StartseiteRegionalRegion Ulm/Alb-DonauLaichingenRegierungspräsidium unterstützt Urteil gegen Laichinger „Schule“

Regierungspräsidium

Regierungspräsidium unterstützt Urteil gegen Laichinger „Schule“

Laichingen / Lesedauer: 5 min

„Landesvereinigung für dezentrales Lernen“ wird keine Ersatzschule – Für und Wider wurde vor dem Verwaltungsgericht verhandelt
Veröffentlicht:30.01.2019, 21:31

Artikel teilen:

Die Klage der Machtolsheimer „Landesvereinigung für dezentrales Lernen“ gegen das Land Baden-Württemberg ist vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen abgewiesen worden (wir berichteten). Der Verein hatte geklagt, weil der Antrag auf Genehmigung der „Dietrich Bonhoeffer Internationale Schule“ auch nach mehreren Jahren nicht entschieden wurde. Das ist aber rechtens, so das Gericht. Geht das Regierungspräsidium nun gegen Jonathan Erz, den Vorsitzenden des Schulvereins, vor.

Am Dienstag konnten beide Seiten ihre Argumente vorbringen. Das Land wurde durch zwei Beauftragte des Regierungspräsidiums Tübingen vertreten. Rechtsanwalt Traugott Hahn , Vereinsvorsitzender Jonathan Erz sowie Rüdiger Pflumm vertraten die Interessen der klagenden Einrichtung.

Im Artikel sieben des Grundgesetzes wird das Schulsystem geregelt. Im Absatz eins steht, dass das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht, Absatz vier und fünf regeln die Möglichkeiten, private Schulen unter bestimmten Voraussetzungen zu genehmigen. Das Sigmaringer Urteil mit Berufungsmöglichkeit kann unter Umständen – dies zeigte auch das öffentliche Interesse – eine Bedeutung über die Einzelklage hinaus haben.

 Martin Frank, Referatsleiter beim Regierungspräsidium.

Gleich zwei Klagen waren eingereicht worden: Zum einen ging es um die Genehmigung einer Haupt- und Werkrealschule, zum anderen um die Genehmigung einer evangelischen Grundschule. Stefan Röck , Vizepräsident des Verwaltungsgerichts, fragte, ob beide Klagen gemeinsam verhandelt werden können. Die Parteien hatten keine Bedenken. Das Gericht mit fünf anwesenden Richtern stellte den Sachverhalt dar: Bereits 2014 sei der Antrag auf Genehmigung einer Ersatzschule beim Regierungspräsidium eingegangen. Weil dieser aber nicht entschieden wurde, hatte der Verein im März 2017 Klage erhoben.

Alles, was man braucht

Die Schule „mit evangelischem Profil nach dem Uracher Plan“ und einem Konzept, das sich vom staatlich nicht erlaubten „Homeschooling“ unterscheide, erfülle, laut Kläger, alles, was man braucht, um das staatlich verlangte Bildungsziel zu erreichen. Die Machtolsheimer „Schule“ unterscheide sich aber von anderen dadurch, dass nur an einem Tag in der Woche gemeinsamer Unterricht stattfindet, an den anderen wird vor allem „online“ und zu Hause unterrichtet. Rechtsanwalt Hahn verwies darauf, dass auch bei manchen Regelfächern, wie Latein, bereits Online-Kurse möglich seien. „Historisch gesehen war das gemeinschaftliche Lernen in den 1950iger Jahren notwendig.“ Die Pädagogik habe sich jedoch völlig verändert: „Wir wollen uns auf die Schüler einstellen.“ Richter Röck gab zu bedenken, dass sich auch die Regelschule weiterentwickelt habe, zudem sei „gemeinsamer Unterricht Teil des Erziehens“.

Erziehung ist kein Fach der Eltern. Sie findet einfach statt.

Stefan Röck, Richter am Verwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht entschied bereits 2009, dass grundsätzlich kein Anspruch darauf besteht, die Erfüllung der Schulpflicht durch einen staatlich beaufsichtigten häuslichen Unterricht zu ersetzen. Als Gegenbeispiel nannte Rechtsanwalt Hahn, dass 145 Kinder im Rahmen der Jugendhilfe nicht in Schulen unterrichtet wurden und das Projekt sogar vom Bundespräsidenten ausgezeichnet worden war. Er, so Richter Röck, habe viel auf dem Schulhof gelernt. Hahn entgegnete, Demokratie und Toleranz könne man auch außerhalb lernen. „Erziehung ist kein Fach der Eltern. Sie findet einfach statt“, so Richter Röck.

Eltern und Schule seien per Gesetz im gleichen Maße verantwortlich für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen. Schule sei jedoch vom Gesetz nicht definiert, es sei viel eher ein dynamischer Begriff, Erziehung etwas „ganz Schwieriges und nicht messbar“. Wenn es in der Schule nicht funktioniere, sei dies aber kein Systemfehler, sondern ein Einzelfall. Der Staat habe dann die Möglichkeit, einzugreifen. Jonathan Erz erwiderte, auch sie könnten eingreifen, zumal sie die Elternhäuser jeweils gut kennen würden.

Wissensvermittlung möglich

Die beklagte Seite wurde vertreten durch den Referatsleiter für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten der Lehrkräfte, Martin Frank, sowie seine Kollegin Claudia Ostertag. Frank bestreitet mögliche Wissensvermittlung in Machtolsheim nicht, aber: Schule sei „mehr“. Es gehe vor allem um Sozialisation: „Was Schüler erleben, die Konflikte, die sie austragen, dafür muss man an einem Ort zusammenkommen, vor allem, um seine Rolle in der Gesellschaft zu finden.“ Ostertag ergänzte: „Kinder lernen neben der Wissensvermittlung auf dem Schulhof und in der Klasse, nicht im geschützten familiären Raum.“ Man müsse, so Röck, die „Spielregeln auch für eine Ersatzschule einhalten“. Deshalb müsse man schon genau hinschauen, denn das Elternhaus sei keine Schule. Die Kernfrage sei: „Reicht dieser eine Tag?“ Hier sei wohl weiterer Diskussionsbedarf.

Der Erziehungsauftrag ist gestärkt, wir brauchen gelebte Schule.

Martin Frank vom Regierungspräsidium

Die Klage wies das Gericht schließlich zurück. Der Kläger erhält die Genehmigung nicht, die Einrichtung als Ersatzschule zu führen. Martin Frank vom Regierungspräsidium begrüßte am darauffolgenden Tag das Urteil: „Der Erziehungsauftrag ist gestärkt, wir brauchen gelebte Schule.“ Bestätigt worden sei, dass die Schüler die Schulpflicht an dieser „Schule“ nicht erfüllen könnten.

Die Kläger hatten 2014 ihre Einrichtung als Ergänzungsschule angezeigt und eine Genehmigung als Ersatzschule beantragt, um die Schulpflichterfüllung zu erhalten. Statt der Genehmigung gab es aber verschiedene Verfahren, die Bußgelder zur Folge hatten. „Mit dem Urteil wurde“, so Frank, „eine Entscheidung herbeigeführt“. Jetzt werde man sich die nächsten Schritte überlegen, damit die Schulpflicht der Kinder und Jugendlichen in Machtolsheim erfüllt werde.