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Waschschüssel

Gewalt im Gefängnis: Peiniger zu acht Jahren Haft verurteilt

Ulm / Lesedauer: 4 min

Quälereien unter Gefangenen und Gewalt in Gefängnissen gibt es immer wieder. Ein besonders brutaler Täter hat nun seine Strafe bekommen.
Veröffentlicht:10.09.2018, 17:46
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Wenn der Abend kam, gab es Prügel. Oder der Kopf wurde in die Waschschüssel gequetscht. Manchmal wurde dem Opfer auch mit einem Kissen der Mund zugedrückt. Schließlich zwang der 19-jährige Gewalttäter seinen Mithäftling in einer Zelle der Justizvollzugsanstalt Ulm , sich zu bücken und rammte ihm eine Gabel mit einem Tritt in den Anus. Am Montag wurde er dafür vom Landgericht Ulm zu acht (weiteren) Jahren in Haft verurteilt.

Das Gericht sah die Vorwürfe der besonders schweren Vergewaltigung sowie der schweren Körperverletzung und der Nötigung in mehreren Fällen als erwiesen an. Mit dem Strafmaß folgte Richter Wolfgang Tresenreiter weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die acht Jahre und sechs Monate gefordert hatte.

Eine Jugendstrafe von unter sechs Jahren, wie sie die Verteidigung wollte, lehnte Tresenreiter ab. Es sei nicht zu erkennen, wie eine geringere Strafe dem jungen Mann besser zur Einsicht verhelfen könnte als eine nach den Vorgaben des Erwachsenenstrafrechts — und zwar ungeachtet der problematischen Kindheit des Angeklagten.

Der Richter sah den dunkelhaarigen 19-Jährigen, an Hals und Armen tätowierten Mann direkt an, als er ihm bei der Begründung des Urteils die gravierenden Folgen seiner Folter klar zu machen versuchte. Als die aus massivem Kunststoff bestehende Gabel in den After des Opfers gerammt worden sei, habe die Spitze den Darm perforiert.

Folge war eine lebensbedrohliche Bauchfellentzündung. Dem Mann musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. „Seitdem muss der gesamte Kot in einem Beutel aufgefangen werden. Man mag sich das mal vorstellen.“ Erst vor kurzem wurde das seinerzeit drogen- und alkoholabhängige Opfer erneut operiert, mindestens ein weiterer Eingriff mit dem Ziel der Darmrückverlegung steht ihm noch bevor.

Quälereien sind in Gefängnissen keine Seltenheit. Und manche sind noch schlimmer als die in Ulm. Der mit Abstand schlimmste Fall war 2006 der Foltermord in der JVA Siegburg. Damals wurde ein 20-Jähriger von drei jugendlichen Mithäftlingen über Stunden hinweg gequält, vergewaltigt und schließlich getötet. Zwölf Jahre danach sagt René Müller , der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbeamten (BSBD), mit Blick auf den Ulmer Prozess: „Gewalt hinter Gittern ist Alltag. Und sie hat zugenommen, wie Rückmeldungen unserer Landesverbände zeigen.“

Unweigerlich kamen vor Gericht auch die Zustände in der JVA Ulm zur Sprache. Sie gilt keineswegs als Risikoknast, sondern als ganz normales Durchschnittsgefängnis. Vielleicht war es gerade das, was bei Prozessbeobachtern immer wieder Kopfschütteln auslöste. Die Haftanstalt sei zum Tatzeitpunkt wieder mal überbelegt gewesen, berichtete ein Vollzugsbeamter.

Obwohl die Neigung des Angeklagten zu Gewalttaten bekannt war — er hatte zuvor in einem anderen Gefängnis einen Häftling misshandelt -, legte man den 61-Jährigen zu ihm in die Zelle. Die Anstaltsleitung, so der Zeuge, habe sich von dem älteren Mann eine beruhigende Wirkung auf den jungen Heißsporn erhofft.

Dass das gründlich schief ging, bemerkte man beinahe zu spät. Da konnte der Geschändete sich schon kaum noch auf den Beinen halten. Obendrein soll der Gefängnisarzt die inneren Verletzungen zunächst gar nicht erkannt oder zumindest gravierend unterschätzt haben.

Wie oft sich in deutschen Gefängnissen derartige Dramen abspielen, ist schwer zu sagen. Für die Erfassung von Gewalttaten zwischen Häftlingen gibt es keine bundeseinheitlichen Statistiken. Die Verwaltung der Haftanstalten liegt in der Hoheit der Länder, die Gewalttaten nach unterschiedlichen Kriterien und oft erst dann erfassen, wenn sie mindestens Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben.

Seit Jahren verlangt die Interessenvertretung der Vollzugsbeamten eine deutliche Aufstockung der Stellen. Baden-Württemberg gehört zu den Ländern, die reagiert haben. Im Haushalt 2017 wurden 67 neue JVA-Stellen geschaffen, im Doppelhaushalt 2018/19 weitere 151.

Doch neue Stellen müssten auch besetzt werden, sagt der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten. Die Besoldung und die Möglichkeit zur Beförderung werde den harten Anforderungen an die Gefängnisjobs jedoch kaum gerecht. René Müller: „Wenn ich die Möglichkeit habe, besseres Geld draußen zu verdienen, dann gehe ich mit Sicherheit nicht in den Justizvollzug.“