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Ulm/Biberach

Weil er mehr Geld verdienen will - Eigentümer aus dem Kreis Biberach wirft alle Mieter raus

Ulm / Lesedauer: 6 min

Weil der neue Hauseigentümer Kasse machen will, sollen die jetzigen Bewohner raus
Veröffentlicht:18.12.2018, 11:23

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Weil er ein kürzlich erworbenes Mehrfamilienhaus im Ulmer Stadtteil Böfingen zu finanziell lukrativeren WG-Zimmern umbauen will, hat ein Hauseigentümer allen Mietern gekündigt. Nach dem ersten Schock regt sich bei ihnen nun der Widerstand.

Der Hauseigentümer, der nach Angaben der Mieter aus dem Landkreis Biberach stammen soll, hatte das Gebäude, Baujahr 1908, in der ruhigen Ulmer Wohngegend im Herbst gekauft. Den Mietern sei in diesem Moment zwar bewusst gewesen, dass sich nun etwas verändern könnte, „aber was dann passierte, darauf waren wir nicht vorbereitet“, sagt Stefanie Verheyen , die seit 2004 als Mieterin in dem Haus wohnt.

„Da geht es auch um Familien mit kleinen Kindern, die ihre Kitaplätze in der Nähe haben.“

Stefanie Verheyen

Mit Datum vom 13. November erhielt sie zusammen mit den anderen fünf Parteien im Haus ein Schreiben einer Biberacher Anwaltskanzlei, die den neuen Eigentümer vertritt. Darin wurde den Mietern zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt.

Weil Stefanie Verheyen bereits einen langjährigen Mietvertrag besitzt, muss sie bis 1. September 2019 ausziehen, zwei Parteien, die kürzer im Haus wohnen, sollen ihre Wohnungen aber bereits Ende Februar räumen. „Da geht es auch um Familien mit kleinen Kindern, die ihre Kitaplätze in der Nähe haben“, sagt Verheyen.

Aus sechs Wohnungen sollen 26 WG-Zimmer werden

Nach anfänglich schlaflosen Nächten ist sie inzwischen nur noch wütend über die Dreistigkeit des neuen Vermieters. Der machte sich nämlich keine Mühe, lange um den heißen Brei herumzureden, warum er die jetzigen Mieter loswerden und aus sechs Wohnungen lieber 26 WG-Zimmer machen möchte.

„Im Gegensatz zu den jetzt erzielten Mieteinkünften für die vorhandenen Wohnungen wird unser Mandant hierdurch deutlich höhere Mieteinnahmen für die gleichen Räumlichkeiten erzielen können“, heißt es in dem Kündigungsschreiben des Anwalts, das der SZ vorliegt. Deshalb werde der Eigentümer das Haus umbauen lassen, „um es einer deutlich besseren und angemesseneren wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen“. Bei der Fortsetzung der jetzigen Mietverhältnisse „würden unserem Mandaten nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen“, heißt es im Anwaltsschreiben.

Eigentümer will Wohnraummangel entgegenwirken

Im Fall von Stefanie Verheyen ist auch gleich die Beispielrechnung angefügt: „Unser Mandant erzielt derzeit für Ihre Wohnung Mieteinnahmen von insgesamt 580 Euro kalt. Nach dem Umbau ist davon auszugehen, dass unser Mandant eine Miete von 400 Euro/kalt pro Zimmer erzielen wird.“ Hierdurch werde auch dem Umstand Sorge getragen, dass derzeit ein erheblicher Wohnraummangel in Ulm vorliege, heißt es in dem Schreiben.

Für Stefanie Verheyen ist das blanker Zynismus: „Wenn in Ulm etwas fehlt, dann sind es preisgünstige Wohnungen für Familien.“ Genau solche gingen aber durch das Vorgehen des neuen Eigentümers verloren. Sie habe von solchen Fällen bislang nur aus München oder Berlin gehört, „dass uns so etwas in einem beschaulichen Wohngebiet in Ulm passiert, hätte ich nie gedacht“.

