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Das Kulturprojekt „Gleis 44“ ist in Betrieb

Ulm / Lesedauer: 4 min

Junge Ulmer nehmen die (Sub)kultur selbst in die Hand - Klub, Künstlerhaus und Kreativzentrum entstehen
Veröffentlicht:31.08.2018, 21:25

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Am Eingang liegen Werkzeuge und Farbdosen. Im Klubraum sind Dutzende Kisten Bier abgestellt. Auf dem Boden ist überall Staub. Wenn hier am heutigen Samstag Eröffnung gefeiert wird, ist viel in den vergangenen Tagen passiert. „Easy“, sagt Samuel Rettig und lächelt. Schließlich weiß er, dass er eine Menge Menschen hat, die im Ernstfall mit anpacken. Und dass bisher noch alles irgendwie gut gegangen ist bei diesem verrückten Projekt namens Gleis 44, das ab diesem Wochenende das (sub)kulturelle Leben der Stadt Ulm bereichern soll.

Einfach mal machen: Das ist die Grundidee hinter der Zwischennutzung im Dichterviertel – der Name verweist auf die unmittelbare Nähe zu den Bahngleisen und die Adresse, Schillerstraße 44. Das zuvor leer stehende Bahngebäude soll, so der Wille der Macher Samuel Rettig und Paul Kost , eine Art junges Kulturzentrum für Ulm werden, ein Bindeglied zwischen Hoch- und Subkultur, Künstlerhaus und Klub in einem. Und jung heißt hier wirklich jung: Rettig ist 20, Kost erst 19. Ebenfalls mit dabei ist der nachtlebenerfahrene Raffael Schmidt (42), der allerdings eher unterstützend im Hintergrund wirkt.

Stadt stellt Gebäude mietfrei zur Verfügung

Die Geschichte von Gleis 44 begann mit einer Absage: Markus Kienle und Karin Pfalzer von der AG West, die das Gebäude entdeckt und daraus einen Begegnungsort für Kunst, Kultur und soziale Projekte machen wollten, zogen sich Ostern überraschend zurück. Plötzlich hatte die Stadt eine leere Immobilie, aber keine Nutzung mehr. Verwaltung und Sanierungstreuhand Ulm schrieben das Projekt öffentlich aus, 19 Bewerbungen gingen ein. Das Rennen machten Rettig und Kost: Sie dürfen das Gebäude drei Jahre nutzen, mietfrei, nur die Nebenkosten müssen sie selbst tragen. Anfang Juni bekamen sie die Schlüssel. Es konnte losgehen.

Doch warum macht man das, mit 20 Jahren so ein Projekt stemmen? Die Antwort ist ganz einfach: die Unzufriedenheit mit dem, was es in Ulm schon gibt, speziell für junge Leute. Ein bisschen Bammel habe er anfangs schon gehabt, aber im Gespräch mit dem Künstler und Musiker Florian Schröder (Wokasoma, Opus Leopard) sei ihm klar geworden, dass man so eine Gelegenheit vielleicht nie wieder bekomme, sagt Rettig. Dass sie damit richtig lagen, merkten die Initiatoren schnell. Sofort waren Schulfreunde als Helfer an Bord, über Facebook kamen noch viele andere dazu. „Zwischen zehn und 100 Leute“, so Rettig, hätten in den vergangenen Wochen ohne Bezahlung beim Renovieren und Umbauen mitgeholfen, „wir hatten manchmal sogar zu viele“. Die Idee, so der 20-Jährige, sei viral gegangen. Und das Projekt wurde immer größer, so groß, dass das geplante Studium warten muss. „Wenn man es gescheit machen will, ist es ein 60-Stunden-Job.“

Alle sollen Gleis 44 mitgestalten

Finanzielle Förderung von der Stadt bekommen Rettig und Kost nicht, weshalb sie eine GbR gegründet haben. „Mit einem Verein hätte das zu lang gedauert.“ Deswegen müssen die Macher mit Gleis 44 auch Geld verdienen. Das soll vor allem über den Klubbetrieb im Erdgeschoss und den Biergarten hereinkommen. Kommerziell soll das Kulturzentrum jedoch nicht werden. „Wir werden ganz sicher nicht in zwei Jahren nur noch Hip-Hop spielen und vier Euro fürs Bier verlangen“, verspricht Rettig. Der erste Stock des Gebäudes gehört den weniger einträglichen Nutzungen. Dort haben Künstler, unter anderem Janina Schmid und Mark Klawikowski, Ateliers bezogen, die Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) hat ein Design-Lab für Studenten eingerichtet, ein großer Mehrzweckraum wird zum Selbstkostenpreis vermietet. Alle im Haus sollen Gleis 44 mitgestalten, so die Hoffnung.

Eröffnungsfeier ab 17 Uhr bis in den frühen Morgen

Am heutigen Samstag, 1. September, wird in der Schillerstraße Richtfest gefeiert, von 17 Uhr nachmittags bis fünf Uhr morgens. Mit klassischer Musik, einem Indie-Konzert, Video-Mapping, einer Roboter-Performance und Techno im Klub. „Wir wollen das ganze Haus präsentieren“, sagt Rettig. Bei dem sei, bildlich gesprochen, bislang nur der Dachstuhl fertig. Der Innenausbau, also das Programm, komme erst nach und nach. Rettig spricht von Konzerten in Klub und Biergarten, Ausstellungen, Theater, Freiluftkino und vielem mehr. „Um die genaue Planung konnten wir uns noch gar nicht kümmern, wir waren komplett mit der Baustelle beschäftigt.“

An Gleis 44 hat der Spaß gerade erst begonnen.