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„Die Krönung Richards III.“ begeistert am Theater Ulm

Ulm / Lesedauer: 2 min

Diesmal nicht von Shakespeare: Ulms Theater hat einen eindrucksvollen neuen König Richard III.
Veröffentlicht:16.03.2018, 20:14

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Der Mensch ist ein Fehler der Schöpfung, fähig zu unvorstellbarer Grausamkeit. Davon war der Hamburger Autor und Orgelbauer Hans Henny Jahnn (1894 - 1959) überzeugt. Sein Frühwerk „Die Krönung Richards III.“, uraufgeführt 1922, überschreitet Grenzen drastisch, beispielsweise in der Beschreibung kannibalistischen Verhaltens. Die Ulmer Inszenierung des designierten Schauspieldirektors Jasper Brandis verlangt viel Konzentration vom Zuschauer, obwohl Brandis das Acht-Stunden-Werk klug auf weniger als die Hälfte der Länge gekürzt hat. Der Monumental-Monolog bietet aber auch viel: mindestens eine der interessantesten Inszenierungen der endenden Intendanz Andreas von Studnitz’, mit philosophischem Tiefgang und bemerkenswerter Sprachkunst von Fabian Grövers in der Titelrolle.

Richard, der Herzog von Gloster, will König werden, und er besteigt Englands Thron durch die Heirat mit Elizabeth, der Witwe seines älteren Bruders Eduard IV., dessen Söhne seinen Plänen im Weg stehen und die Richard beseitigen lässt. Hans Henny Jahnn zeichnet Richard als hochintelligenten Menschen, der um seines Machterhalts willen mordet, der zur Spaltung seiner Gegner einen Bürgerkrieg lostritt und doch an seiner eigenen Barbarei inmitten einer moralfreien Gesellschaft verzweifelt und mit dem Rätsel Gott hadert. Jasper Brandis erspart dem Publikum viel Bühnenblut, indem er in Verfremdungsmanier Regieanweisungen spielen und Darsteller ihren Tod kommentieren lässt. Das schafft Distanz zur radikalen Brutalität.

Das Weltbild des Pazifisten Jahnn steht jeder humanistischen Idee entgegen. Elizabeth (Tini Prüfert) ist ein triebgesteuerter, fleischfarbener Alptraum. In den Menschen, der Moral unfähig, existieren weder Liebe noch Aufrichtigkeit. Rettung gibt es allein in der Musik.

Für diesen Grundgedanken des Orgelfanatikers Jahnn schuf Andreas Freichels das Bühnenbild einer riesigen Orgel, an deren Spieltisch Richard die Register zieht, während im Untergrund dunkle Wege hinter Gittern Ränke verbergen. Brandis spitzt Jahnns rhythmischen, über weite Passagen wie Shakespeare anmutenden Text vor allem auf die Frage zu, woraus Schuld entsteht: Aus der Tat? Aus dem Wort? Nein, aus dem Willen entsteht sie, konstatiert er. Das Machtgefüge stützt sich auf einen gierigen Apparat aus Judikative und Klerus. Benedikt Paulun zeichnet Kardinal Bourchier in einer lächerlichen, sich der Macht andienenden Weise.

Des Königs hochfliegende Wünsche zerbröckeln. Einmal zu weinen wünscht er sich. Die Musik soll es bewirken, und das Leben schenkt ihm eine Gnade: Urban Heussler (Stefan Maaß), ein braver Münchner Orgelbauer des 16. Jahrhunderts, erscheint und setzt sich an den Spieltisch. Nackt, wie er geboren wurde, stirbt der König zu den Klängen der Orgel.

Ein starkes Stück, mutig und stringent umgesetzt: Jasper Brandis weckt Hoffnungen für die Zukunft des Ulmer Schauspiels.