Museumsgesellschaft

Die ersten Bewohner im Hohle Fels

Schelklingen / Lesedauer: 5 min

Winfried Hanold von der Museumsgesellschaft Schelklingen über die Entstehung der Höhle
Veröffentlicht:19.01.2018, 15:34

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Seit vergangenem Juli gehört der Hohle Fels zum Unseco-Weltkulturerbe. In unserer fünfteiligen Serie „Wie entstand der Hohle Fels“ erklärt Winfried Hanold von der Museumsgesellschaft Schelklingen heute, wie die ersten Bewohner in den Hohle Fels kamen.

Die neueste Bearbeitung der Talgeschichte des Urdonau-Tales von Ehingen über Schelklingen nach Ulm geht davon aus, dass die Donau vor 450 000 bis 300 000 Jahren die tiefste Talsohle erreicht hatte. Im Achtal öffnete sich seitdem und damals 30 bis 40 Meter über dem Talboden das Portal des Hohle Fels.

Wer ging dort ein und aus?

Nun, die Archäologen sind im Hohle Fels auf einer kleinen Fläche in den Zeitraum um 60 000 Jahre vor heute vorgestoßen. Alle älteren Zeiträume verbergen sich in den Ablagerungen, welche den großräumigen Tunnel der Eingangshöhle mindestens weitere zwei bis drei Meter tief auffüllen.

Die Zeit vor 60 000 Jahren wird in der Archäologie als Moustérien bezeichnet und gehört zum mittleren Abschnitt der Altsteinzeit, dem Mittelpaläolithikum. Europa erlebte damals die vorerst letzte Kälteperiode der „Eiszeit“. Diese Würm-Kaltzeit hatte vor 115 000 Jahren begonnen und endete erst vor 11 600 Jahren. Aus Afrika waren vor mehr als eine Millionen Jahren Menschen nach Europa eingewandert, die als Homo erectus bezeichnet werden. Aus ihnen entwickelte sich ein Menschentyp, der ab etwa 130 000 Jahren vor heute klassischer Neandertaler genannt wird. Diese Menschen mussten sich an die extremen Klimaschwankungen in Europa anpassen, einem ständigen Wechsel zwischen Kaltzeiten und Warmzeiten unterschiedlicher Dauer und Intensität. So entstand ein robuster Menschentyp mit gedrungenem Körperbau, dem kalten Klima bestens gewachsen.

Vor 60 000 Jahren durchstreiften also kleine Gruppen von Neandertalern das Achtal. Es waren Jagdnomaden, Jäger und Sammler, die nur gelegentlich die Höhle aufsuchten. Sie hinterließen im Hohle Fels Steinwerkzeuge, welche sie überwiegend aus lokalem Jurahornstein (Flint) hergestellt hatten. Hornstein war der „Stahl der Steinzeit“. Er besteht aus Kieselsäure und bricht bei der Bearbeitung glasartig mit sehr scharfen Kanten. Dank seiner großen Härte lassen sich mit daraus hergestellten Werkzeugen alle anderen Naturmaterialien gut bearbeiten. Diese Fundschichten werden nach oben durch eine Schicht abgeschlossen, in der menschliche Spuren fehlen. Die Neandertaler hatten das Achtal verlassen.

In Afrika war die Entwicklung des Homo erectus weiter gegangen. Über mehrere Zwischenstufen entwickelte sich aus ihm dort der anatomisch moderne Mensch, wir heutigen Menschen, Homo sapiens genannt. Diese Menschen breiteten sich während der Würm-Kaltzeit über die ganze Erde aus und erreichten so auch die Schwäbische Alb. Mit der Ankunft des modernen Menschen beginnt der jüngste Abschnitt der Altsteinzeit, das Jungpaläolithikum. Es wird im Hohle Fels in drei Kulturstufen unterteilt, Aurignacien, Gravettien und Magdalénien. In allen drei Kulturstufen gibt es zahlreiche Funde von Werkzeugen, Nahrungsresten, Schmuck und Kunstwerken.

Größer und schlanker

Die modernen Menschen waren größer und schlanker als die Neandertaler und bildeten vermutlich auch größere Gruppen als diese. In ihrer Lebensweise als Jagdnomaden unterschieden sie sich nur wenig von den Neandertalern. Die Archäologen konnten anhand des Fundspektrums nachweisen, dass die Menschen bei ihren jahreszeitlichen Wanderungen regelmäßig das Ach- und Lonetal aufsuchten, dort lagerten und sich aus der Umgebung versorgten. Eine besondere Rolle spielten dabei die Höhlen. Sie waren nicht nur Wohn- und Arbeitsplätze, sondern wurden vermutlich auch kultisch genutzt. Großer und Kleiner Löwenmensch, die Venus vom Hohle Fels, der Adorant aus dem Geißenklösterle, aber auch bestimmte Tierfiguren lassen diesen Rückschluss zu. Außerdem wurden dort Schmuck und Musikinstrumente geschaffen. Der Hohle Fels scheint eine richtige Schmuckwerkstatt gewesen zu sein. Sämtliche Stufen der Schmuckherstellung lassen sich nachweisen. Das zeigt aber auch, dass die Menschen nun ihre Zeit nicht nur zur Nahrungsbeschaffung benötigten. Sie hatten die Zeit, aufwändige Schnitzereien aus Elfenbein herzustellen. Was Neandertaler durch Körpereinsatz leisteten, erledigten die modernen Menschen teilweise durch ihre fortgeschrittene Technik. Dieser Wandel war so drastisch, dass in der Forschung von einem „kulturellen Urknall“ gesprochen wird.

Zu den Werkzeugen aus Hornstein kommen nun vermehrt solche aus Knochen, Geweih und Elfenbein. Die wichtigste Jagdbeute waren Ren und Wildpferd. Aber auch Wollnashorn, Auerochse, Wisent, Rot- und Riesenhirsch, Steinbock, Gämse, Reh, Wildschwein und Hase wurden erbeutet. Spitzen aus Elfenbein, Knochen oder Hornstein lassen auf Speere als Jagdwaffen schließen. Sofern die Gewässer eisfrei waren, ergänzten auch Fische den Speiseplan. Im Hohle Fels wurde sogar eine Harpune gefunden. Einen wichtigen Anteil an der täglichen Ernährung hatte auch das Sammeln von Pflanzen und Kleintieren.

Die Höhle spielte dabei auch eine wichtige Rolle als „Kühlraum“. Die Temperatur im Inneren des Hohle Fels entspricht der Jahresdurchschnittstemperatur der Umgebung; während einer Kaltzeit ein perfekter „Kühlschrank“.

Mit dem Ende der letzten Kaltzeit im Magdalénien werden die Funde spärlich. Doch bis in 18. Jahrhundert suchten Menschen immer wieder Schutz in der Höhle, wie der Fund eines Ulrichskreuzes in den nacheiszeitlichen Fundschichten zeigt.

Das Stadtmuseum hat immer sonntags von 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr geöffnet. Einige ausgewählte Originalfunde zeigt das Urgeschichtliche Museum in Blaubeuren.