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Landgericht

Angeklagter streitet Vorwürfe ab

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Landgericht verhandelt sexuellen Missbrauch – Öffentlichkeit wird ausgeschlossen
Veröffentlicht:13.01.2016, 18:58

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Seit Mittwoch verhandelt das Landgericht Ravensburg gegen einen 67-jährigen Mann aus Friedrichshafen. Er soll in den 90er-Jahren vier Mädchen aus befreundeten Familien sexuell missbraucht haben. Außerdem wirft ihm die Staatsanwaltschaft den Besitz von kinderpornografischen Dateien vor.

„Fass’ doch mal an.“ Mit dieser Aufforderung, so heißt es es in der Anklageschrift, soll an einem Tag im Dezember 1992 eine Serie von sexuellem Missbrauch von Kindern begonnen und sich bis Ende Januar 1996 hingezogen haben. Die Opfer der Übergriffe: vier Cousinen aus zwei Familien. Der mutmaßliche Täter: ein Freund der Familien, bei dem die Kinder regelmäßig zu Besuch waren. Der mutmaßliche Tatort: die Wohnung beziehungsweise der Keller des Angeklagten. Aufgelistet hat die Staatsanwaltschaft insgesamt 201 Fälle von sexuellem Missbrauch. Möglicherweise ist die Dunkelziffer noch viel höher. Verhandelt werden aber nur die Übergriffe, die dem jüngsten der vier Mädchen angetan wurden – alle anderen Straftaten wären verjährt.

Zur Anklage kommen die Taten erst jetzt, weil die Mädchen über viele Jahre ihr dunkles Geheimnis gehütet haben. Offenbar waren die vier Cousinen auch von ihrem Umfeld zum Schweigen gedrängt worden. Erst 2012 reichte eine von ihnen über einen Schweizer Anwalt bei der Staatsanwaltschaft Ravensburg eine Strafanzeige ein.

Keine Angaben zur Sache

In einer Einlassung, die er seinen Rechtsanwalt Uwe Rung vortragen ließ, bestritt der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Übergriffe. Zum „Tatvorwurf Ziffer 202“ – dem Besitz von kinderpornographischen Bildern – erklärte er lapidar, dass er keine Angaben machen werde. Die Fotoswaren bei einer Hausdurchsuchung auf seinem Computer gefunden worden.

Angaben machte der Mann nur zu seiner Person und seinem Leben. Er beteuerte, dass er „glücklich verheiratet“ sei und seine Frau nach mehr als 40 Ehejahren noch liebe. Er räumte aber ein, dass es in den vielen Jahren auch Seitensprünge und außereheliche Affären gegeben habe. Als Hobby nannte er Fotographie. Er gab an, auch Aktfotos ausprobiert zu haben – aber niemals mit Kindern als Model. Eine gewisse Skepsis konnte der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer nicht verbergen, als er Fotos begutachtete, die der Angeklagte in den 90er-Jahren angefertigt hatte: Mädchen unter zehn Jahren, stark geschminkt – in Posen, die fehlinterpretiert werden könnten. „Das ist in meinen Augen nicht lasziv“, sagte der 67-Jährige und betonte, dass er die Kinder niemals ohne Einverständnis der Eltern fotographiert habe. Die Bilder habe er auch nie für sich selbst behalten, sondern immer an die Models beziehungsweise deren Eltern ausgehändigt.

Die Frau, die 2012 die Anzeige erstattet hatte, erschien am ersten Prozesstag völlig aufgelöst vor Gericht. Schluchzend, das Gesicht in einem Taschentuch vergraben und gestützt von einer Helferin des „Weißen Ring“ betrat sie den Schwurgerichtssaal. Unter Tränen berichtete die 31-jährige Hauptzeugin, dass sie 1991 „diesen Menschen“ kennengelernt hatte. Bevor die angeklagten Taten erörtert wurden, schloss das Gericht die Öffentlichkeit aus.

Das Landgericht Ravensburg hat für diesen Prozess bislang drei weitere Verhandlungstage angesetzt. Fortsetzungstermine sind für den 20. und 28. Januar sowie den 3. Februar (jeweils 9 Uhr) geplant.