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Seehasenwimpel

Dank ihm weht der Seehasenwimpel auf 7546 Metern Höhe

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

150 Jahre DAV: Erster Bürgermeister Stefan Köhler berichtet über seine alpinen Erlebnisse
Veröffentlicht:06.12.2019, 12:00

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Dass Stefan Köhler portaffin ist, dürfte in Friedrichshafen Hafen hinreichend bekannt sein. Schließlich hat der Erste Bürgermeister die Stadt schon als aktiver Teilnehmer beim traditionellen Marathonlauf in der japanischen Stadt Tschuchiura vertreten. Bekannt geworden ist auch, dass er sich zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2010 einen Bergsteigertrip zum biblischen Berg Ararat im iranisch-türkischen Grenzgebiet gegönnt hat. Nun hat er im GZH über seine Erlebnisse als Alpinist berichtet.

Bei seinem Vortrag anlässlich des 150. Geburtstages des Deutschen Alpenvereins ( DAV ) im Graf-Zeppelin-Haus gewährte Köhler seinen Zuhörern tiefere Einblicke in sein Leben, das ihn als Extremkletterer auf viele faszinierende Berggipfel dieser Welt geführt hat. Drei Siebentausender, zehn Sechstausender und mehr als 20 Fünftausender hat er in den vergangenen Jahrzehnten bezwungen. „By fair means“ – wie es in der Fachsprache heißt –, also ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Sherpas als Hochträger hat er vor zwei Jahren im durchaus fortgeschrittenen Alter von bereits 57 Jahren mit dem 7546 Meter hohen Muztagh Ata im chinesischen Pamir-Gebirge seinen persönlich höchsten Berg bestiegen. Und er hat dort – wie es sich für einen Häfler Bürgermeister gehört – mit stolzer Brust den Seehasenwimpel gehisst.

Natürlich blickte Köhler auch auf die Geschichte und die gerade in den vergangenen Jahrzehnten rasante Entwicklung des Bergsteigens zurück. Eine Entwicklung, die am 9. Mai 1869, als der DAV im Münchener Gasthaus „Blaue Traube“ gegründet wurde, sicher nicht abzusehen war. Das mitgebrachte Bildmaterial machte aber auch in anschaulicher Weise aufmerksam, wie sehr sich im Laufe der Jahre Kleidung und Ausrüstung verändert haben. War der DAV noch in den 1950er-Jahren „ein reiner Männerverein“, so ist auch das mittlerweile etwas anders geworden. Beeindruckend auch die Zahlen: So hat der Gesamtverein rund 1,3 Millionen Mitglieder. Die Häfler Sektion des DAV umfasst derzeit etwa 5800 Mitlieder – sie ist damit der größte Verein im gesamten Bodenseekreis.

Stefan Köhlers Leidenschaft für das Bergsteigen wurde schon früh geweckt – dank des Vorbildes seines Vaters Rudolf. Erste Touren führten in heimatnahe Gebiete in der Eifel. Schon Mitte der 1980er-Jahre nahm er sich Gletscherberge wie etwa den Großvenediger in der Hohen Tauern vor. Den Mont Blanc hat Köhler auf verschiedenen Routen bezwungen. Insgesamt darf er auf gut 300 Klettertouren mit einem Schwierigkeitsgrad von sechs und mehr zurückblicken – darunter auch mehrere Erstbesteigungen. Im Himalaya-Gebiet gehört die Erstbesteigung im Alpinstil des 7319 Meter hohen Chamlang Peak zu den absoluten Highlights seines Bergsteigerlebens.

„Leider habe ich nie einen 8000er gepackt“, sagt Stefan Köhler mit einer kleinen Träne im Knopfloch. Viel hat nicht gefehlt. So war ihm die Leitung einer Nanga-Parbat-Expedition angetragen worden – in Zeiten, als er kurz vor seiner Promotion stand. Letztlich sei er aber doch der Meinung seines Professors gefolgt, der ihm mit Blick aufs Berufsleben geraten habe, die richtigen Prioritäten zu setzen.

Wenn Stefan Köhler übers Bergsteigen spricht, dann geht es nicht nur um sportliche Höchstleistungen, sondern auch um unvergessliche Begegnungen mit Menschen – sei es in Asien, im Yosemite-Valley, in Südamerika oder sonst wo auf der Welt. Viele seiner Bergsteigerkollegen sind längst seine guten Freunde geworden. Bergsteigen ist und bliebt für Stefan Köhler aber auch ein Familienprojekt. Sichtlich bewegt ist er, als er davon berichtet, dass er nach 1984 in diesem Jahr den Kilimanjaro zum zweiten Mal bestiegen hat – diesmal mit seiner Tochter.

Als ehemaliges Vorstandsmitglied des Gesamtvereins DAV und Präsident der Alpenschutzkommission CIPRA liegt ihm aber auch besonders die Naturschutzarbeit in und für die Alpen am Herzen. Einen „Über-Tourismus“, wie er im alpinen Bereich inzwischen vor allem an vielen Himalaya-Gipfeln aber auch hierzulande auszumachen ist, beobachtet er mit großer Sorge.

Dass Extrembergsteigen auch eine Charakterschule ist, das steht für Stefan Köhler außer Frage. „Man lernt, in den Körper hineinzuhören, muss viele Entbehrungen erdulden, wird auch in seinem Durchhaltevermögen gestärkt. Aber man wird durch unsagbar schöne Momente belohnt“, sagt er. „In den Bergen der Welt sieht man einen Sternenhimmel, den wir hier gar nicht mehr kennen.“