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Kerosin-Ablass über der Region ist Thema in der Bundesregierung

Ulm / Lesedauer: 5 min

Welche Gesundheitsrisiken dadurch bestehen, wenn ein Flieger 50 Tonnen Treibstoff über der Region ausstößt? Diese und weitere Fragen soll die Politik jetzt beantworten.
Veröffentlicht:13.09.2018, 12:27
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Es war Sonntag, 1. Juli: Eine Boeing 747 Typ 48 EF (SCD) mit der Registrierung HL 7420 war in Mailand mit dem Ziel Südkorea gestartet. Über dem Großraum Schwaben dreht das Flugzeug gegen 18 Uhr plötzlich ab, zog einige Runden über die Region und ließ dabei 50 Tonnen Kerosin in die Luft ab.

Das beschäftigte auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz , die sich deshalb an das Bundesverkehrsministerium gewendet hat.

Verwirrt schauten viele Menschen in der Region zum Himmel: Immer wieder drehte dort ein Jumbo-Jet große Kreise und zog dabei - offenbar deutlicher als üblich - dicke Kondensstreifen hinter sich her: 50 Tonnen Kerosin wurden in die Luft geblasen. Dieser „Fuel Dump“ hatte im Unterallgäu für Wut und Empörung gesorgt, viele befürchteten gesundheitliche Risiken.

Auf Nachfrage bestätigte Christian Hoppe, Pressesprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS) mit Sitz in Langen (Hessen) den Vorgang: „Ein Luftfahrzeug der Fluggesellschaft Asiana Cargo hat am Sonntag, 1. Juli, in dem Gebiet westlich von Landsberg am Lech einen Treibstoffschnellablass (Fuel Dump) in Flugfläche 210 (entspricht etwa 7000 Meter) durchgeführt. Die Dauer des Fuel Dump betrug etwa 30 Minuten, dabei wurden laut Angaben des Piloten circa 50 Tonnen Kerosin abgelassen“, so Hoppe.

22 Fälle pro Jahr

Im Zeitraum von 2010 bis 2016 wurden laut DFS im Schnitt jährlich 22 Fälle von Treibstoffschnellablässen im deutschen Luftraum registriert. 2017 ließen Zivilflugzeuge über Deutschland in 20 Fällen insgesamt 490 Tonnen Treibstoff in der Luft ab, militärische Flugzeuge in fünf Fällen 89,5 Tonnen. Im Luftraum über Bayern gab es 2017 insgesamt sechs Fälle, die gemeldete Treibstoffmenge lag bei 34,3 Tonnen.

Im ersten Halbjahr 2018 wurden elf Vorfälle deutschlandweit registriert, davon zwei in Bayern mit einer gemeldeten Kerosinmenge von etwa 71 Tonnen. Hoppe bezeichnete die Fälle von „Fuel Dump“ als „sehr selten“ angesichts einer steigenden Zahl von Flügen in Deutschland: Allein im ersten Halbjahr 2018 verzeichnete die DFS einen neuen Verkehrsrekord: Von Januar bis Ende Juni 2018 wurden im deutschen Luftraum 1,59 Millionen Flüge kontrolliert. An einem einzigen Tag sind demnach manchmal mehr als 11.000 Flugzeuge über Deutschland unterwegs.

Ekin Deligöz, Bundestagsabgeordnete der Grünen (Landkreis Neu-Ulm) hat dieser Fall dennoch keine Ruhe gelassen und sie hat sich daher mit einer parlamentarischen Anfrage direkt an die Bundesregierung gewendet.

Weil ein Triebwerk ausgefallen war, musste der Plot ausweichen

Wie mehrfach berichtet, hatte der Pilot der Frachtmaschine damals keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als den Flug abzubrechen. Mit dem vollgetankten Flugzeug wäre eine Sicherheitslandung in Frankfurt zu gefährlich gewesen, weshalb sich der Pilot gezwungen sah, insgesamt 50 Tonnen Kerosin über der Region Allgäu/Schwaben zwischen Landsberg/Ettringen, Krumbach, Ulm und Memmingen abzulassen. Auch die Airlines bestätigte den Vorfall nach einer entsprechende Anfrage unserer Redaktion und erklärte die Ursachen für den „Fuel Dump“.

