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Betriebsleitung

Azubis müssen bis nach Biberach fahren

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Ab dem neuen Schuljahr gibt es keine Klasse mehr für Hauswirtschafter im Kreis
Veröffentlicht:29.08.2018, 17:13

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Manuela Kähler ärgert sich. Sie ist hauswirtschaftliche Betriebsleitung beim Königin Paulinenstift und kümmert sich dort auch um die Ausbildung der angehenden Hauswirtschafter. Ende Juni ist sie darüber informiert worden, dass die Berufsschulklasse ihrer Azubis nicht weiter bestehen wird, weil sie zu klein ist. Ab dem neuen Schuljahr müssen sie nun nach Biberach zur Berufsschule – die Nachfrage nach der Ausbildung ist im Bodenseekreis zu gering, um dort eine Klasse anzubieten.

Kurz vor Schuljahresende hat Kähler erfahren, dass ihre Auszubildenden nach den Sommerferien einen deutlich weiteren Schulweg haben. „Mich ärgert es, dass es so leise passiert ist, die Schule hat nie das Gespräch mit uns gesucht“, sagt Kähler. Bis zu den Sommerferien sind ihre Auszubildenden an der Droste-Hülshoff-Schule in Friedrichshafen unterrichtet worden. Die Ausbildung, die im September startet, sollten eigentlich drei Azubis in dem Altenheim beginnen. „Einer von ihnen hat uns bereits abgesagt, weil er nicht weiß, wie er von Friedrichshafen regelmäßig nach Biberach fahren soll“, sagt Kähler. Und auch bei einer anderen Auszubildenden sieht sie Hindernisse, die Ausbildung durchzuziehen. „Eine der neuen Auszubildenden lebt in Meersburg. Sie hat vier Kinder, um die sie sich auch noch kümmern muss“, sagt Kähler. Bei einem so weitem Weg sei die Ausbildung nur schwer durchhaltbar.

Auch die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft Baden-Württemberg, Cornelia Schwab , sieht die Verlegung des Standorts als äußerst problematisch an. „Für die neuen Auszubildenden ist das natürlich fatal, denn so oder so haben sie sich schon auf den Schulstandort eingestellt und entsprechend geplant. Neben den deutlich höheren Fahrtkosten zum neuen Schulort kommt auch noch der gesteigerte Zeitaufwand hinzu“, sagt sie.

Aufgaben werden wichtiger

Schwab setzt sich seit einiger Zeit dafür ein, den Beruf für junge Menschen wieder attraktiver zu machen. Sie ist davon überzeugt, dass die Aufgaben, die Hauswirtschafter übernehmen besonders in Zeiten des demografischen Wandels immer wichtiger werden. Doch noch fehlt es der Nachfrage durch die jungen Leute. „Seit dem Jahr 2005 hat sich die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge halbiert. Als Reaktion darauf hat die Landesarbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft berufskundliche Veranstaltungen veranstaltet, damit die Berufsberater der Agentur für Arbeit die Berufe in der Hauswirtschaft wieder neu kennenlernen konnten. Zudem startete im Jahre 2016 das Projekt oikos-Ausbildungsoffensive Hauswirtschaft der Diakonie Württemberg. Seither können wir eine Trendwende und einen Anstieg der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse in Baden-Württemberg verzeichnen“, sagt Schwab.

Träger der Droste-Hülshoff-Schule ist der Landkreis Bodenseekreis . Landrat Lothar Wölfle bedauert das Aus für die Klasse. „Das ist sehr schade, denn ich halte die Hauswirtschaft durchaus für eine sehr sinnvolle Ausbildung und ich hätte das Angebot gerne weiterhin im Landkreis gehabt. Ich kann aber auch verstehen, dass nach mehreren Jahren zurückgehender Nachfrage die Schulverwaltung irgendwann eine Grenze ziehen muss“, teilt er mit. Er kann die Entscheidung durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport aber nachvollziehen. Zuletzt haben drei Schüler die Klasse in Friedrichshafen besucht. „Ich verstehe, dass das Land solch eine kleine Klasse nicht mehr länger aufrecht halten kann. Hier geht es ja auch um den sinnvollen Einsatz von Ressourcen und letztlich öffentlicher Gelder. Das ist übrigens auch keine Bodenseekreis-spezifische Entscheidung sondern entspricht dem Kleinklassenerlass des Kultusministeriums“, teilt Wölfle mit.

Diesen gesetzlichen Rahmen hat das Kultusministerium in der vergangenen Legislaturperiode geschaffen. Dieser regelt unter anderem, dass, wenn Eingangsklassen der Berufsschule eine Mindestschülerzahl von 16 nicht erreichen, dass sowohl der Schulträger, das Regierungspräsidium, als auch die Kammern – sofern es für den jeweiligen Beruf eine Kammer gibt, ansonsten die jeweils zuständige Stelle – und Berufsverbände eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

Auch in anderen Landkreisen mussten die Klassen in Ausbildungsberufen wegen zu geringer Nachfrage aufgehoben werden. Dazu gehören am Standort Sigmaringen die Ausbildungsberufe zum Fleischer und zum Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk mit der Spezialisierung Fleischerei. Im Berufsfeld Textil und Bekleidung wurde in Ravensburg die Fachklasse für die Ausbildung zum Maßschneider aufgehoben. Doch die Auszubildenden im Bodenseekreis müssen sich wohl daran gewöhnen, einen weiteren Weg zur Schule zu haben. Das Kultusministerium sieht es als unsicher an, ob es in Zukunft wieder eine Klasse für Hauswirtschaft an der Droste-Hülshoff-Schule geben wird. „Dies hängt von der Nachfrage ab, vor dem Hintergrund der dargestellten Schülerzahlen ist aktuell nicht davon auszugehen, dass in naher Zukunft wieder eine Eingangsklasse im Ausbildungsberuf Hauswirtschafter zustande kommen kann“, teilt die Sprecherin mit.