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Fachkräftemangel

Demografiebeauftragter: Immer mehr alte Menschen in Friedrichshafen

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Thaddäus Kunzmann über die älter werdende Gesellschaft
Veröffentlicht:15.04.2018, 18:40

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Thaddäus Kunzmann , Demografiebeauftragter des Landes, sagt für die Zukunft einen Fachkräftemangel in Baden-Württemberg voraus. Der Grund: Die Bevölkerung in Deutschland altert, die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter werde kleiner. Am heutigen Montag, 16. April, spricht er bei einer Demografie-Tagung mit anderen Referenten in Friedrichshafen über mögliche Lösungen. Anne Jethon hat ihn zuvor zum Thema befragt.

Herr Kunzmann, haben wir ein Problem mit zu vielen alten Menschen?

In Deutschland ist die Bevölkerung sehr durch die älter werdende Gesellschaft bestimmt. Die große Herausforderung ist eben, dass es die geburtenstarken Jahrgänge gibt, das sind die Babyboomer von 1955 bis 1966. Unmittelbar danach gab es den sogenannten Pillenknick, das sind dann die geburtenschwachen Jahrgänge. In 15 Jahren gehen die Babyboomer, die jetzt noch voll im Beruf stehen, in den Ruhestand. In 30 Jahren werden sie so alt sein, dass einige von ihnen gepflegt werden müssen. Ab diesem Zeitpunkt haben wir dann weniger Menschen, die arbeiten gehen und tendenziell mehr Menschen, die Pflege brauchen.

Wie wirkt sich der demografische Wandel in Friedrichshafen aus?

Genauso wie in allen anderen Teilen von Baden-Württemberg . Friedrichshafen ist wirtschaftlich sehr stark und es werden viele Fachkräfte gebraucht - auch in Zukunft. Das kann zum Problem werden. Schließlich wird die Bevölkerung insgesamt älter und die Zahl der Menschen zwischen 21 und 65, die arbeiten gehen, wird kleiner.

Wie kann man dieses Problem lösen?

Lösen kann man das Problem nicht – eher entgegensteuern. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Erwerbstätigkeit zum Beispiel in Friedrichshafen erhöhen. Das geht, wenn mehr Frauen arbeiten gehen und wir uns Fachkräfte aus dem Ausland hierherholen. Wir müssen aber auch darüber diskutieren, ob Menschen im Allgemeinen in ihrem Leben länger arbeiten sollten.

Braucht also auch Friedrichshafen Einwanderung?

Ja. Damit wir genug Fachkräfte haben.

Wie sieht es mit der Altenpflege aus?

Identisch. Auch hier haben wir mehr Menschen, die Pflege brauchen. In den nächsten 30 bis 40 Jahren wird auf die Altenpflege eine große Herausforderung zukommen. Wir müssen uns da über ein attraktiveres Berufsbild unterhalten. Es ist aber eine Illusion, zu glauben, wir könnten in Zukunft den Bedarf an Altenpflegern decken, wenn wir jetzt schon zu wenig haben. Da brauchen wir alternative Wege: Wie bewahren wir die Menschen davor, früh in eine Pflegesituation zu geraten? Das fängt bei nachbarschaftlichen Beziehungen und gegenseitigem Helfen an. Außerdem brauchen wir barrierefreie Wohnungen, barrierefreie Städte und Dörfer, Mobilität und Digitalisierung.

Mehr Digitalisierung in welchem Sinne?

Ein ganz praktisches Beispiel: fahrerloses Fahren für Senioren. Wenn ich mal auf den Rollator angewiesen bin, dann habe ich vielleicht einen Radius von 500 Meter. Fährt das Auto für mich, habe ich einen Radius von 25-30 Kilometer. Das alles hilft, die Menschen selbständig und mobil zu halten. Das ist eine ganz andere Lebensqualität.

Was muss jetzt getan werden, damit das 2035 möglich wird?

Wir brauchen ein schnelles, lückenloses Glasfaser- und Mobilfunknetz. Auch in Friedrichshafen und Umgebung.

Auf ihrer Webseite sagen Sie: „Kinder sind unsere Zukunft, ältere Menschen auch“. Was genau meinen Sie damit?

Kinder sind immer die Zukunft, das muss man nicht erklären. Ältere Menschen bringen sehr viel Lebenserfahrung mit, können Jüngeren helfen mit ihrer Lebenserfahrung. Ältere können sich auch am sozialen Leben beteiligen, wenn sie in den Ruhestand gehen. Im Ehrenamt, im Verein oder in der Kirche. Das Leben hört nicht auf, indem ich in die Rente gehe.

Wie wollen Sie das unterstützen?

Bürgerschaftliches Engagement braucht Anerkennung, Motivation und Freiheit von Bürokratie. Anerkennung und Motivation, das ist natürlich sehr stark von der Kommunalpolitik abhängig. Bürokratie ist etwas, was der Gesetzgeber einführt. Da müssen wir aufpassen, dass wir das Ehrenamt nicht demotivieren, indem bürokratische Hürden einem dem Spaß verderben.“