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Hakenkreuz

Minister will Nazi-Reichsadler hängen lassen

Ulm / Lesedauer: 3 min

Ist das Kunst oder kann das weg? Initiative will Änderungen im Stadtbild – Brief an Finanzminister
Veröffentlicht:03.04.2022, 11:00

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Das Hakenkreuz unterhalb des steingewordenen Federtiers wurde schon vor langer Zeit entfernt, trotzdem ist der große Reichsadler an der Fassade des Ulmer Finanzamts – er prangt nicht zu übersehen an der Front am Eingangsbereich – einigen ein Dorn im Auge. Allen voran der Ulmer Landtagsabgeordnete Martin Rivoir ( SPD ) fordert: Der Adler muss weg.  Doch das wird nicht passieren.

Brief an Finanzminister Danyal Bayaz

Rivoir hatte einen Brief an den Besitzer des Gebäudes in der Wagnerstraße geschrieben – an das baden-württembergische Finanzministerium, das Haus ist Landeseigentum. Rivoir bat Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), „das Objekt“ entfernen zu lassen. Denkbar sei auch eine erklärende Tafel – ähnlich der unlängst in der Mohrengasse angebrachten Tafel –, auf der die historischen Zusammenhänge erläutert werden.

Wie das Finanzamt zu seinem Adler kam, ist klar. Das Gebäude wurde in der NS-Zeit errichtet. Rivoir verweist in seinem Brief aber noch auf weitere Relikte in Ulm , die negative „kolonialistische und nationalsozialistische“ Vergangenheit besäßen. Und er erwähnt örtliche Initiativen, die aktuell solche unrühmlichen Seiten und Ansichten im Ulmer Stadtbild kennzeichnen und sichtbar machen.

Nun die Antwort von Danyal Bayaz (Grüne), dem Finanzminister. Er bedankt sich bei Martin Rivoir für dessen Hinweis, stellt aber klar: Der Adler bleibt hängen. Stattdessen habe er eine erklärende Tafel in Auftrag gegeben, die neben dem Adler angebracht werden soll. Ziel sei es, den "bewussten Umgang mit der Geschichte erkennbar" zu machen. Der Text auf der Tafel soll mit den Ulmer Initiativen abgestimmt werden.

Zwei Karten geben Aufschluss

Auf www.ulm-raum.de hat das „Kollektiv Ulm-Raum“ Orte und Hintergründe zusammengetragen (unter anderem den Reichsadler), die einen Bezug zu Rassismus, Kolonialismus und den Nationalsozialismus haben.

Eine „Karte von Gestern“ zeigt Straßen, die die Kriterien der Stadt für eine Umbenennung eigentlich erfüllen würden, es aber noch nicht wurden. Straßen, die noch immer benannt seien nach Antisemiten, Kolonialisten oder Unterstützern des NS-Regimes.



Was ist mit Paul von Hindenburg?

Ärgerlich aus Sicht des „Kollektiv Ulm-Raum“: „Durch die Straßen wird bis heute an diese Personen erinnert, sie werden dadurch geehrt.“ Die Gruppe fragt: „Warum sind 77 Jahre nach Ende des mörderischen NS-Regimes noch Straßen benannt nach einem NS-Kultursenator wie Hermann Stehr und Wegbereitern des Regimes wie Paul von Hindenburg?“

Außerdem findet sich auf der Internetseite die ebenfalls interaktive Karte „Orte des Geschehens , die zeigt, wo in Ulm über Euthanasie entschieden wurde, wo Menschen inhaftiert oder in Lager gezwungen wurden oder wo die NSDAP Räume hatte.



Andere Städte seien weiter

Forderung der Gruppe, die aus einem Workshop des Festivals contre le racisme (FCLR) 2020 in Ulm und Neu-Ulm hervorgegangen ist: Dass sich Stadt und Bürger noch intensiver mit den Spuren der braunen Ulmer Vergangenheit beschäftigen.

Bislang sei „nur wenig“ aus dieser Beschäftigung resultiert. Auch wenn die Mohrengasse über eine Tafel verfügt und die umstrittene schwarze Krippenfigur aus dem Münster im Museum ausgestellt wird – andere Städte hätten diese Debatten schon vor Jahren geführt.