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Tod nach neun Hammerschlägen am Angelsee – Staatsanwalt fordert lebenslänglich

Ulm / Lesedauer: 5 min

Nach 31 Verhandlungstagen am Ulmer Landgericht hat der Staatsanwalt im Blutrache-Prozess um den Mord am Erbacher Angelsee sein Plädoyer gehalten. Den Angeklagten lässt das kalt.
Veröffentlicht:13.03.2019, 19:00

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Die Beweislage ist aus Sicht von Oberstaatsanwalt Christof Lehr im Erbacher Blutrache-Prozess klar: Der Angeklagte war an der Ermordung des 19-Jährigen am See eingeweiht und zog womöglich auch die Strippen. Die Anklage fordert lebenslange Haft. Das Opfer musste sterben, so die Ansicht des Oberstaatsanwalts, nur aus einem Grund: Weil er blutsverwandt mit demjenigen Mann ist, der vor etlichen Jahren einen Mord beging und er folglich ins Visier der beiden verfeindeten albanischen Familien geriet.

In den 31 Verhandlungstagen stellte sich heraus, dass diese Fehde bereits fünf weitere Morde auslöste. Seit dem Jahr 2000, als der ursprüngliche Mord vom Onkel des Opfers ausgeübt wurde, bis zu jenem Tag im April 2017 als der 19-Jährige am Erbacher See mit „acht bis neun Hammerschlägen“ gegen den Hinterkopf brutal getötet wurde. Lehr forderte in seinem rund zweieinhalbstündigen Plädoyer eine lebenslange Haft wegen Mordes gegen den Angeklagten mit albanischen Wurzeln aus Göppingen zu verhängen.

Auftakt Anglersee-Mord Prozess
Auftakt Anglersee-Mord Prozess (Foto: David Drenovak/David Drenovak)

Fast ein Jahr ist nun seit der Anklageerhebung vergangen, etliche Zeugen sagten am Landgericht in Ulm zum Fall aus – darunter auch in einer technisch anspruchsvollen Live-Übertragung der in Albanien inhaftierte Onkel des Opfers. Lehr machte gleich zu Beginn der Verhandlung deutlich, dass vieles im Prozess auf Details ankommt. Er rekapitulierte zunächst die Vorgeschichte, die sich um die fünf Morde und der sich immer weiter entwickelnden Blutrache zwischen den beiden Familien dreht. Auch ging es um die Flucht der Familie des Opfers, die neun Jahre lang in Griechenland untertauchte, um sich der Blutrache zu entziehen. Vier Jahre lang lebt die Familie nach der Odyssee in Albanien, ehe sie nach Deutschland umzieht und dort einen Asylantrag stellt. Als Grund nennt die Mutter mit den zwei Kindern beim Amt eine drohende Blutrache.

Ihr Sohn habe zwar von der Gefahr gewusst, sich aber in Deutschland sicher gefühlt. Oberstaatsanwalt Lehr bezeichnet ihn, nach allen ermittelten Erkenntnissen, als einen „ganz normalen jungen Mann“, der im Fußballverein aktiv war, aber als verschlossen galt. Er habe jedoch angefangen, mit Drogen zu dealen, wurde in Hannover mit acht Gramm Kokain festgenommen, gehörte einer kleinen Straßendealergang an und verbrachte eine kurze Zeit im Gefängnis. Ein gewisser Don aus Düsseldorf erschlich sich das Vertrauen des jungen Mannes. Lehr nannte es ein „auffälliges Interesse“, kannten sich doch die beiden Männer davor nicht und lag zwischen ihnen ein Altersunterschied von zehn Jahren. Don habe viel Wert auf höchste Geheimhaltung gelegt, keine Fotos von sich machen lassen, Sim-Karten unter falschem Namen erworben und nach kurzem Gebrauch beseitigt. Er verhalte sich „höchst konspirativ“ und habe den Kontakt zum Opfer gezielt gesucht.

Die Verpackung zeigte, er sollte nie mehr auftauchen.

Oberstaatsanwalt Christof Lehr

Unter dem Vorwand, in Erbach einen größeren Deal tätigen zu können, soll er zusammen mit dem Angeklagten den 19-Jährigen an den See gelockt haben. Nach den Hammerschlägen sollen die beiden Männer das Opfer in eine Folie verpackt und in einem zweiten, angrenzenden See versenkt haben. „Die Verpackung zeigte, er sollte nie mehr auftauchen“, beschrieb Lehr. Doch es kam anders, Angler entdeckten die verpackte Leiche im April vor zwei Jahren.

Mehr als 5000 Standort-Daten aus dem Handy des Angeklagten

Minutiös zeichnete der Oberstaatsanwalt in seinem Plädoyer vier entscheidende Tage der Tat anhand von mehr als 5000 Standort-Daten des Handys des Angeklagten nach. Am 13. April, also einer Woche vor dem Mord, holt der Angeklagte Don am Stuttgarter Bahnhof ab. Sie fahren nach Göppingen zurück, um dort in einem Baumarkt Ausschau nach einem Malervlies, Draht, Folie und zwei paar Handschuhen zu halten. Zusammen fahren sie anschließend nach Erbach, halten sich nachweislich am Seengebiet auf – sowohl am Rösslesee, wo der Mord passiert sein soll und dem späteren Fundsee, der direkt angrenzt.

Luftbilder zeigen, dass der See, in dem die Leiche gefunden worden ist, anders als die bis zu 40 anderen Seen in diesem Gebiet trüb ist. Zwischen eineinhalb und drei Meter ist der See tief, wird von Grundwasser gespeist und kann daher nicht abgepumpt werden. Rund eine Dreiviertelstunde halten sie sich dort auf. Einen Tag später sind sie erneut dort. 14 Minuten lang. Zwei Tage vor der Tat ist der Angeklagte allein am See und kauft auf dem Heimweg im Baumarkt die Verpackungsmaterialien. Am Tattag selbst holt er in einem anderen Baumarkt einen 18,4 Kilogramm schweren Betonsturz – dieser sollte die Leiche für immer im See verankern.

Viele Indizien seien zwar interpretierbar, doch „die Gesamtzahl ist erdrückend“, sagte Lehr. Er geht von einer vorsätzlichen Tat gegen ein arg- und wehrloses Opfer aus. Der Mord sei einer modernisierten Form der Blutrache zuzuschreiben und stehe „sittlich und moralisch auf unterster Stufe.“ Die gezeigten Bilder des Opfers, die Karten mit den erhobenen Bewegungs- und Standortdaten sowie die schwere Anschuldigung lassen den Angeklagten kalt. Er zeigte kaum Regung, nur zu Beginn des Verhandlungstages wirkte er blass und müde. Die Verteidigung plädiert am 27. März.