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Smartphones für Kinder – Experte und Bestsellerautor gibt Eltern Tipps

Laichingen / Lesedauer: 4 min

Rüdiger Maas wird in Laichingen deutlich
Veröffentlicht:11.04.2022, 11:00

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„Während Corona waren Jugendliche durchschnittlich sechs Stunden täglich im Netz.“ Rüdiger Maas, Leiter des Instituts für Generationen- und Zukunftsforschung Augsburg, war auf Einladung von Stadtbücherei und VHS zum Vortrag „Generation lebensunfähig – wie unsere Kinder um ihre Zukunft gebracht werden“ in Laichingen und stellte seinen gleichnamigenSpiegel-Bestseller vor. Im Publikum waren viele Erzieherinnen, auch Lehrer, Eltern und Chefs von Handwerksbetrieben mit Auszubildenden.

„Generation Z“ im Blick

Der studierte Wirtschaftspsychologe ist Unternehmensberater und Gründer des Instituts, das Institutionen und Firmen berät im Umgang mit der „Generation Z“, der Generation, die zwischen 1997 und 2010 zur Welt gekommen ist. Er kommt aus der Wirtschaft – erst durch die Studien zu seinem Buch setzte er sich mit dem Erziehungsverhalten der Eltern der Generation Z auseinander.

Ausgangspunkt war die Erfahrung vieler Chefs, dass bei Bewerbungsgesprächen inzwischen die jungen Kandidaten sehr viele Forderungen stellen, und zugleich die Leistungsbereitschaft sinkt. Woher kommt’s? In seinem Buch verarbeitete Maas Ergebnisse seiner Forschungsgruppe, die qualitative Interviews mit Experten geführt hatte und wertete eine quantitative Befragung von 1231 pädagogischen Fachkräften aus, die länger als zehn Jahre im Beruf sind.

Gesellschaftlicher Wandel

Seiner Studie zugrunde liegt eine Analyse des gesellschaftlichen Wandels: Mütter sind heute berufstätig und durchschnittlich 30,1 Jahre beim ersten Kind. Die Folge: Die Eltern wollen vielfach ihren bisher angeeigneten Lebensstandard nicht aufgeben. Sie sind „Social-Media-Affin“ – was sich schon darin zeigt, dass ‚unendlich viele Fotos‘ ab Geburt ins Netz gestellt werden.

Heute erkennt die Psychologie jedoch: Wenn Menschen wissen, dass die Kamera den Moment einfängt, ist ihre Konzentration gemindert, der tatsächliche Moment wird emotional nicht gespeichert. Und was bedeutet das für die Kinder, die später mal die vielen Fotos anschauen? Sie sehen sich als (scheinbar immer) glückliche Kinder, und neigen zum Unglücklichsein als Erwachsene, die im „ganz normalen“ Leben bestehen müssen.

Als ein Kennzeichen des elterlichen Erziehungsstils machte die Studie auch aus, dass Kinder selten bis kaum Kritik erfahren, was zur Folge hat, dass sie keine Frustrationstoleranz ausbilden können, zu Narzissten werden, die Probleme im Umgang mit anderen haben. Materiell übersättigte und überbehütete Kinder lernen nichts Negatives, auch nichts mit Gefahr Verbundenes. In der digitalen Welt jedoch lassen Eltern ihre Kinder allein:

In jungem Alter schauen sie von Eltern unbemerkt pornographische Filme, was nachweislich zu Sexualstörungen führen kann.

Eltern-Kind-Beziehung hat sich gewandelt

Smartphones werden allzu früh von den Eltern gekauft, – „weil alle eines haben“. Maas empfiehlt frühestens ein Smartphone ab zehn Jahren, auch wenn das eigene Interesse der Eltern darin besteht, über das Smartphone ihre Kinder beaufsichtigen zu können. Eltern der Mittelschicht heutzutage wollen gute Freunde, „best Buddies“, sein, die Eltern-Kind-Beziehung hat sich völlig gewandelt: Eltern eifern ihren Kindern nach . Die Wertstruktur der Jugendlichen ähnelt inzwischen sehr stark der Elterngeneration, eine für eine eigenständige Entwicklung notwendige rebellische Pubertät bleibt aus.

Kinder der „Generation Z“ können sich eine rein analoge Welt nicht mehr vorstellen. Das Smartphone ersetzt die reale Kommunikation mit anderen. Veränderung der Hirnareale sind feststellbar. Die Folgen allzu frühen Digitalkonsums fasste Maas zusammen: Kinder zwischen vier und sechs Jahren können sich nicht mehr auf vertieftes Spielen einlassen, lernen keine Empathie, sind ungewohnt in der Aufnahme sozialer Kontakte. Sie können eigene Bedürfnisse nicht wahrnehmen und äußern, neigen zu erhöhter Gewaltbereitschaft, können Konflikte nicht eigenständig lösen, können keine Freundschaften schließen und halten.

Maas übt Kritik an Schule

Kritik meldete Maas dabei auch an der Schule an. Auf konzentriertes Schreiben mit der Hand wird verzichtet, – dabei kann erwiesenermaßen handschriftlich Geschriebenes besser behalten werden. Studien von Maas haben auch ergeben, dass, abgesehen vom Sprachunterricht, digitales Lernen für den Lernerfolg abträglicher ist als das Lernen live in der Gruppe.

Für Jugendliche ist die Auswahl von Bespaßung und Filmchen bei TikTok riesengroß, es erfolgt eine „Aufmerksamkeitsdiffusion“ konzentriert bei einer Sache zu bleiben wird unmöglich. Als Folge entwickeln Jugendliche wenig Fantasie und Kreativität, halten Langeweile nicht aus, suchen fortwährend nach „Likes“, nach Bestätigung. Politische Nachrichten werden ungeprüft von Telegram und TikTok empfangen, oft mit viel Gewalt verbunden. Maas empfahl den Eltern, sich mehr für die digitale Welt ihrer Kinder zu interessieren, um miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam kritisch bewerten zu können.

So bilden sich Jugendliche ihre Meinung

Maas untersuchte auch, wie Meinung gebildet wird unter Jugendlichen: 50 Prozent über Freunde, 37 Prozent über Bewertungen im Netz, sieben Prozent von Influencern. Influencer wirken freundschaftlich-individualistisch, dabei sind sie in den meisten Fällen die gutbezahlten, mit Emotionen begeisternden, Markenbotschafter mit klarer Verkaufsabsicht.

Welche Konsequenzen zog das anwesende Publikum im Gespräch: Wohltuende gemeinsame Kinder-Erlebnisse in der realen Welt suchen, intensiven Beschäftigungen außerhalb des Smartphones nachgehen, Gemeinschaft pflegen, in der Natur sein wie zum Beispiel im Waldkindergarten, Eltern sollen sich ernsthaft Zeit für ihre Kinder nehmen.