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Durchblick

Kräuterpädagoginnen holen sich in Hohenstadt den Durchblick

Hohenstadt / Lesedauer: 3 min

Im Süden würden die Menschen noch was für die Natur tun, so eine Biologin
Veröffentlicht:14.08.2018, 15:33

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20 Kräuterpädagoginnen aus ganz Baden-Württemberg zeigten sich bei einer Bestimmungs- und Erkundungstour rund um Hohenstadt begeistert: „Dieses Stückchen Erde bei Berneck mit all seinen natürlich wachsenden Kräutern gehört zum Schönsten, was ich gesehen habe“, sagt die Biologin Rita Lüders aus Hannover.

„Hier wächst der ,mittlere Wegerich’ – ganz selten zu sehen. Fliederfarben mit kurzem Stempel“, so Claudia Nafzger. Sie leitet mit Evi Kletti aus Hohenstadt den Verein der Kräuterpädagogen in Baden-Württemberg. Vor drei Wochen waren hier Schafe unterwegs. Was der Boden seither hervorgebracht hat, lässt die Gruppe aus 20 Damen jubeln: „Auf Magerrasen ist die Vielfalt besonders groß. Dünger ist nicht notwendig, der Boden von Natur aus karg und was hier wächst, hat Power“, sagt Nafzger. Evi Kletti fügt hinzu: „Erst haben wir uns mit der Wacholderweide beschäftigt, jetzt ist der Magerrasen dran, dann folgt eine Tour ins Biosphärengebiet.“ Es gehe um verschiedene Standorte mit verschiedenen Bodenbedingungen, weswegen die Kolleginnen aller Altersstufen nach Hohenstadt kamen, nicht zuletzt in das Kräuterparadies von Evi Kletti. „Wir machen hier Grundarbeit für unsere eigenen Führungen“, erklärt sie. Auch Kräuterpädagogen brauchen regelmäßig Übung, Fortbildung und, wie sie sagt: „diese notwendige Fummelarbeit“.

Mit Lupe, Block, Stift und Büchern

Das Schöne am Bestimmen von Pflanzen sei das genaue Hingucken. Mit Lupe, Block, Stift und Büchern ausgestattet sitzt die Gruppe auf gerade einmal drei Quadratmetern. Zu viel gibt es auf nur diesem kleinen Flecken zu sehen: Thymian, Majoran, Dost – auch Oregano genannt - Pizzagewürze auf der Wiese. Daneben wird der gelbe Hornklee unter die Lupe genommen und dann ist der zarte „Hügelmaier“ dran. Kleinste weiß-rosafarbene Blätter zeigen sich hinter der Lupe. Spitzwegerich – das Wiesenpflaster, wenn eine Bremse mal zugestochen hat – wächst daneben mit seinen dicken Blattadern, die den heilsamen Saft in sich tragen.

Es geht um Balsam und Tee, um die Bronchien, für deren Gesundung er wirksam sei und schon steht das aufgeblasene Leinkraut mit zarter Sprosse auf der Liste. „Man kann zwölf Monate von der Natur leben“, sagt Beate Kessler aus Schwäbisch Gmünd. Hagebutten im Winter seien zum Beispiel weich und zuckersüß, auch wenn sie braun und unappetitlich am Zweig hängen. Jetzt geht’s um die Blattordnungen: Fächer und Fieder sind zu zählen, um Namen bei einem Doldenblütler zu bestimmen. 1500 gibt es, viele sind giftig.

Die Gruppe zählt, teilt und notiert. Einig sind sie sich: „Nichts unbedacht herausnehmen, nur in Maßen und die Naturschutzregeln beachten. Nichts essen, was man nicht zu hundert Prozent kennt oder nur in Begleitung von Fachpersonal.“

Rita Lüders zeigt sich begeistert von der Alb und bemerkt, dass die Sensibilität für die Natur „hier in Süddeutschland“ weit größer sei als im Norden. „Es ist spürbar, dass die Menschen etwas für die Natur tun wollen. Der Süden ist eindeutig vorne und auch Führungen finden mehr Interesse als im Rest der Republik.“

Das Anliegen der Dozentin, Autorin und auch Pilzsachverständigen: „Die Monokultur nimmt insbesondere durch die landwirtschaftliche Nutzung zu. Silage und Biomasse werden benötigt, deswegen wird gemäht und gedüngt was das Zeug hält.“ Natürlich seien die Landwirte unter Druck. Es gehe um Geld und am Ende sei alles politisch. „Jeder will alles billig haben und dabei zerstören wir uns selbst.“ Ihre Aufforderung: „Wegesränder nicht so oft mähen, die Pflanzen dahinter nicht spritzen und auch dem eigenen Garten eine Chance lassen.“ Die Steinwüsten in Neubaugebieten und das Bemühen um „ein adrettes, ordentliches Ortsbild mit ständig gemähten Straßenrändern“ sei für die Natur der falsche Weg, bemerkt sie in Richtung Stadtverwaltung.