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Homosexualität

Schwulen-Aktivist: „In Deutschland werden Schwule verprügelt“

Ulm / Lesedauer: 4 min

Aktivist Michael Frech spricht im Interview über den heutigen Tag gegen Homophobie, zunehmende Anfeindungen in Ulm und Neu-Ulm und eigene Erfahrungen mit Beleidigungen.
Veröffentlicht:16.05.2018, 19:25

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Seit dem 17. Mai 1990 führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität nicht mehr als Krankheit. In mehr als 100 Ländern weltweit wird am 17. Mai auf Abneigung gegenüber Homosexuellen, Transgendern und Bisexuellen aufmerksam gemacht. Den Internationalen Tag gegen Homophobie gibt es seit 2005.

Auch in Ulm sind am Donnerstag, 17. Mai, sieben Gruppen und Vereine mit Ständen auf dem Hans-und-Sophie-Scholl-Platz in der Neuen Mitte vertreten. Um 17.05 Uhr lassen sie Luftballons in Regenbogenfarben steigen. Wir haben mit dem Neu-Ulmer Schwulen-Aktivist Michael Frech über den Tag gegen Homophobie, zunehmende Anfeindungen in Ulm und Neu-Ulm und eigene Erfahrungen mit Beleidigungen gesprochen.

Herr Frech, der Bundestag hat die Ehe für alle verabschiedet, es gibt einige lesbische und schwule Prominente. Ist Homophobie noch ein Problem?

Michael Frech: Leider ja. Wir haben sogar eher einen Schritt zurück gemacht – auch wenn wir viel erreicht haben. In Deutschland werden Schwule verprügelt. Wenn ich auf der Terrasse des Szene-Lokals Don’t Tell Mama in Neu-Ulm sitze, fahren regelmäßig Autos vorbei. Dann wird die Scheibe heruntergelassen und jemand ruft „Drecks-Schwuchtel“.

Wann haben Sie das zuletzt erlebt?

Immer, wenn ich im Don’t Tell Mama bin, passiert mir das.

Gibt es weitere Beispiele?

Im vergangenen Jahr wurde im Stadtmagazin Spazz offen geschrieben, Homosexuelle seien das „degenerierte Fallobst“ der Gesellschaft. Der Mensch, der das verfasst hat, wurde zwar zur Rechenschaft gezogen – aber sehr milde. Man hat ihm nahegelegt, 500 Euro Strafe zu zahlen, dann wurde das Verfahren eingestellt. Solche Dinge gehen einfach nicht, aber wir müssen uns immer noch so betiteln lassen.

Sie haben von einem Schritt zurück gesprochen. Wann ist das geschehen?

Es sind vor allem Migranten aus muslimischen Ländern, die uns beleidigen – und es ist die Wählerschaft der AfD, die gegen uns schießt. Es hat auch früher Beleidigungen gegeben, wenn wir am Schwörmontag oder am Christopher Street Day unterwegs waren. Dann ist es ruhiger geworden. In den vergangenen zwei, drei Jahren hat es sich wieder verschärft.

Sind es die lauten Einzelnen, die Sie angreifen oder sind es wirklich viele?

Das ist schwer zu beantworten. Sagen wir einfach: Die Häufigkeit hat deutlich zugenommen. Früher ist es alle zwei, drei Jahre passiert, dass ich angefeindet wurde. Inzwischen geschieht es regelmäßig – jede Woche oder so.

Wo liegen die größten Probleme?

Im Unverständnis. Uns fehlt die Akzeptanz, die wir brauchen. Manchmal glaube ich auch, es ist die Dummheit von Menschen, die keine Lust haben, sich mit anderen Lebensweisen auseinanderzusetzen.

Gibt es auch Schwierigkeiten mit Behörden oder am Arbeitsplatz?

Vor vier oder fünf Jahren ist eine Frau aus der Region wegen ihrer Homosexualität gekündigt worden, sie hatte einen kirchlichen Arbeitgeber. Es kommt vor, dass Menschen, die geoutet sind, Probleme im Berufsleben bekommen.

Sind es Probleme mit den Kollegen?

Nein, das geht meistens vom Arbeitgeber aus. Deswegen hat der CSD-Verein die Kampagne „Diversity Welcome“ ins Leben gerufen. Das soll heißen: Jede Art von Vielfalt ist Teil unseres Lebens und soll willkommen sein. Wir haben Arbeitgeber und Geschäftsinhaber aufgerufen, einen Aufkleber bei sich anzubringen, um ein Zeichen zu setzen.

Wie kam das an?

Die Aktion läuft seit Dezember. Erschreckend ist, dass sich relativ wenige Firmen bekennen. Die meisten, die wir angeschrieben haben, haben uns nicht einmal geantwortet. Sie ignorieren dieses Thema. Dabei wäre es ein Leichtes für die Firmen, diese Aufkleber anzubringen. Hier gibt es eine Universität und Hochschulen und Top-Arbeitsplätze. Ulm und Neu-Ulm sind Städte mit einer verschwindend geringen Arbeitslosigkeit.

Am Donnerstag ist Internationaler Tag gegen Homophobie. Dann sprechen Sie nicht die Arbeitgeber an, sondern die einzelnen Bürger.

Wir bauen Informationsstände auf, führen Gespräche mit den Bürgern und lassen um 17.05 Uhr viele Hundert Luftballons in den Regenbogenfarben steigen.

Erreichen Sie auch die, die Ihnen ablehnend gegenüber stehen?

Auch solche Gespräche führen wir. Wir verstecken uns nicht in unseren Ständen, sondern gehen auf die Leute zu und sprechen sie an.

Wenn Sie mit jemanden sprechen, der Homosexualität ablehnt, gehen Sie dann aus dem Gespräch heraus und sagen, das hat etwas gebracht?

Wenn er mich danach immer noch als Schwuchtel beschimpft, dann bin ich eher nicht erfreut (lacht). Aber es gibt auch Gespräche, nach denen jemand sagt: Das habe ich noch nicht so gesehen.

Was erwarten Sie sich von der Aktion?

Es geht darum, jeden einzelnen zu erreichen. Ob es zehn sind oder Hundert.