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Bewährungsstrafe

Kinder missbraucht: 50-Jähriger zu Bewährungsstrafe verurteilt

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Mann wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu Bewährungsstrafe verurteilt
Veröffentlicht:19.09.2018, 19:59

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„Totale Empathielosigkeit, fehlende Reue und mangelnde Einsichtsfähigkeit“: Zu dieser Einschätzung ist Richter Martin Hussels am Mittwoch am Ende der mehr als achtstündigen Verhandlung gekommen und verurteilte einen Angeklagten wegen zweifachen Missbrauchs von Kindern, sexueller Nötigung und Belästigung zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung.

Dabei hätte die Sitzung wesentlich kürzer ausfallen können, nachdem der Angeklagte zu Beginn ein Geständnis angekündigt hatte. Doch trotz deutlicher Hinweise des Richters wie auch der Staatsanwaltschaft , bei einem umfassenden Geständnis den Zeugen die Befragungen zu ersparen, blieb der knapp 50-Jährige aus einer Bodenseegemeinde bei einem rein formalen Geständnis: „Ja, das stimmt. Es tut mir leid, dass ich hier sitzen muss“, ließ er verlauten, ohne weitere Angaben zu den Taten zu machen.

Ja, das stimmt. Es tut mir leid, dass ich hier sitzen muss“

Dagegen berichtete er mit Hilfe einer Dolmetscherin – der Mann lebt zwar seit 26 Jahren in Deutschland, spricht aber kaum deutsch – ausführlich über sein Leben in seiner früheren Heimat, über persönliche Schicksalsschläge sowie seine zahlreichen Arbeitsverhältnisse. „Das reicht mir, ich will ja nicht ihre Biografie schreiben“, versuchte Richter Martin Hussels immer wieder das Gespräch zu lenken. Sobald es allerdings um die Vorwürfe ging, schweifte der Mann ab, sodass selbst seinem Anwalt der Geduldsfaden riss: „Ich bin dermaßen genervt, ich könnt aus der Haut fahren.“

So mussten die fünf Jugendlichen doch im Zeugenstand von den Vorfällen berichten, die sich zum einen in der zweiten Jahreshälfte 2013, zum anderen vor ziemlich genau einem Jahr in der Bodenseegemeinde in dem Wohnhaus des Angeklagten zugetragen haben. So sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Angeklagte die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin in zwei Fällen sexuell missbraucht und in einem Fall sexuell genötigt hat. Zugute kam ihm, dass beide dabei angezogen waren und er von ihr abließ, als sich die damals noch 13-Jährige wehrte. „Ich hab mich total bedroht gefühlt“, so die heute 18-Jährige.

Welche Qualen das zweite Mädchen, eine Nachbarin, im vergangenen Jahr erleiden musste, konnte jeder im Gerichtssaal erahnen, als sie unter Tränen berichtete, wie der Angeklagte sie unter dem Vorwand, er brauche Hilfe, in seine Wohnung gelockt habe. Hier soll er nicht nur den Arm um sie gelegt und sie am Oberschenkel gestreichelt haben, sondern auch Küsse verteilt haben.

„Ich hatte gewaltige Angst, dass er mich auch an anderen Stellen berührt“, so die heute knapp 15-Jährige, die immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Noch immer lebe sie und ihre Familie in Angst, weil sie an der Wohnung des Angeklagten im zweiten Stock vorbei müsse, um nach Hause in den vierten Stock zu gelangen, berichtete sie.

Die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer

Ein weiterer Vorfall, bei dem der Mann zwei Freunden und einer Freundin seiner Tochter einen Porno gezeigt haben soll, als die Tochter selbst nicht zu Hause war, stellte das Gericht ebenso wegen Verjährung ein wie den Sachverhalt, dass der Angeklagte die beiden Freunde anschließend unter einem Vorwand nach draußen schickte und die Freundin küsste und umarmte.

„Sie haben den Ernst und die Bedeutung dieser Verhandlung bis jetzt nicht verstanden. Sie berichten lächelnd von ihrem schönsten Erlebnis beim Militär – es fehlt Ihnen jegliches Gespür für die Opfer“, so die Staatsanwältin, die in ihrem Plädoyer ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe gefordert hatte, nachdem sich der Angeklagte auch nicht therapiebereit gezeigt hatte.

Das Gericht zeigte sich in der Urteilsverkündung ähnlich überzeugt, beließ es jedoch aufgrund der drohenden Knasthierachie und der günstigen Sozialprognose bei einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Allerdings liegt diese mit vier Jahren relativ hoch (der Angeklagte ist nicht vorbestraft), zudem muss er eine psychologische Therapie machen, jeden Wohnsitzwechsel melden und 4500 Euro an eine Beratungsstelle zahlen. „Er soll wirklich lange daran denken, was er den Kindern angetan hat“, schloss Richter Hussels schließlich die Verhandlung.