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Friedensbedingung

Wie Laichingen den Ersten Weltkrieg erlebte

Laichingen / Lesedauer: 4 min

Laichingen vor 100 Jahren: Erster Weltkrieg, Großbrand und Frühjahrsoffensive
Veröffentlicht:13.04.2018, 11:57

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Im Westen nichts Neues im Jahr 1918. Wohl aber im Osten: Im Friedensvertrag von Brest-Litowsk diktiert die deutsche Delegation dem „Feind“ die Friedensbedingungen: Russland muss Polen, Litauen, Kurland, Estland, Livland, Finnland und die Ukraine als selbstständige Staaten anerkennen, so dass ein Staatengürtel zwischen dem bolschewistischen Reich Lenins und dem Westen entsteht.

Nach 1290 Tagen ist der Krieg im Osten beendet. Einige bibelfeste Laichinger wollen diese Zeitspanne aus dem Buch Daniel 11, Vers 12 erkannt haben und meinen gar, dass im darauffolgenden Vers die Kriegsdauer insgesamt bereits festgelegt sei: 1335 Tage. Diesmal sollten sie sich täuschen: erst nach 1563 Tagen, am 8. November 1918, ist das sinnlose Gemetzel und Abschlachten von zehn Millionen Soldaten in Europa zu Ende.

Entbehrungen gehen weiter

Ansonsten gibt es an der „Heimatfront“ in Laichingen tatsächlich nicht viel Neues: Die kriegsbedingten Entbehrungen gehen weiter, die Todesnachrichten aus Frankreich, dem „Feindesland“, nehmen eher noch zu, und man wird durch Erlasse zu weiteren „Kriegspflichten“ herangezogen, etwa zur „vaterländischen Hilfsdienstpflicht“, zu Brennholzabgaben, zur Abgabe der letzten Pferde, die für Kriegszwecke als tauglich erkannt werden. Außerdem werden nun die bisher ohnehin begrenzten Hausschlachtungen ganz verboten, damit ja niemand Lebensmittelvorräte nicht meldet oder gar unter der Hand weitergibt.

Da ist es beinahe eine willkommene Abwechslung, wenn am 25. Februar der Geburtstag Seiner Majestät, des Königs Wilhelm II. von Württemberg, feierlich und in großem Rahmen begangen wird. Am Gottesdienst in der St. Albans-Kirche nehmen beide bürgerlichen Kollegien (Gemeinderat und Bürgerausschuss) und beide Militärvereine (Krieger- und Militärverein) teil. Pfarrer Lutz gedenkt zunächst der beiden in letzter Zeit gefallenen Soldaten, Andras Schmid, 23 Jahre, und Johann Georg Nübling, 20 Jahre, ehe er dann über den Predigttext aus dem Buch Samuel, Kapitel 7, Vers 12, spricht: „Bis hierher hat uns der Herr geholfen.“

Großfeuer in Laichingen

Zwei Tage später wird Laichingen von einem schlimmen Großfeuer heimgesucht: Das Anwesen des „Strohmbeck“ Johannes Kirsamer in der Weite Straße geht in Flammen auf. Wohnbereich, Stall und Scheuer brennen völlig aus. Dank der westlichen Windrichtung kann sich das Feuer nicht auf die Maierhöfe ausdehnen. Durch herabstürzende Mauerteile der Scheuer an der Nordseite wird auch das Haus des Schmiedes Johann Georg Duckeck schwer beschädigt. Als Brandursache wird von der Feuerwehr ein Kurzschluss angegeben. 39 Jahre später, am 1. Februar 1956, wiederholt sich die Brandkatastrophe am gleichen Gebäude in einer geradezu erschreckenden Ähnlichkeit.

21. März 1918 – Frühjahrsbeginn, aber auch Beginn der deutschen Frühjahrsoffensive im Westen, geleitet von den Oberbefehlshabern Hindenburg und Ludendorff. Die Oberste Heeresleitung setzt mit diesem letzten großen Angriff alles auf eine mehr als unsichere Karte. Man nimmt in den nächsten drei Monaten mehr gefallene Soldaten in Kauf als je zuvor in einem vergleichbaren Zeitraum in diesem Krieg. Dies spürt man auch auf der Laichinger Alb. Besonders hart trifft es den Suppinger Kleinbauern Johannes Erz: Bereits am Palmsonntag ist sein ältester Sohn Johann Georg gefallen, am 2. April folgt ihm sein Bruder Johannes, und der dritte Sohn, Andreas, liegt mit einer schweren Verwundung im Lazarett und kämpft um sein Leben.

Für „Kaiser, Volk und Vaterland“

In der Laichinger St. Albans-Kirche findet am Gründonnerstag eine besondere Kriegsbetstunde für die Frühjahrsoffensive statt; ansonsten versammelt man sich jeden Dienstagabend im Gotteshaus, um für den Sieg zu beten. Bereits vier Wochen später kommt man zum Trauergottesdienst für die ersten sieben Laichinger Opfer der Frühjahrsoffensive zusammen. Der erste Tote ist Steinhauer Karl Stuhlinger, gefallen am Hartmannsweilerkopf in den Vogesen, in Cambrai in Flandern haben Andreas Wiedenmann, Friedrich Bux und Tobias Schlenk ihr Leben für „Kaiser, Volk und Vaterland“ gegeben. Ebenfalls sinnlos geopfert worden sind Johann Georg Schlenk bei Bapaume, Johann Georg Jakob bei Montdidier an der Somme und Heinrich Fries in Avelny in Nordfrankreich. In keinem der vier Kriegsjahre hat man um so viele gefallene Väter und Söhne geweint als vor hundert Jahren, im Jahre 1918.