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Henker, Kaiserstochter und Türme: Interessierte erfahren Spannendes über Oberdischingen

Oberdischingen / Lesedauer: 3 min

Werner Kreitmeier fÃŒhrt durch die Ortschaft zu historisch bedeutungsvollen Orten
Veröffentlicht:31.03.2019, 19:08

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Es gibt in Oberdischingen niemanden, der mehr über die Geschichte des Ortes weiß als Werner Kreitmeier. Viele Ausstellungen über Themen der Vergangenheit hat er auf den Weg gebracht, zahlreiche Chroniken verfasst. Jetzt hat er eine Gruppe von mehr als 20 Mitbürgern und Gästen zu den spektakulärsten Plätzen seines Oberdischingens geführt.

Die prachtvolle Allee und Herrengasse wurden für den Brautzug der österreichischen Kaisertochter Marie Antoinette 1780 angelegt, die den französischen König heiraten sollte. 14 Jahre war das Mädchen damals alt, schon zwei Jahre vorher war die Hochzeit beschlossen worden, so hatte man Zeit zum Bauen. 750 Wagen mit Personal gehörten zum Tross und mussten von Oberdischingen versorgt werden, erzählte Kreitmeier. An französische Mansardendächer erinnern die Dächer der Häuser in der Herrengasse. Um sie länger erscheinen zu lassen, weitet sie sich von 14 Metern auf 34 Meter, erzählte Kreitmeier seiner Gruppe. Durch das Landessanierungsprogramm ist die Herrengasse schön und einheitlich hergerichtet, das Haus mit der Apotheke soll dieses Jahr folgen.

„In der Herrengasse wohnten Gerichtsdiener, der Gefängnisarzt und der Apotheker, es gab eine Wirtschaft, den Löwen und Handwerker, die teilweise auf der Straße arbeiteten wie der Küfer“, erzählte Kreitmeier.

Der 2001 im Zuge der Ortskernsanierung errichtete Brunnen passt nicht so ganz in das Bild. Der alte Brunnen hat die ganze Herrengasse mit Wasser versorgt, erzählte Kreitmeier. Erst seit 1912 gab es eine Wasserleitung in jedes Haus. Schon der Sohn des Malefiz Schenk, die volkstümliche Bezeichnung für den Reichsgrafen Franz Ludwig Schenk von Castell, hatte drei Brunnen bohren lassen, sagte Kreitmeier weiter. Mit dem Malefiz Schenk begann 1767 die Blütezeit Oberdischingens. Der Malefiz Schenk hatte die Gerichtsbarkeit von 1784 bis 1806 inne und ließ sich von den vielen kleinen Adelsherren in Oberschwaben dafür zahlen. Viel fahrendes brotloses Volks sorgte, um zu überleben, für zahlreiche Straftaten. 40 Hinrichtungen hat es gegeben, sie waren damals Volksbelustigung, die Männer kamen an den Galgen, die Frauen wurden geköpft, damit man ihnen nicht unter den Rock schauen konnte. Oft gab es aber auch in letzter Minute Begnadigungen. Der vom Malefiz Schenk errichtete Kanzleibau diente Verwaltungsaufgaben, dahinter war das Gefängnis mit 70 bis 80 Plätzen. Sein Mittelteil wird derzeit saniert und soll bis zum Sommer fertig sein, sagte Kreitmeier und erzählte von Disputen mit dem Denkmalamt. Der Malefiz Schenk selbst wohnte im Schloss auf dem Platz des heutigen Altenheims, das 1807 von den Franzosen angezündet wurde. Der Besitz des Malefiz Schenk erstreckte sich bis nach Schelklingen, Wernau und Dischingen bei Neresheim.

Gegenüber dem Kanzleibau wurde die Kirche im Stile eines römischen Pantheons errichtet, die ursprüngliche Kirche im Anschluss an den Kanzleibau war dem Malefiz Schenk zu klein. 1832 wurde die Kirche fertig. Der Glockenturm war klein, die Oberdischinger wurden seinetwegen gehänselt und so entstand der heutige Turm, der eigentlich nicht zur Kirche passt, nach Plänen des Ehinger Baumeisters Josef Buck. Die Relieftafeln mit der Passion Christi im Altarraum der Kirche stammen von einem Meister Anton, der der Syrlin-Werkstatt zugeordnet wird und früher in Blaubeuren vom Malefiz Schenk erworben wurden.