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Bürgerwindkraftanlage

Japan studiert in Maselheim Energiewende

Maselheim / Lesedauer: 3 min

Die Bürgerenergiegenossenschaft Riss teilt ihr Wissen mit Umweltaktivisten aus Fernost
Veröffentlicht:13.10.2013, 17:30

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Die Welt schaut auf Deutschland, wenn es um die Energiewende geht. Der Austausch findet auf allen Ebenen statt, auch im Kleinen wie jetzt beim Besuch von Vertretern eines japanischen Vereins in Maselheim . Der Hokkaido Green Fund betreibt Bürgerwindkraftanlagen mit einem freiwilligen grünen Stromtarif, aber noch haben die umweltbewegten Japaner einen schweren Stand und waren daher an Tipps von der Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) Riss sehr interessiert.

Yumi Kobayashi und Okazaki Akemi fragten denn auch ganz genau nach, wie das Modell funktioniert und wie im Fall der BEG Riss 223 Mitglieder motiviert wurden, 335800 Euro für erneuerbare Energien bereitzustellen. Anders als in Japan müssen sich deutsche Energiegenossen nicht in eine ganz konkrete Anlage einkaufen. Der BEG-Riss-Vorstandschef Jürgen Müller strich als Vorzug dieser Rechtsform heraus, dass hier viele Bürger auch mit kleinen Beträgen an der Gesamtheit der BEG-Investitionen teilhaben, so das Risiko teilen und trotzdem demokratisch mitbestimmen können.

Manche machen der Rendite wegen mit, antwortete Müller den Besuchern, andere aus Überzeugung und weil sie ihre Ideen einbringen wollten – was sie wegen der regionalen Ausrichtung könnten, wie Bürgermeister Elmar Braun , Aufsichtsratsvorsitzender der BEG Riss, ergänzte. Braun hob stark auf die Teilhabe der Bürger ab, die zugleich deren Bewusstsein schärfe: „Ich glaube nicht an den Staat, der alles regelt. Ich bin überzeugt, dass wir unsere Zukunft als freie Menschen selbst in die Hand nehmen müssen.“ Erneuerbare Bürgerenergie vor der eigenen Haustür sei „genau das Richtige“.

42 Prozent erneuerbar

In der Gemeinde Maselheim werden 42 Prozent des rechnerischen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Braun als erster grüner Bürgermeister im Land beackert das Feld mit dem Gemeinderat seit mehr als 20 Jahren. Die Photovoltaikanlage auf dem Rathausdach wurde schon installiert, als die Einspeisevergütung noch ganz niedrig war. Braun betonte, dass Nachhaltigkeit mehr umfasse als erneuerbare Energieerzeugung – vor allem das Energiesparen, das ohne merklichen Komfortverlust enormes Potenzial berge: Von der Gebäudedämmung über das bewusste An- und Ausknipsen des Lichts bis zum Sprudel, der nicht zufällig einen nur zehn Kilometer kurzen Transportweg vom Hersteller auf den Maselheimer Rathaustisch hinter sich hat.

Die japanischen Umweltaktivisten fühlten sich durch all diese Aussagen bestärkt, nahmen zum Beispiel dankbar auf, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht revidiert, sondern an stark gesunkene Herstellungspreise für Solarstrom angepasst werde. In der breiten japanischen Öffentlichkeit wurde anscheinend ein anderer Eindruck erweckt. Japan hat inzwischen ein eigenes Einspeisegesetz nach deutschem Vorbild. Für Kobayashi und Okazaki ging es wohl auch darum, Argumente für die Überzeugungsarbeit daheim mitzunehmen. Nach dem Atomunfall von Fukushima bewege sich etwas, aber der Bewusstseinswandel sei zäh, berichteten die Umweltaktivisten.

Der Austausch ging tief ins Detail, sogar das Kumulieren und Panaschieren im deutschen Kommunalwahlrecht wurde gestreift. Die japanischen Gäste hatten gefragt, wie solch verantwortungsbewusste Leute in die Räte gelangen, die den Anstoß für eine BEG geben. Die Schwierigkeiten wurden nicht verschwiegen. Braun plädierte dafür, ehrlich zu sagen, dass die Energiewende Geld koste. Indes versteht zurzeit wohl niemand besser als die Japaner, dass Atomkraft „nur scheinbar billig“ sei.

Zur Netzproblematik erläuterte Müller ausführlich, dass die BEG-Photovoltaikanlage auf der Baltringer Kläranlage vornehmlich für den Eigenverbrauch dieses Großverbrauchers produziert. Dieser Idealfall ohne lange Transportwege wäre so in Japan noch nicht möglich, weil dort Verträge mit zwei Anbietern unzulässig sind. Schließlich braucht die Kläranlage ergänzend zum BEG-Solarstrom nachts noch Grundlaststrom.