirklich ändern? Appelt scheint da auf der Bühne seine Zweifel zu haben. Wie reagiert ein Mann, wenn er von seiner Frau beim Masturbieren erwischt wird? „Früher sagte er: ’Ich mache deinen Job!’ Heute dagegen: ’Ich habe dabei an dich gedacht.’“ Das ist zwar reizend verlegen, ändert aber nichts am Kern der Sache: dass Männer, kaum dass sie zwei Minuten am Computer sitzen, eine Pornoseite anwählen. Deshalb würden Tastaturen auch mit Plastikabdeckung geliefert; als Spritzschutz. Ja, das ist unappetitlich. Und es wird noch schlimmer, wenn sich Sex zu Crime gesellt: Männer wissen, sagt Appelt, dass es zwei Dinge gibt, die sie in einen Menschen stecken können: ihr bestes Stück oder ein Messer.

Hinter diesem Sarkasmus steckt ein Comedian, der mit dem Herz eines Kabarettisten auf der Bühne steht – also mit Haltung. Diese Haltung ist in der Comedyszene eher selten, weil es schwer ist, mit sozialen und moralischen Werten ein Publikum zum Lachen zu bringen. Appelt gelingt gerade das: Sein Programm steht permanent an der Grenze zur Tabuverletzung und hat dabei doch ein moralisches Ziel: aus Männern Menschen zu machen. Vielleicht besteht ja doch Hoffnung und mit der Sexbesessenheit der Männer ist es gar nicht so weit her. „Natürlich stehen Männer auf Frauen in Leder“, sagt Ingo Appelt. „Aber nur, weil sie so schön nach neuen Autos riechen.“