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Rauschebart

Wenn der Rauschebart nicht ausrückt

Ulm / Lesedauer: 3 min

Auch der Nikolaus gibt wegen Corona Acht – Besuche können dennoch klappen
Veröffentlicht:05.12.2020, 13:00

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Lautes Geschrei, spielende Kinder und Trubel im ganzen Haus: So dürfte es in vielen Familien in der Vorweihnachtszeit am Nikolaustag ablaufen. Wenn es dann aber an der Tür klingelt und der Nikolaus und sein Gehilfe Knecht Ruprecht eintreten, wird es plötzlich still. Während der eine Mann einen dichten Rauschebart, einen roten Mantel und einen langen Bischofsstab trägt, kommt der andere mit einer Rute aus Reisig daher. Mit großen Augen schauen die Kinder dann zu den zwei Gestalten auf – ein solches Szenario wird es in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie allerdings nicht geben.

„Traurig und frustrierend“

„Ich finde es wirklich traurig und frustrierend, aber die Gesundheit geht vor“, sagt Karl-Josef Werner . Bereits seit 45 Jahren ist er als Nikolaus für die Kolpingsfamilie Illertissen unterwegs. Für den mittlerweile pensionierten Mann ist es das erste Mal seit mehr als vier Jahrzehnten, dass er seiner geliebten ehrenamtlichen Tätigkeit in der Vorweihnachtszeit nicht nachkommen kann. In der Kolpingsfamilie wurde lange diskutiert, ob es nicht doch möglich ist, Nikolausbesuche zu veranstalten. Letztlich kam man aber zum Schluss, dass dies vor allem wegen der Beschränkung der Personenanzahl aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen nicht funktioniert. Allein mit dem Gespann aus Knecht Ruprecht und Nikolaus sind in der Regel bereits Personen aus zwei Haushalten gemeinsam unterwegs.

Verständnis zeigen auch viele Familien, die sich eigentlich einen Besuch des Mannes mit dem Rauschebart gewünscht hätten. Normalerweise erreichen die Kolpingsfamilie weit über 100 Anfragen, in diesem Jahr gingen nur 30 ein. Besonders schlimm am Ausfall der Nikolausbesuche ist darüber hinaus der Wegfall von Spendengeldern. Die besuchten Familien geben dem Gespann aus Nikolaus und Knecht Ruprecht nämlich in der Regel einen kleinen oder zum Teil auch größeren Obolus. Das gesammelte Geld kommt dann immer karitativen Zwecken, wie zum Beispiel dem Kinderhospiz in Bad Grönenbach, zugute.

Kinder von damals sind mittlerweile die heutigen Eltern

„Dass wir in diesem Jahr keine Spenden sammeln können, ist eine Katastrophe“, beklagt Werner. Hinzu kommt, dass den erwartungsfrohen Kindern schlicht ein alljährliches, traditionelles Erlebnis fehlt. Zu manchen Familien komme man nämlich schon seit Jahrzehnten, erklärt er. Die Kinder von damals sind mittlerweile die heutigen Eltern. Gerade deshalb sei es für diese Familien besonders traurig, dass dieses Jahr die Nikolausdienste nicht wie gewohnt stattfinden.

An sich sind Nikolausbesuche aber nicht unmöglich, solange die Kontakt- und Abstandsbeschränkungen eingehalten werden. So gibt es zwar seitens der Diözese Augsburg, zu denen die Kolpingsfamilien im Landkreis Neu-Ulm gehören, keine eigenen Richtlinien für den Ablauf von Nikolausbesuchen. Stattdessen hat das Bonifatiuswerk eine Orientierungshilfe erstellt.

Der Anfang Oktober verfasste Leitfaden kann trotz der inzwischen veränderten Corona-Bestimmungen weiterhin als Impuls angesehen werden. So ist eine mögliche Idee, dass der Nikolaus Familien mit Abstand im Freien oder im Garten besucht. Anderer Ansatz: Familien denken zu Hause an den Nikolaus und gestalten eine kleine Feier mit Liedern und Gedichten.

Durchs Fenster zu winken

Auch die Kindergärten im Landkreis müssen die klassischen Nikolausbesuche in veränderter Form gestalten. Im Nersinger Kindergarten St. Ulrich wird der Nikolaus im Garten mit vier großen Säcken voll mit Obst, Nüssen und Schokolade erscheinen. „Die Kinder können den Mann mit dem Rauschebart dann zumindest über die Fensterfront sehen“, erklärt die Leiterin Claudia Vögel.

Im Weißenhorner AWO-Kindergarten und im Burlafinger St. Konrad Kindergarten kommt der Nikolaus heimlich. Die von den Kindern mitgebrachten Säckchen und Söckchen werden von den Erzieherinnen mit Obst und Schokolade gefüllt. Zudem hinterlässt der Nikolaus einen Brief, in dem er schreibt, dass er niemand angetroffen hat – er aber an die Kinder denkt.