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Älteste Flaschenpost der Welt: Warum ein Eriskircher ihre Geschichte kennt

Eriskirch / Lesedauer: 4 min

Als Andreas Schiff Anfang März in Eriskirch eine Geschichte über die mutmaßlich älteste Flaschenpost der Welt liest, holt ihn seine Familiengeschichte ein.
Veröffentlicht:28.03.2018, 17:03

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Als Andreas Schiff Anfang März daheim in Eriskirch die Schwäbische Zeitung aufgeschlagen hat, holte ihn seine Familiengeschichte ein: An einem Strand an der Westküste Australiens war eine Flaschenpost gefunden worden. Fast 132 Jahre, nachdem sie in den Indischen Ozean geworfen wurde. Und zwar von einem Schiff namens „Paula“, das im norddeutschen Elsfleth bei Oldenburg seinen Heimathafen und das sein Urgroßvater betrieben hatte.

Elsfleth? Paula? Andreas Schiff blätterte in seinem privaten Archiv und hatte rasch Gewissheit: Die Paula war jener hölzerne Dreimastsegler, den sein Urgroßvater Gustav Adolph in Auftrag gegeben hatte. Gustav Adolph Schiff war Reeder in Elsfleth. „Dort lebten etwa 5000 Einwohner, also auch nicht mehr als in Eriskirch“, sagt Andreas Schiff. Trotzdem hatten nur Hamburg und Bremen mehr Schiffe als ihren Heimathafen. Elsfleth an der Unterweser war der drittgrößte Hafen Deutschlands.

Eigentümer der Schiffe waren die Menschen vor Ort. „Es war nie eine einzelne Person, der ein Schiff gehörte – wegen des Risikos“, erklärt Andreas Schiff. „Schiffe gingen verschollen oder sie sanken. Deshalb hatte der Einzelne ein Sechzehntel oder ein Zweiunddreißigstel eines Schiffes.“ Der Betrieb war dann Sache des Reeders: Er stellte den Kapitän ein, organisierte Frachtwege und Warenverkehr. Ohne ihn blieb ein Schiff totes Kapital.

Die Tante malte in Worpswede

Dass die 43 Meter lange Barke 1876 auf den Namen „Paula“ getauft wurde, hatte einen guten Grund: „Paula war das älteste von sieben Kindern meines Urgroßvaters. Sie war damals fünf Jahre alt“, sagt Andreas Schiff. Paula Sedana Schiff wurde später Malerin. Ein Bild verkaufte sie nie, aber sie war auch keine Sonntagsmalerin. Sie ging für ihre Ausbildung unter anderem nach Worpswede und lernte Paula Modersohn-Becker kennen.

Mehrere hundert Ölgemälde und Aquarelle sind erhalten. Bäuerinnen und Bauernstuben hielt sie fest, aber auch Netzflickerinnen, Berglandschaften und Backsteinkirchen. Diese expressionistischen Bilder erfahren seit einigen Jahren eine späte Wertschätzung. „Ihre Bildhauerei ging leider vollständig verloren“, sagt Andreas Schiff. Seine Großtante starb mit 90 Jahren in Mülheim an der Ruhr.

Familie mit Schiffbau-Geschichte

Andreas Schiff hat seinen 1914 verstorbenen Urgroßvater nie kennengelernt. Die Schifffahrt blieb für die Familie aber prägend. „Mein Vater hat auf einer Werft gearbeitet. Da haben wir uns als Kinder oft aufgehalten. Mein Großvater war auf dieser Werft der Vorgänger meines Vaters. Und mein Bruder ist Schiffbauingenieur.“ Andreas Schiff selbst ist in einer anderen Branche: Er ist Elektroingenieur und gründete in Tettnang das Unternahmen ICS, die auf Automatisierungstechnik spezialisiert ist. Den Segelschein hat allerdings auch er, ebenso wie seine beiden Kinder.

Ein großer Erfolg war die seinerzeit groß angelegte Flaschenpost-Aktion übrigens nicht. Die Deutsche Seewarte in Hamburg wollte mit ihrer Hilfe herausfinden, wie die Meeresströmungen verlaufen. Dazu nutzte sie den Handelsverkehr: Von Schiffen wie der Paula gingen insgesamt 6000 Flaschen über Bord, jede an einer vorgegebenen Position. Diese geographische Angabe wurde auf dem Zettel in der Flasche vermerkt. Ebenso das Datum, der Name des Schiffs sowie der Name desjenigen, der die Flasche ausbrachte. Von 6000 Flaschen wurden erst 663 wiedergefunden – zuletzt die Flasche von der „Paula“.

Dampfer verdrängen Segelschiffe

Die „Paula“ segelte mit einem Dutzend Personen. „Kapitän, Steuermann, Schiffszimmermann, Segelmacher, Koch – der Rest war Besatzung“, erzählt Schiff. Das Leben an Bord war nicht ganz einfach. „Die mussten miteinander klarkommen. Sie waren ja oft mehrere Monate auf See, ohne Verbindung zur Außenwelt.“ Gustav Adolph Schiff hat die „Paula“ nach 14 Jahren Betrieb nach Frankreich verkauft. 1900 wurde sie auf Guadeloupe außer Betrieb genommen.

Für die Reederei gingen langsam die Lichter aus: Dampfschiffe verdrängten die Segelschiffe. Zwar hatten die Elsflether einen Dampfer gekauft und betrieben. Aber die Technik war noch so unzuverlässig, dass sie es bei dieser einen schlechten Erfahrung beließen und so den Anschluss verpassten. 1907 wurde die Reederei liquidiert.

Die Flaschenpost von der Paula lagert jetzt im Western Australian Museum. So weit will Andreas Schiff aber nicht reisen, um sie zu sehen. „Ich habe mich einfach gefreut, dass durch die Flaschenpost meine Erinnerungen wieder wach geworden sind.“