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Festungsriese

„Stürmt die Burg!“ - Ulms schlafender Festungsriese wird geweckt

Ulm / Lesedauer: 5 min

Hoch über Ulm thront die Wilhelmsburg - das Kernstück der größten erhaltenen Festungsanlage Deutschlands. Jahrelang blieb sie ungenutzt. Doch inzwischen gibt es für das Bauwerk eine große Vision.
Veröffentlicht:18.07.2019, 07:41

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Der Preis war heiß. Für eine D-Mark ging 1986 die Bundesfestung Ulm in den Besitz der Donaustadt über. Pessimisten warnten: „Wer billig kauft, kauft teuer.“ Jahrelang nutzten vor allem Fledermäuse die größte Festungsanlage Deutschlands, während sich die Kosten für ihre Bewahrung vor dem Verfall türmten. Doch damit ist Schluss. Zum zweiten Mal seit 2018 ist die Wilhelmsburg in diesem Sommer Schauplatz eines Kulturfestivals. Von Anfang August bis Ende September heißt es wieder: „Stürmt die Burg!“.

Geboten werden Lichtshows, Theaterstücke, Konzerte von Rock bis Klassik oder auch Schnitzeljagden durch die unzähligen Räume des Bauwerks. Vorher schon hatte das Theater Ulm die Burg mehrmals pro Woche in eine Pilgerstätte verwandelt: Fast alle Vorstellungen des Musicals „Evita“ von Andrew Lloyd Webber waren seit Anfang Juni nahezu ausverkauft — einschließlich des „Evita“-Finales am 17. Juli.

Aufgabe fast so gigantisch, wie das Bauwerk

„Die sommerliche Nutzung der Burg für Kulturveranstaltungen ist auch ein Testlauf für die Zukunft“, sagt Katharina Wieder. Die Kulturwissenschaftlerin ist bei der stadteigenen Sanierungstreuhand Ulm GmbH als Projektentwicklerin für die Burg zuständig. Die Aufgabe sei „fast so gigantisch“ wie die Ausmaße des Bauwerks, sagt die 27-Jährige: „Beinahe 30 000 Quadratmeter nutzbare Fläche, 570 Räume, teils zweifach unterkellert — das Motto für die Instandsetzung ist passend: „ Wilhelmsburg — die Stadt in der Festung“.“

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Die Erweckung des „schlafenden Riesen“ begann 2012 mit einem Dialog mit der Bürgerschaft und Experten über Möglichkeiten der künftigen Nutzung. 2015 hatte ein Antrag Ulms auf Zuschüsse des Bundesprogramms „Förderung von Investitionen in nationale Projekte des Städtebaus“ Erfolg. Mittlerweile ist aber der größte Teil der Fördermittel in Höhe von rund acht Millionen für die Jahre 2016 bis 2018 verbaut.

Die sommerliche Nutzung der Burg für Kulturveranstaltungen ist auch ein Testlauf für die Zukunft.

Projektentwicklerin Katharina Wieder

Unter anderem wurden im Erdgeschoss Räume für die Theaternutzung fertiggestellt — Garderoben, Lager, Probebühnen, Duschen und Umkleiden. Die Erschließungsarbeiten sind vorangekommen, und im Ostflügel entstand ein neues Treppenhaus. Auf dem Projektplan in Katharina Wieders Büro ist der fertige Teil blau gekennzeichnet. Er nimmt sich allerdings noch winzig aus. Der größte Teil der Festung steht leer, die meisten Innenräume befinden sich noch im Rohbauzustand.

Zwar hofft Ulm auf eine weitere Millionenspritze des Bundes für die nächste Ausbaustufe. Klar ist den Verantwortlichen im Rathaus aber auch, dass für einen dauerhaften Erfolg eine ganzjährige Nutzung durch etliche Investoren erforderlich wäre.

Stadt sucht echte Liebhaber

„Wir sind mit Interessierten im Gespräch“, sagt Kulturbürgermeisterin Iris Mann (parteilos). „Man braucht hier aber echte Liebhaber. Leute, die auf genau so eine Location Lust haben, denn die Raumbedingungen einer Festung sind natürlich schön, aber nicht für jedermann effizient genug.“

Dennoch glaubt Mann an eine Vision: „Nämlich, dass dort oben auf dem Michelsberg ein lebendiges neues Stadtquartier entsteht — mit viel Kunst und Kreativszene.“ Der Zeitplan ist ehrgeizig: Noch elf Jahre, dann soll die Bundesfestung mit ihren Außenanlagen und Außenforts, die weit in die Donaustadt hineinreichen, im Mittelpunkt der Landesgartenschau 2030 stehen.

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„Damit bietet sich die Chance, die Festungsanlage von europäischem Rang für die Ulmerinnen und Ulmer wieder sichtbar zu machen, sie in die Alltagswege zu integrieren und im Bewusstsein der Stadtgesellschaft stärker zu verankern“, sagt Ulms Baubürgermeister Tom von Winning (parteilos).

Begonnen hatte der Bau der Bundesfestung Ulm 1842 — 29 Jahre nachdem die Truppen Napoleon Bonapartes in der Völkerschlacht bei Leipzig die entscheidende Niederlage erlitten hatten, die sie zum Rückzug aus Deutschland zwang. Ulm hatten die Franzosen nach blutigen Schlachten 1805 eingenommen.

Die bitteren Erfahrungen der Napoleonischen Kriege und die Angst vor einer Rückkehr der Franzosen veranlassten den Deutschen Bund — ein Zusammenschluss von 31 souveränen Staaten unter Führung Preußens und Österreichs -, zur Sicherung der Westgrenzen fünf Bundesfestungen zu errichten: in Luxemburg, Mainz, Landau, Rastatt und Ulm.

Kühner Traum von der Seilbahn

Jene in Ulm ist als einzige nahezu vollständig erhalten geblieben - auch weil sie niemals angegriffen wurde. Alltagstauglich hat das die Wilhelmsburg freilich nicht gemacht. Sie mag über der Stadt thronen, integriert ist sie aber nicht. Die Ulmer wandern gern mal nach oben, doch die Anbindung an den Nahverkehr ist mangelhaft. Nicht gerade günstig für das Zentrum einer Gartenschau. Aber da gibt es den kühnen Traum von einer Seilbahn, die 2030 den bis dahin längst modernisierten Hauptbahnhof mit der Burg verbinden könnte.

Iris Mann sagt dazu: „Wir brauchen eine schnelle Verbindung von der Innenstadt zur Burg. Ob das eine Seilbahn sein muss, sei mal dahingestellt. Aber eine kreative Form der Anreise sollte es schon sein.“ Dafür will die Stadt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Ulm blickt dabei auf Koblenz: Dort bringt eine Seilbahn täglich Tausende Besucher zur Festung Ehrenbreitstein, die „einen unvergesslichen Blick auf das Deutsche Eck“ bietet. Gebaut wurde sie als Attraktion zur Bundesgartenschau 2011.