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Wirtschaftswunder

Ulm spielt das 50er-Jahre-Spiel

Ulm / Lesedauer: 3 min

Das „Gummibaum Project“ ist eine Schnitzeljagd auf den Spuren der Architektur und Kultur dieses Jahrzehnts
Veröffentlicht:16.08.2018, 18:47

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Die 1950er-Jahre, das ist Rock ’n’ Roll, Wirtschaftswunder und Adenauer. Für eines steht die Zeit für die meisten jedoch nicht: gelungene Architektur. Sehr zu Unrecht, finden Experten – unter anderem der Architekturhistoriker Peter Liptau . Zusammen mit der Künstlerin Cora Schönemann lädt er zu einer Wiederentdeckung der Fifties in Ulm ein: „The Gummibaum Project“ ist eine Art Schnitzeljagd durch den öffentlichen Raum.

Das Ziel der beiden ist die Ehrenrettung dieses Jahrzehnts, das vom Wiederaufbau nach dem Krieg geprägt war – aber eben nicht nur. Liptau arbeitete früher beim Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau in Karlsruhe, das die Nachlässe von wichtigen Planern dieser Zeit verwahrt, etwa von Egon Eiermann (1907-1970), dem Erbauer der neuen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Berliner Breitscheidplatz. Eine Tätigkeit, bei der seine Wertschätzung für die 50er noch gewachsen ist.

Das Problem: Knapp 70 Jahre später ist von der Architektur dieser Zeit im Stadtbild nicht mehr viel zu sehen. Vieles wurde schon wenige Jahre oder Jahrzehnte später wieder entfernt oder überbaut, weil es den jeweiligen Geschmack nicht mehr traf.

Ausnahmen gibt es natürlich, und in Ulm eine besonders schöne: Die Zundeltor-Apotheke in der Oststadt, die samt Inneneinrichtung unter Denkmalschutz steht – und zum „Tag des offenen Denkmals“ im Gummibaum-Programm steht.

Liptau und Schönemann haben auf ihrer Spurensuche aber nicht nur interessante Bauten, sondern auch vergessene Geschichten gefunden. „Ich wusste selbst nicht, dass Ulm ein Amerikahaus besaß“, sagt Schönemann. Man sieht es dem Gebäude in der Frauenstraße auch nicht mehr an. Heute ist das Amerika- ein Sanitätshaus, das optisch kaum seine zeitliche Herkunft verrät, auch wenn die Stützen und der schräge Eingang, wie Schönemann auf einem historischen Foto zeigen kann, noch aus der Bauzeit stammen.

Ein Kunstprojekt, kein Wissenschaftsprojekt

Einen architektonischen und kulturhistorischen Atlas der 50er-Jahre in Ulm erstellen konnte und wollte das Duo allerdings nicht. Das „Gummibaum Project“ ist schließlich kein wissenschaftliches, sondern ein künstlerisches Projekt. Noch dazu eines mit Augenzwinkern, was der Titel zeigt. „Wenn man im Archiv Einrichtungsfotos aus den 50ern durchblättert, sieht man auf jedem zweiten einen Gummibaum“, erklärt Liptau.

Die Teilnehmer an der originellen Schnitzeljagd erwarten jedoch keine botanischen Expeditionen, sondern Spaziergänge durch die Stadt. Auf der Website gummibaum-project.de, bei Facebook und Instagram geben die Organisatoren bildliche Hinweise, die zu den Stationen und Veranstaltungen des „Gummibaum Project“ führen. Diese werden während des Projektzeitraums laufend ergänzt, sodass am Ende ein Rundgang durch Ulm stehen soll.

Aber Vorsicht: Unter die wahren Geschichten werden auch zwei frei erfundene gemischt. Wer diese errät, kann sogar etwas gewinnen: den großen Gummibaum-Preis, der bei der Kulturnacht am Samstag, 15. September, vergeben wird – im Ulmer Cabaret Eden, einem 50er-Jahre-Bau mit Rotlicht-Ambiente und Ausblick auf das ehemalige US-Offizierscasino. Bis dahin wird das Stadterkundungsspiel von mehreren Einzelveranstaltungen begleitet (siehe Infokasten).

Nicht dabei beim Rundgang ist die ehemalige Hochschule für Gestaltung auf dem Kuhberg, obwohl das von Max Bill entworfene und 1955 fertiggestellte Gebäude das wohl gelungenste architektonische Werk der 50er in Ulm ist. Aber es liegt eben auch weit abseits der Innenstadt – und ist hinlänglich bekannt. Organisator Liptau: „Wir wollen zeigen, dass die 50er mehr sind als HfG und Nierentisch.“