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Flugsommer

„Germania“ in Finanznöten: Was eine Pleite für den Flughafen Friedrichshafen bedeuten würde

Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Die Airline braucht dringend Geld, sonst droht der Absturz. Am Flughafen Friedrichshafen ist sie der "wichtigste Wachstumsträger". Was das für Kunden bedeutet – und wie es am Standort weitergeht.
Veröffentlicht:09.01.2019, 15:00

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Nach dem turbulenten Flugsommer 2018 mit Hitze, Streiks und Personalmangel steckt die Fluggesellschaft Germania in finanziellen Schwierigkeiten. Jetzt prüft sie nach eigenen Angaben Möglichkeiten, einen kurzfristigen Geldbedarf zu sichern. Eine Suche, die am Flughafen Friedrichshafen genau beobachtet wird.

„Es geht dabei um die zentrale Frage, wie wir als mittelständisches Unternehmen auch weiterhin in einem Marktumfeld schlagkräftig bleiben, das von Fluggesellschaften mit konzernähnlichen Strukturen geprägt ist“, teilte Germania am Dienstagabend in Berlin mit. Beim Flugbetrieb soll es aber keine Einschränkungen geben. Alle Flüge fänden planmäßig statt, hieß es.

Flugverkehr in Friedrichshafen soll weiter gehen

Am Flughafen Friedrichshafen bietet die Airline unter anderem täglich Flüge nach Mallorca an. Auch Antalya und Rhodos stehen auf dem Programm. Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr bestätigt, dass der Flugbetrieb erst einmal weiter läuft. "Wir stehen in direktem Kontakt mit der Germania. Im Moment haben wir keine Anzeichen, beunruhigt zu sein. Der Flugbetrieb läuft normal und Germania ist dabei, die Probleme zu lösen."

Von den Finanzschwierigkeiten hat Wehr kurzfristig erfahren. Erst am Dienstag hatte der Flughafen Friedrichshafen über gestiegene Passagierzahlen im vergangenen Jahr berichtet - und das auf das erhöhte Engagement der Germania zurückgeführt. In der Mitteilung wird die Airline als der "wichtigste Wachstumsträger" bezeichnet.

Damit einher ging die Ankündigung, Germania werde 2019 erstmals Ibiza und Sardinien direkt anfliegen. Wehr ist zuversichtlich, dass dieses Versprechen erfüllt wird. Kunden müssten sich keine Sorgen machen. "Die Buchungen sind möglich, es gibt auch seitens Germania keine Ankündigungen, dass Programmveränderungen vorgesehen wären." An eine Pleite glaubt er nicht.

Kommt doch die Pleite?

Jan Gruber , Luftfahrtexperte beim österreichischen Portal austrianaviation ist da etwas skeptischer. "Was mit der Germania passiert, ist im Moment schwer zu sagen. Es gibt allerdings seit langer Zeit Anzeichen dafür, dass sich die Linie auf dem absteigenden Ast befindet." Zu diesen Anzeichen gehört laut Gruber die Strategie, das eigene Streckennetz permanent zu ändern. "Da wurde viel herumprobiert, aber großen Erfolg brachte das offensichtlich nicht. Klar ist: Es fehlen Einnahmen."

Piloten: keine Bewerbungen mehr

Ein weiteres Indiz seien Berichte von Piloten in Fachforen, nach denen keine Bewerbungen mehr angenommen würden. Ein endgültiges Aus der erfolgreichen Fluggesellschaft mit 30-Jähriger Geschichte hätte laut Gruber auch für den Bodensee Airport aufgrund der vielen Flüge drastische Folgen.

Friedrichshafen hätte ein riesiges Problem, wenn die Germania kracht. Dass sich für diesen Fall kurzfristig ein Nachfolger finden lässt, halte ich für unwahrscheinlich.

Jan Gruber, Luftfahrtexperte

Für den Flughafen wäre es nicht die erste schlechte Erfahrung mit Fluglinien. Im Sommer 2016 meldete die Linie VLM Airlines Konkurs an.

Die Airline galt als Segen für den Flughafen Friedrichshafen, da sie die nur wenige Monate zuvor in die Insolvenz gegangene Airline Intersky ersetzt hatte.

Bereits deren Aus hatte schwere wirtschaftliche Folgen. Der Flughafen konnte zeitweise nur mit Notkrediten am Leben gehalten werden.

Offenbar findet sich kein Käufer

Wie das Luftfahrt-Portal „aerotelegraph.com“ zu Germania berichtete, wird auch ein Verkauf der Gesellschaft erwogen. Die Suche nach neuen Aktionären sei aber bisher erfolglos geblieben. Dem Bericht zufolge brauchte Germania bereits kurz vor dem Jahreswechsel 20 Millionen Euro, um weiterfliegen zu können. Eine Sprecherin wollte diese Informationen am Mittwoch nicht kommentieren.

Dass das Geld bei Germania jetzt knapp wurde, begründet das Management mit den stark gestiegenen Kerosinpreisen im vergangenen Sommer und der Abwertung des Euro zum US-Dollar. Zudem habe es „erhebliche Verzögerungen“ bei der Aufnahme neuer Flugzeuge in die Flotte gegeben, und Germania habe außergewöhnlich viele technische Serviceleistungen bei ihren Flugzeugen in Anspruch nehmen müssen. Die Folge seien „große Belastungen“ gewesen.

Gründe, die auch Gruber bestätigt.

Das sind Dinge, die die ganze Branche betreffen. Allerdings wurden bei der Germania aber auch eine ganze Reihe Fehler gemacht.

Jan Gruber, Luftfahrtexperte

Besonders was die Platzierung am Markt durch Werbung angehe, habe die Airline versagt.

So ziemlich jeder Deutsche ist schon einmal in einem Germania-Flieger gesessen. Er weiß es nur nicht.

Jan Gruber, Luftfahrtexperte

Als potenzielle Investoren für Germania kommen große europäische Luftfahrtkonzerne wie Lufthansa, Ryanair, Easyjet oder IAG in Frage. Eine Easyjet-Sprecherin sagte, man wolle die Spekulationen um Germania zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren. Die Intro-Gruppe des Nürnberger Unternehmers Hans Rudolf Wöhrl, die 2017 Interesse an Air Berlin hatte, teilte auf Anfrage mit, man könne zu der Angelegenheit „keine Auskunft geben“.

Buchen oder nicht Buchen?

Die Frage, ob eine Buchung bei der Airline sinnvoll ist, müsse jeder Passagier selbst entscheiden, sagt Jan Gruber. "Eine hundertprozentige Garantie, dass ein Flug stattfindet, gibt es nicht." Er geht allerdings davon aus, dass auch im Falle einer Insolvenz die gebuchten Flüge ordentlich abgewickelt werden. Das zeige die Erfahrung aus jüngsten Pleiten wie bei Air Berlin. "Pauschalreisen sind ohnehin immer abgesichert. Das gilt auch, wenn zum Flug direkt ein Hotel oder ein Mietwagen bei der Airline mitgebucht wird."