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Übernahme

Albi-Saftproduktion steht offenbar still

Berghülen / Lesedauer: 5 min

Kartellamt hat keine Einwände gegen Übernahme durch Edeka – Unternehmen schweigen
Veröffentlicht:12.12.2017, 19:08

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Beim Fruchtsafthersteller Albi mit Sitz in Berghülen im Alb-Donau-Kreis scheint die Stimmung auf dem Siedepunkt. Mitarbeiter sind verärgert, haben kein Weihnachtsgeld bekommen. Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Das Unternehmen schweigt.

Am vergangenen Donnerstag hat die Geschäftsführung zwar bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass eine Übernahme bevorstehe. Durch wen, wurde aber offenbar nicht gesagt, wie ein Mitarbeiter berichtet, der anonym bleiben möchte. Dass Edeka der Käufer des 1928 gegründeten Unternehmens sein soll, erfuhren die rund 120 Mitarbeiter am Standort in Bühlenhausen erst am Montag über die Medien. Aus dem Umkreis des Unternehmens ist zu hören, dass der Verkauf schon vollzogen wurde. Die Arbeitsplätze, so erzählt der Mitarbeiter, sollen zumindest vorerst erhalten bleiben.

Lieferanten werden nicht bezahlt

Wie die „Schwäbische Zeitung“ erfuhr, soll seit dieser Versammlung die Produktion still stehen: Es gebe nichts mehr zu verarbeiten, Lieferanten sollen nicht bezahlt worden sein. Ob und warum die Produktion still steht und generell die Hintergründe der mutmaßlichen Übernahme, dazu wollte sich Albi auf Nachfrage nicht äußern. Auch Edeka will das „laufende Verfahren“ nicht kommentieren, wie der Lebensmittelhändler schriftlich mitteilte.

Kartellamt stimmt Übernahme zu

Das Bundeskartellamt hat die angemeldete Übernahme inzwischen geprüft und seine Freigabe erteilt. „Es gibt keine wettbewerblichen Auswirkungen“, sagte ein Sprecher des Bundeskartellamtes im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Dass die Prüfung vergleichsweise schnell abgeschlossen werden konnte, könnte damit zusammenhängen, dass Edeka vor wenigen Wochen schon einen anderen Fruchtsafthersteller im Raum Rostock mit eigenen Plantagen aufgekauft hat, so der Sprecher. Der Markt sei deshalb schon einmal kontrolliert worden – mit dem Ergebnis, dass es auch nach einer Übernahme durch den größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka noch ausreichend andere Safthersteller gibt. Rückschlüsse auf eine vermeintlich vollzogene Übernahme könnten daraus nicht gezogen werden, erklärte der Sprecher: „Das hängt von den verhandelnden Unternehmen und den jeweiligen Vertragsmodalitäten ab.“

Albi schon lange ein Übernahmekandidat

Warum aber trotz eines laufenden Übernahmeverfahrens die Produktion nicht weiterläuft, können sich Branchenkenner nicht erklären. Doch wie auch die „Lebensmittelzeitung“ am Montag berichtete, gilt Albi schon seit längerer Zeit als Übernahmekandidat. Zuletzt seien auch Verträge mit Handelsmarken weggebrochen, auch die hohen Rohwarenpreise setzten dem Unternehmen zu. Die schlechten Ernteerträge in diesem Jahr könnten der Tropfen gewesen sein, der das bisweilen schon voll gelaufene Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Albi gehört mit knapp 100 Millionen Abfüllungen zu den größten deutschen Fruchtsaftherstellern und liefert an den gesamten deutschen Lebensmittelhandel, darunter auch Eigenmarken für Discounter. Doch dies könnte laut Branchenkennern dem Familienunternehmer zum Verhängnis geworden sein. Denn für die Discounter müsse Albi sehr große Mengen herstellen, erwirtschafte dabei aber vergleichsweise wenig. Gehe dann in der Produktion etwas schief oder die Rohwarenpreise steigen, müsse draufgezahlt werden und der Safthersteller kommt in Zahlungsschwierigkeiten. „Albi war zu groß für die Nische, aber zu klein, um mit den großen Lebensmittelhandelsketten mithalten zu können“, sagte Klaus Heitlinger, Geschäftsführer der deutschen Fruchtsaft-Industrie, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.

Kaufmännischer Geschäftsführer freigestellt

Hinzu kommt, dass Geschäftsführer Imanuel Friedrich Rösch, Enkel des einstigen Frimengründers Hans Rösch, seit knapp vier Wochen keinen kaufmännischen Geschäftsführer mehr hat. Christian Lang sei freigestellt worden, das habe Albi-Chef Rösch bei einer Mitarbeiterversammlung bekanntgegeben, erzählt der Mitarbeiter. Lang, der vier Jahre lang am operativen Ruder saß, wollte sich im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ dazu nicht äußern.

Bis Herbst 2015 hatte Albi noch ein Abfüllwerk in Magdeburg, das jedoch geschlossen wurde, weil über längere Zeit Verluste geschrieben wurden. Inzwischen ist alles konzentriert am Stammsitz auf der Alb. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) schließt aus den jüngsten Geschäftsberichten von Albi auf ein Vorjahresdefizit von 1,7 Millionen Euro. Karin Brugger von der NGG in Ulm geht davon aus, dass der Verkauf aus einer wirtschaftlichen Schieflage heraus beschlossen wurde: „Und dann wird es Strukturveränderungen geben“, sagt sie. „Immer schön, wenn solche Nachrichten kurz vor Weihnachten kommen und sich die Angst um den Arbeitsplatz breit macht.“

Bürgermeister weiß noch nichts Offizielles

Berghülens Bürgermeister Bernd Mangold wusste am Montagsabend noch nichts Offizielles und wollte erst das Gespräch mit der Geschäftsführung suchen, bevor er ein Urteil abgibt. Doch auch am Dienstag erhält er keine offizielle Antwort, nur Gerüchte – und daran möchte er sich nicht beteiligen.

Edeka will eigene Wertschöpfungskette ergänzen

Für Edeka, so schreibt die „Lebensmittelzeitung“, dürfte der Zukauf vor allem auch vor dem Hintergrund des Rohwarenmanagements interessant sein. Der vor Kurzem zugekaufte Safthersteller Sonnländer bei Rostock und Albi stehen zusammengerechnet im Markt für ein Absatzvolumen von rund 150 Millionen Litern. Edeka könnte mit Sonnländer und Albi das untere und obere Preissegment von Fruchtsäften bedienen und wäre damit unter den deutschen Fruchtsaftherstellern volumenmäßig die Nummer fünf. Der Chef des Fruchtsaft-Verbands Heitlinger spricht von einer „vertikalen Integration“: Der Lebensmittelhandel versuche so, viele Elemente wie möglich in die eigene Wertschöpfungskette zu integrieren. Im genossenschaftlichen Edeka-Verbund arbeiten zum Beispiel auch Fleischwarenhersteller, Bäckereien und eine Kellerei.

Heitlinger vermutet aber, dass es Edeka bei der Übernahme vielmehr auf die Marke abgesehen hat. Albi sei „eine der bekanntesten Marken im Fruchtsaftbereich“, so der Geschäftsführer der deutschen Fruchtsaft-Industrie. Doch auch Albi werde seine Gründe für einen möglichen Verkauf haben: „Wenn es einem super geht, will ich nicht verkaufen. Außer man möchte viel Geld erzielen.“