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Geldnot

Ist ein Kommissar aus Geldnot zum Straftäter geworden?

Ulm / Lesedauer: 3 min

Immer mehr Details kommen ans Licht - Es geht um Liebes-Gerüchte, dubiose Überweisungen und Konten-Tohuwabohu
Veröffentlicht:19.09.2018, 19:32

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Wegen versuchter Strafvereitelung in 28 Fällen und mehrfacher Bußgeld-Unterschlagung muss sich ein 50 Jahre alter Ulmer Kommissar seit Juli in einem aufwendigen Indizienprozess vor dem Ulmer Schöffengericht verantworten. Zahlreiche Kollegen belasteten als Zeugen den Angeklagten. Der Mann selbst schweigt, die Verteidigung tut die Aussagen als üble Nachrede ab. Doch die Indizienkette schließt sich immer weiter und bestätigt mehr und mehr die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft.

Wenn es stimmt, was dem 50-Jährigen Familienvater vorgeworfen wird, dann stellt sich die Frage, warum sich der Mann auf diese Weise um mehrere tausend Euro bereichert hat.

Gleich zu Beginn des Prozesses betonte der Angeklagte, dass er eine erfolgreiche Karriere mit Stationen im Landeskriminalamt und Ulmer Polizeipräsidium hinter sich habe. In der mühsamen Aufarbeitung in der Beweisaufnahme kommt jedoch allmählich ein wenig Licht ins Dunkel, warum der Polizist auf die schiefe Bahn geraten sein könnte.

Geld verschwand aus den Gemeinschaftskassen

Sämtliche Kollegen im Zeugenstand belasteten den Angeklagten schwer: Wo der Kommissar Dienst tat, sei Geld verschwunden, sogar die Gemeinschaftskasse im Polizeirevier sei geplündert worden. Die Gerüchteküche brodelte seit langem.

Der Kommissar soll, behauptet die Staatsanwaltschaft, Geldbeträge von 125 bis zu 5000 Euro in Einzelfällen unterschlagen haben, die aus Strafbefehlen stammen und nicht pflichtgemäß an die Strafverfolger weitergeleitet wurden. Außerdem ließ der Mann – so der Vorwurf – mehrere Ermittlungsakten verschwinden. Sicherheitsleistungen, die ausländische Autofahrer nach Verkehrskontrollen entrichten mussten, soll er selbst eingesteckt haben.

Der Angeklagte saß zu der Zeit, zu der sich das ereignet haben soll, genau an der richtigen Stelle: Als Urlaubsvertretung im Innendienst hatte er administrative Arbeiten zu verrichten. Im Verlauf des Prozesses wurde bekannt, dass der Kommissar in der Vergangenheit bereits zweimal disziplinarrechtlich bestraft worden ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft zu ermitteln begann, wurde der Angeklagte vorläufig vom Dienst suspendiert.

Selbst der Ulmer Polizeipräsident Christian Nill trat in den Zeugenstand und schilderte den Angeklagten als zunächst tadellosen Beamten. Das sei Mitte der 90er Jahre gewesen. Doch dann häuften sich, so der Vorgesetzte, die Unregelmäßigkeiten bei der Sachbearbeitung und bei der Erfassung der Arbeitszeiten.

Das Gericht wurde regelrecht von Vorwürfen gegen den Zeugen überschüttet.

Die Verteidigung des Angeklagten bezeichnete alles als Gerüchte. Das Rätsel um diese vorgeworfenen Taten lüftete sich am jüngsten Prozesstag in dieser Woche ein wenig.

Der begann mit einem Auftritt eines Sohnes des Angeklagten. Der Sohn wurde mehrfach vom Richter darauf hingewiesen, dass er als Angehöriger des Beschuldigten das Recht habe zu schweigen. Wenn er aber rede, müsse er die Wahrheit sagen, sonst drohe ihm selbst eine Freiheitsstrafe.

Was der Sohn über das finanzielle Tohuwabohu seines Vaters und die gemeinsamen Familienkonten bei zahlreichen Banken unfreiwillig andeutete, bestätigte der Finanzermittler der Kriminalpolizei als nächster Zeuge nach seinen umfangreichen Recherchen.

Der Finanzermittler sprach von einer finanziell prekären Situation, in der sich sein Kollege seit Jahren laut ermittelter Bankunterlagen befand – obwohl er als beamteter Kommissar ein stattliches Monatsgehalt bekam.

Gab es eine heimliche Freundin?

„Es hielt sich bei uns das Gerücht, dass er eine heimliche Freundin hatte“, plauderte der Ermittler aus dem Nähkästchen. Der Angeklagte habe zeitweise bis zu sechs Konten bei mehreren Banken besessen, wohin einerseits im Einzelfall bis zu 20 000 Euro überwiesen wurden. Andererseits sammelten sich immense Forderungen von Inkassofirmen, Kreditabbuchungen und Rücklastschriften. Immer wieder überwies der Angeklagte größere Beträge auf seinen Konten. „Er muss die volle Übersicht über die Kontenvorgänge gehabt haben“, sagte der Finanzermittler aus. „Mit dem Geld hat er immer wieder Löcher gestopft“.

Das mühselige Verfahren geht am 9. Oktober mit dem sechsten Prozesstag in die nächste Runde.