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Frauenwahlrecht

„Ick wär so jerne Sex-Appeal im Crawford-Stil“

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Regina Greis und Robert Kast präsentieren im Graf-Zeppelin-Haus ihr Programm zu 100 Jahre Frauenwahlrecht
Veröffentlicht:26.03.2019, 18:02

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Wann ist ‘ne Frau ‘ne Frau? Hundert Jahre Emanzipation im Schneckentempo in knapp zwei Stunden auf künstlerisch glanzvolle Pointen gebracht, oder wie Frauen im Verlauf der zehn Jahrzehnte seit der gesetzlichen Verankerung des Frauenwahlrechts in Deutschland ihr Frausein in Rollen kleideten, zeigte die Sängerin und Schauspielerin Regina Greis in ihrem Bühnenprogramm 100 Jahre Frauenwahlrecht „How to be a Woman“ im GZH. Begleitet wurde sie dabei von Robert Kast am Klavier.

Ein Netzwerk aus Iris Egger, Leiterin des Vereins Katholische Erwachsenenbildung Bodenseekreis, Vertreterinnen des evangelischen Bildungswerks Oberschwaben, der Ortsverbände des Katholischen Deutschen Frauenbunds und des interkulturellen Frauenarbeitskreises sind die Gastgeberinnen dieser musikalischen Revue. „Ich ziehe meinen Hut vor den Frauen und Männern, die das Frauenwahlrecht aufs Bitterste erkämpft haben“, erinnert Egger an die qualvollen Mühen der Suffragetten in ihrer Begrüßung der rund 200 Frauen und Männer – Letztere bemerkenswert in der Unterzahl – im Graf-Zeppelin-Haus an diesem Abend. Regina Greis ist Diplom-Opernsängerin und beherrscht ihr Fach von der Arie bis zum Chanson. Robert Kast ein souveräner Pianist.

Zwischen der ersten Wahl zur Nationalversammlung 1919, an der Frauen mit aktivem und passivem Wahlrecht teilnahmen und der gesetzlichen Verankerung von „Nein heißt Nein“ im deutschen Sexualstrafrecht im Jahr 2017 liegen Etappensiege. In diesem Rahmen bewegen sich die Frauenfiguren, denen Greis ihre großartige, tolle Stimme und Ausstrahlung leiht.

Da ist Eva, die Zeitzeugin aus den 50er-Jahren, die, um auf dem Standesamt zu promovieren und die Gunst des Gatten zu sichern, auf falschen Gesang setzt: „Ich singe eisern Cis statt C, dann küsst mich der, den ich liebe, mehr denn je.“ Die Ende der 60er-Jahre endlich voll geschäftsfähige Anneliese Nowak wäre so gerne Vamp, „aber der Nowak lässt mich nicht verkommen“.

Ab 1977 dürfen verheiratete Frauen ohne Erlaubnis des Ehemanns berufstätig sein. Constanze ist zwar unverheiratet, aber ihr Hobby als Diebin betreibt sie zeitintensiv: „Von jeder Zuckerzange, die mir nicht gehört, werde ich verzehrt.“ Mit aufgeblasener Krone „Modell Trump“ brilliert die Sängerin als Königin der Nacht und widmet sich der zentralen Frage im Leben einer Frau, „will ich wie meine Mutter werden?“

Zwischen Social Freezing und Trotz-Yoga bewegen sich junge Mütter am besten erst kurz vor dem Rentenalter und manche Frau fragt sich: „Muss ich immer alles müssen, was ich kann? Eine Hand hält die Welt, mit der anderen biete ich Getränke an.“ Monika verkörpert im Blaumann die Frau der 80er-Jahre aus der DDR, die was Bodenständiges wurde, doch „ick wär so jerne Sex-Appeal im Crawford-Stil“. Ihr Emil hätte sie gerne hübscher, aber „ick lass keen Dokter ran an meene Brust wegen dem Emil seine unanständige Lust.“ Nicht immer Everybody’s Darling sein zu müssen, war der Wunsch von Marilyn Monroe, doch geliebt wurde sie für „I wanna be loved by you – Pooh pooh bee doo!“ Die Liebe ist furchtbar ungerecht, das weiß auch Carmen, deren selbstbewusste Zeilen „und wenn ich liebe, nimm dich in acht“ mit Bizets Habanera den Saal erfüllen.

Gegen das Verschwinden von Liebe gibt es verschiedene Strategien, entweder finale, den Liebhaber vorher beseitigende Eingriffe oder – nach der Melodie des Welthits „Downtown“ – Shopping, Wellness und Schönheits-OP. Gefährlich richtet die Seeräuber-Jenny ihren Blick in die Ferne, dem Schiff mit acht Segeln entgegen und die Frauen von heute schwanken zwischen Sehnsucht nach dem Neandertaler und dem Kerl, für den Elternzeit mehr ist, als ein zweimonatiger Urlaub auf Gran Canaria. Die Veganerin muss „nur noch kurz die Creme checken, danach flieg ich zu dir.“

Das Fazit des Abends: Am Ziel mit der Emanzipation sind wir erst, wenn’s dabei um das Menschsein geht.