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Firmenjubiläum

King of Kupfer: Darum hat jeder Mensch täglich Wieland in der Hand

Ulm / Lesedauer: 4 min

Die international agierende Firma wird 200 Jahre alt. Bei diesem Anlass spricht der Chef der Wieland-Gruppe über Expansionspläne und Patronenhülsen.
Veröffentlicht:09.07.2020, 18:00

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Eigentlich hätte Erwin Mayr , der Vorstandsvorsitzende der Wieland Gruppe, vor bis zu 10 000 Menschen am Fest zum 200. Firmenjubiläum am Ulmer Stammsitz sprechen sollen. Die Pandemie macht dem Unternehmen aber einen Strich durch die Rechnung. So muss Mayr mit einem Saal der Ulmer Sparkasse in der Neuen Mitte vorliebnehmen, in der sich ein Grüppchen Journalisten eingefunden hat.

Wieland-Legierung auf der Kreditkarte

Im Gegensatz zu Großveranstaltungen wurde die dortige Ausstellung „200 Jahre Wieland“ nicht abgesagt. Die Verbindung der Sparkasse Ulm besteht nicht nur darin, dass der Slogan („Verändern. Um zu bleiben, was wir sind“) auf beide Unternehmen zutrifft, wie der Sparkassenchef Stefan Bill sagt.

Zu kaufen für einen guten Zweck: eine 200-Jahre-Wieland-Glocke.

Nein, auch die „Hochleistungslegierung“ aus dem Hause Wieland auf dem Chip, so Mayr, mache das Geldabheben mit der Kreditkarte erst möglich. „Kupfer ist wichtig“, sagt Mayr. Praktisch jeder Mensch habe jeden Tag ein Stück von Wieland in der Hand: egal ob als Türschloss, Stecker, Brillengelenk, Kugelschreiber, Münze, Zylinder des Sodastreams oder Patronenhülse.

Waffen-Geschäft „irrelevant“

Wichtig ist der Einsatz von Kupfer bei Waffen für Wieland aber offenbar nicht. Wie Mayr auf Nachfrage betont, sei das Geschäft mit Patronen „in Europa irrelevant“. Höher seien in diesem Feld die Umsätze in den USA. Doch im „Gesamtkontext“ machten Patronenhülsen einen „kleinen einstelligen Prozentwert“ des Jahresumsatzes aus. Bei 3,34 Milliarden Euro, die für das Geschäftsjahr 2018/2019 angegeben werden, immer noch ein stattlicher Betrag.

Die wenigsten werden so alt

In 200 Jahren Unternehmensgeschichte hat sich Wieland von einem Glockengießer in der Ulmer Rosengasse zu einem weltweit führenden Spezialisten für Kupfer und Kupferlegierungen gemausert. 200 Jahre – ein Jubiläum, das außer Brauereien, Branntweinherstellern und Gaststätten die wenigsten Unternehmen feiern.

Den langfristigen Blick auf die eigene Zukunft hatte Wieland schon früh. Geradezu modern wirkt in Zeiten des Fachkräftemangels, wie frühzeitig sich das Unternehmen um Mitarbeiter abseits der Arbeit am Schmelzofen kümmerte. In Ulm so wie in weit größerem Maße in Vöhringen errichtete Wieland um 1900 Wohnungen und Häuser für Arbeiter und Angestellte. Auf der „grünen Wiese“ entstehen so ganze Wieland-Siedlungen, die vielen Familien über Jahrzehnte eine arbeitsplatznahe Heimat geben.

Paradebeispiel für frühe Sozialeinrichtungen

Wie in Ulm wurden auch in Vöhringen sehr moderate Mieten verlangt oder die Wohnungen zu attraktiven Konditionen zum Kauf angeboten. Hierzu stellte Wieland günstige Kredite zur Verfügung. Und die 1908 eröffnete Kantine mit Badeanstalt gilt als Paradebeispiel für frühe Sozialeinrichtungen.

Erwin Mayr (50), geboren in Wertingen (Landkreis Dillingen), hat an der Universität Ulm Physik studiert und dort promoviert. Mit Wirkung vom 1. Januar 2017 löste Mayr Harald Kroener ab, der 45 Jahre an der Spitze von Wieland stand.

Heute hat Wieland 90 Standorte auf der ganzen Welt und Mayr verkündet, die Gruppe weiter „dynamisch auszubauen“. Die 1185 Menschen in der Stammbelegschaft in Ulm sowie die 2136 Mitarbeiter in Vöhringen sind angesichts von 9000 Wieland-Beschäftigten auf der ganzen Welt nur noch eine Minderheit.

Zeichen stehen auf Expansion

Die Zeichen im Weltkonzern mit Ulmer Wurzeln stehen weiter auf globaler Expansion: Mit dem Aufkauf des größten US-Konkurrenten „Global Brass & Copper“ habe 2019 ein „Kulturwandel“, wie es Mayr ausdrückt, im Unternehmen bereits eingesetzt. Nachdem der Blick von Wieland mit dieser Übernahme nach Westen ging, wolle sich das Ulmer Unternehmen nun im Osten ausbreiten. Mayr: „Stillstand ist Rückschritt.“

Standort in Singapur wird vergrößert

Doch so einfach wie mit der Übernahme des führenden Herstellers und Händlers von spezialisierten Nichteisenprodukten in Nordamerika werde die Expansion in Asien nicht. Dort gebe es kein derart marktbeherrschendes Unternehmen vergleichbar mit „Global Brass & Copper“, dessen Übernahme Wieland sofort auf den Thron befördern würde. Deswegen werde auch die Möglichkeit des Baus eigener Werke geprüft. Als ein erster Schritt solle der Standort im Stadtstaat Singapur ausgebaut werden.

Seine Wurzeln in Ulm will Wieland bei aller Globalisierung aber nicht vergessen. Deswegen wird zum 200. Geburtstag das erste Wieland-Produkt neu aufgelegt: Eine Miniatur-Glocke, die in Elchingen von einem Kunsthandwerker gegossen wird und bei der Sparkasse Ulm zum Selbstkostenpreis für einen guten Zweck verkauft wird. Die Ausstellung dort ist ab sofort geöffnet, bis sie voraussichtlich am 22. September nach Vöhringen ins Eychmüller-Haus umzieht.

In der zweiten Wieland-Heimat ist dann auch der nach der Glocke zweite Sortimentsschwerpunkt der frühen Wieland-Jahre zu bewundern: eine von Firmengründer Philipp Jakob Wieland gefertigte Feuerspritze aus dem Jahr 1865.