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Aufläufchen

Wenn Schwurbler wütend werden - Anhänger kruder Theorien versammeln sich im Ulmer Regen

Ulm / Lesedauer: 4 min

Verschwörungs-Gläubige faseln von „Jesus-Energie“ und einem „satanischen Kult“. Das lockt aber nur wenige Zuhörer an. Die Presse ist nicht willkommen.
Veröffentlicht:25.09.2022, 12:38

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Schwurbler-Auflauf in der Ulmer Innenstadt, wobei: Im Grunde war es nur ein Aufläufchen. Um die 100 Verschwörungs-Gläubigen hatten sich am Samstag vor dem Ulmer Rathaus versammelt und ließen sich „aufklären“ über das, was angeblich tatsächlich abläuft hinter den Kulissen von Politik und Wirtschaft.

Angemeldet worden waren eigentlich 500 Zuhörer. Dass die Kundgebung deutlich weniger Unterstützer anlockte, dürfte nicht zuletzt am grauen Regenwetter gelegen haben, das die vierstündige Versammlung mehr oder weniger nonstop begleitete.

Aber auch die steilen Thesen, die Redner wie Thorsten Schulte und Wolfgang Greulich auf einer Bühne von sich gaben, dürften abschreckende Wirkung erzielt haben. Die allermeisten Passanten schenkten dem etwas verloren wirkenden Grüppchen keine Aufmerksamkeit, machten, dass sie schnell weiterkamen.

Presse wird bedrängt

Obwohl noch ziemlich viel Platz war in der Zuhörerschaft: Die Presse war nicht willkommen. Wenige Momente, nachdem sich der Reporter mit Block und Stift – und zum Missfallen der Anwesenden mit Maske – neben der Bühne positioniert hatte, war er auch schon von einer Traube an Teilnehmern umringt. Einige gaben sich als „Ordner“ aus.

Eine Frau blaffte: „Maske runter: Die Pandemie ist vorbei.“ Und obwohl der Pressevertreter klar machte, dass er dieser Aufforderung keine Folge leisten würde, ließ sie nicht locker und bestand ziemlich unnachgiebig darauf, dass dies eine Veranstaltung sei, auf der Masken unerwünscht seien.

 Rund 100 Zuhörer kamen auf den Marktplatz, 500 waren angekündigt.
Rund 100 Zuhörer kamen auf den Marktplatz, 500 waren angekündigt. (Foto: rau/Schwäbische.de)

Dass sich der Reporter auch noch erdreistete, das Geschehen, das im öffentlichen Raum stattfand, zu fotografieren, brachte das Blut des ein oder anderen zusätzlich in Wallung. Wütend marschierte ein „Ordner“ zu den Polizeibeamten, die die Versammlung von der Seite aus im Auge behielten, und beschwerte sich über die „Bespitzelung“.

Die Presse jedoch durfte bleiben und wurde eingeweiht in das „schockierende“ Gebaren der Mächtigen der Welt. Die Redner auf der Bühne sprachen von einem „satanischen Kult“, den diese praktizierten. Es gehe um das Wiedererlangen von „Jesus-Energie“ – doch dazu bräuchten die bösen Verschwörer „unser Blut und unser Sperma“ und andere Körperflüssigkeiten. Ein Redner sprach davon, er sei als Kind von der CIA gekidnappt worden.

Eine Frau gibt den Spinnern Kontra

Nur eine stellte sich dem wirren Quatsch im Regen entgegen. „Das sind Deutschlands größte Hetzer hier“, sagte Sandra Przewodnik . Um den Hals trug die Frau, die aus Pfaffenhofen angereist war, ein Schild mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts. Null Toleranz für Neonazis und andere Demokratiefeinde.“ Przewodnik stand etwas abseits, sagte, sie stelle heute „die Gegendemo“ dar.

In Pfaffenhofen, so Przewodnik, habe der Schwurbler-Irrsinn begonnen. „Jede Woche“ habe es dort eine Veranstaltung gegeben, später sei man nach Weißenhorn umgezogen. Auch Bodo Schiffmann, Führungsfigur der deutschen Coronaleugner-Szene, habe vorbei geschaut.

 Sandra Przewodnik stellte sich den Schwurblern entgegen.
Sandra Przewodnik stellte sich den Schwurblern entgegen. (Foto: rau/Schwäbische.de)

Przewodnik konstatiert: Die verbreiteten Thesen würden „immer extremer“. Das sei womöglich nötig, um das verschwörungsgläubige Publikum bei der Stange zu halten, mit immer krasseren Behauptungen. Warum sie der Szene nun auch nach Ulm hinterher gereist sei? Es müsse doch jemand geben, der den Schwurblern klar mache, dass sie auf dem Holzweg sind, sagte sie.

Wo ist die Identitäre Bewegung?

Das Geraune auf der Bühne blieb abenteuerlich und stark angelehnt an die Thesen der QAnon-Bewegung aus den USA. Ein Redner sprach über den frei erfundenen "Pizzagate-Skandal" und zog angebliche Parallelen zwischen dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und dem belgischen Kinderschänder Marc Dutroux. Sein Fazit: Man habe es hinter den Kulissen der Macht mit dem „abgrundtief Bösen zu tun“.

Sandra Przewodnik hörte allenthalben abgrundtief Durchgeknalltes. Eigentlich hätte sie erwartet, dass sich bei der Kundgebung in Ulm auch Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung zeigen. Die seien an diesem Tag aber offenbar nicht vor Ort, stellte Sandra Przewodnik fest. Ihre Vermutung:

Wahrscheinlich genieren sie sich.