Auch in anderen Landkreisen aktiv

Sie lebe gerne in ihrer 90-Quadratmeter-Wohnung, sagt Stefanie Verheyen. Nicht nur wegen der ruhigen Lage, auch weil die Miete bezahlbar gewesen sei, gibt sie zu. „Ich hätte es vermutlich auch akzeptiert, wenn der neue Eigentümer meine Wohnung saniert und dann die Miete erhöht hätte“, sagt sie. Ein Blick auf die Internetseite des Vermieters zeigt allerdings, dass dies eher nicht sein Geschäftsmodell ist. Er wirbt dort mit WG-Zimmern in Ulm, den Kreisen Biberach und Alb-Donau sowie am Bodensee.

Dass dieses Geschäft lukrativ zu sein scheint, zeigt sich auch an der Tatsache, dass der neue Eigentümer aufs Tempo drückt. Für den Fall, dass Stefanie Verheyen ihre Wohnung schon Ende März räumt, wird ihr eine Entschädigung von 3000 Euro angeboten. „Das ist lächerlich, das kostet mich ja allein der Umzug“, sagt sie. Weil sie auf dieses Angebot nicht einging, folgte mit Datum vom 4. Dezember ein weiteres Anwaltsschreiben des Vermieters, in dem er ankündigt, nach Ablauf der Kündigungsfrist „ohne jede weitere Vorankündigung Räumungsklage bei zuständigen Amtsgericht“ zu erheben.

Öffentlicher Druck wächst

Nur wenige Tage später, am 6. Dezember, schickte der Anwalt das nächste Schreiben, in dem erste Vorarbeiten für die Sanierung schon am 10. Dezember im Haus beginnen sollten. „Bis diesen Montag sind allerdings keine Handwerker gekommen“, sagt Verheyen. Ob es daran liegt, dass der Fall inzwischen Thema im SWR-Fernsehen und in der Ulmer Südwest Presse war, weiß sie nicht.

Katja Adler , Juristin beim Mieterverein Ulm/Neu-Ulm, sieht in den mehrfachen Schreiben und den angekündigten Bauarbeiten auch die Strategie, die Mieter zu verunsichern. „Der Vermieter macht ja auch keinen Hehl aus seinen Beweggründen, das Kündigungsschreiben ist ja schonungslos offen“, sagt Adler. Schon das sei fragwürdig. „Reine Renditeinteressen reichen nicht aus, um Familien mit Kindern aus der Wohnung zu kündigen“, sagt sie.

Mieterverein schaltet sich ein

Sie hat im Namen von fünf Parteien des Hauses der Kündigung widersprochen. Diese sei formal ungültig, weil der neue Hauseigentümer zum Zeitpunkt, als die Kündigung verschickt wurde, noch nicht ins Grundbuch der Stadt Ulm eingetragen gewesen sei. Dies habe sie im Auftrag der Vermieter überprüft, so Adler. In einem drohenden Rechtsstreit schätzt sie die Chancen der Mieter als „nicht so schlecht ein“.

Rechtsanwalt Armin Ziegler aus Biberach, der den Eigentümer vertritt sieht das anders. „Dass der Eintrag ins Grundbuch nicht erfolgt ist, ist ein Standardargument. Das lässt sich anderweitig regeln“, sagt Ziegler und verweist auf die Verträge seines Mandanten mit den vorherigen Eigentümern des Hauses. Zur Sache selbst will der Anwalt nicht viel sagen: „Das muss ein Gericht entscheiden.“

„Die Vermieter werden demnächst erneut Post bekommen.“

Rechtsanwalt Armin Ziegler

Es gebe aber neue Entwicklungen, die einen Teil der Bewohner in anderem Licht dastehen lasse. Mehr könne er dazu im Moment nicht sagen, kündigt aber an: „Die Vermieter werden demnächst erneut Post bekommen.“ Was in den Briefen steht, will Ziegler ebenfalls nicht verraten. Auch der Hauseigentümer selbst sei nicht bereit, mit der Presse zu sprechen.

Stefanie Verheyen und die anderen Mieter wollen zumindest nicht nachgeben. „Wir halten hier zusammen. Allein, dass wir mit dem Thema in der Öffentlichkeit inzwischen auf so viel Zuspruch stoßen, zeigt, dass es sich gelohnt hat.“