 Ekin Deligöz

Die Managerin der Zweigniederlassung der Asiana Airlines Inc. Regional Cargo mit Sitz in Frankfurt, So-min Kwon, teilte damals mit, dass der Frachter, der auf dem Weg von Mailand nach Incheon - einer Hafen- und Industriestadt an der Nordwestküste Südkoreas - unterwegs gewesen sei, zum Flughafen Frankfurt umgeleitet wurde, weil eine Störung am Anzeigesystem des Antriebs-Nr. 4 (Indication System of Engine No. 4) angezeigt wurde. Um eine sichere Notlandung zu ermöglichen, wurde nach Anweisung der Flugleitung (Control Tower) Treibstoff über die angewiesene Region abgelassen, so So-min Kwon.

Ergebnisse der Untersuchung erst im November

Ekin Deligöz wollte daher von der Bundesregierung wissen, ob Erkenntnisse vorliegen, ob Gesundheitsschäden durch „vermehrten Kerosinablass von Flugzeugen“ vorliegen. In seiner Antwort verwies Steffen Bilger (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU), auf die Antworten des Ministeriums auf eine ähnliche Anfrage der AfD im Mai. Schon damals hatte das Ministerium darauf verwiesen, dass Erkenntnisse im Hinblick auf mögliche Auswirkungen von Treibstoffschnellablässen auf Mensch und Umwelt derzeit unter anderem auf einer Studie des TÜV Rheinland basieren. Auf Initiative des Landes Rheinland-Pfalz habe die 88. Umweltministerkonferenz (UMK) im Mai 2017 den Bund gebeten, eine Bewertung der Auswirkungen von Treibstoffschnellablässen nach neuesten wissenschaftlichen Grundlagen vorzunehmen. Das Umweltbundesamt habe dazu im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zum 1. Februar 2018 ein entsprechendes Forschungsvorhaben vergeben.

Die Präsentation erster Ergebnisse aus diesem Forschungsvorhaben ist voraussichtlich für November 2018 vorgesehen. Steffen Bilder: „Über mögliche weitere Maßnahmen wird nach einer Auswertung dieser Ergebnisse zu entscheiden sein“.

Der Pilot entscheidet im Einzelfall, ob Kerosin abgelassen werden muss

Ekin Deligöz wollte auch wissen, ob es nach Kenntnis der Bundesregierung „bevorzugte“ Regionen für den Kerosinablass gebe und ob es dafür besondere Gründe gibt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs dazu: „Es gibt keine festgelegten Lufträume für Treibstoffablässe“. Vielmehr handle es sich um eine „individuelle Entscheidung in jedem Einzelfall“.

Es gibt keine festgelegten Lufträume für Treibstoffablässe“

Die zuständige Flugverkehrskontrolle identifiziere in Zusammenarbeit mit dem Piloten und „in Abhängigkeit der Dringlichkeit“ einen geeigneten Luftraum, heißt es in dem Antwortschreiben aus dem Verkehrsministerium. Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) empfiehlt laut Steffen Bilger, dass ein „Treibstoffablass möglichst abseits großer Städte und in Lufträumen mit geringer Flugverkehrsdichte“ erfolgen soll.

Auf die Frage von Ekin Deligöz, welche Erkenntnisse die Bundesregierung habe, warum das Frachtflugzeug am 1. Juli zum Kerosinablass in den Luftraum zwischen Landsberg, Ulm und Friedrichshafen flog, hatte der Parlamentarische Staatssekretär auch keine neuen Erkenntnisse: „Die Luftfahrzeugbesatzung meldete den Ausfall eines Triebwerkes“. Für eine sichere Fortführung des Fluges habe der Pilot um eine Landung in Frankfurt gebeten und gemeldet, dafür Treibstoff ablassen zu müssen: „Der in der Anfrage genannte Luftraum erfüllte zum Zeitpunkt der Ankündigung eines Treibstoffablasses alle Kriterien der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation“, betont der Staatssekretär im Verkehrsministerium.