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Remontedepot

Remontedepot Breithülen: Wo einst Militärpferde grasten

Heroldstatt / Lesedauer: 7 min

Aktion „SZ öffnet Türen“ mit rund 30 Gästen – Interessante Führung durch die ehemalige Remonte bei Breithülen
Veröffentlicht:20.09.2017, 19:50

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Was sich in den vergangenen fünf Jahren im früheren Remonte-Areal in Heroldstatt – vor allem baulich – getan und verändert hat, das haben gut 30 SZ-Leser bei einer interessanten und informativen Führung erfahren. Die Gäste begleitete Steffen Schmutz, Geschäftsführer von Vitaform. Die Firma Vitaform GmbH & Co.KG hat das ehemalige Remontedepot samt Villa und ehemaligem Schulhaus 2012 aufgekauft und ihre Bereiche Logistik, Design und Entwicklung nach Heroldstatt verlagert.

„Gefordert war, dass der Charakter der ehemaligen Remonte mit ihren Stallungen aus rotem Backstein und die herrlichen Baumalleen mit Linden und Kastanien nicht verloren geht“, erklärte Steffen Schmutz zu Beginn der gut zweistündigen Besichtigungstour durch das sieben Hektar große Gebiet. Diesen Auflagen seien er und die Firma Vitaform gerne nachgekommen, das sei auch in seinem Interesse gewesen. Dies sei zudem bei dem Kauf der historischen Stätte von der Gemeinde Heroldstatt der Fall gewesen, die das Gelände Jahre zuvor von der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten im Zuge der Rekommunalisierung Breithülens erworben hatte.

Dass das Gelände im Nordwesten Heroldstatts von seinem ehemaligen Charme überhaupt nichts verloren hat, davon konnten sich die mehr als 30 SZ-Leser überzeugen, für die die Firma Vitaform ihr großes Eingangstor geöffnet hatte. Geschäftsführer Steffen Schmutz stellte zunächst sein Unternehmen vor und ging dann bei einem Rundgang bei Regen auf die Geschichte des Remontedopots wie auf die einzelnen Gebäude ein.

Seit 35 Jahren und mittlerweile in der vierten Generation führt die Familie Schmutz aus Feldstetten die Schuhmanufaktur Vitaform und hat sich mit ihren modischen, bequemen Schuhen eine Marktnische erobert. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte vor 35 Jahren im Keller des Wohnhauses von Ewald und Ruth Schmutz . Dort hat das Ehepaar die ersten Schuhe produziert. Bald wurde es zu eng und die Produktion ist in die Lange Straße umgezogen.

Vor 16 Jahren reichte auch dort der Platz nicht mehr aus, ein modernes Geschäftsgebäude im Gewerbegebiet „Beim Himmelreich“ in Feldstetten entstand, das Produktion, Lager und den Verkaufsraum für den Fabrikverkauf beherbergte. Ein gutes Fußbett und sorgfältige Handarbeit sind für die Inhaberfamilie enorm wichtig, so hat Vitaform besondere Fußbetten im Programm. Rund 50 Mitarbeiter zählt heute die Firma mit Niederlassungen in Breithülen , Feldstetten und Berlin.

Komfortschuhe in ganz Europa

„Heute gehören wir zu den erfolgreichsten Anbietern von modischen Komfortschuhen in Europa“, sagte Steffen Schmutz. Seit mehr als zehn Jahren werden die Schuhe beim Teleshopping-Sender QVC Deutschland präsentiert, seit einigen Jahren auf den Fernsehkanälen QVC Italien, QVC UK, QVC Italien QVC Japan, MG Frankreich und in Korea.

„Dort führe ich die Besonderheiten unserer beratungsintensiven Schuhe selber vor. Denn wer könnte dies besser machen, als derjenige, der die Schuhe herstellt“, meint der Geschäftsführer. Heute sei sein Unternehmen Marktführer bei Hirschlederschuhen. Die Schuhe von Vitaform könnten überzeugen durch besondere Materialien, Leichtigkeit, Flexibilität, Weichheit, eine optimale Passform, ein Luftpolsterfußbett und noch mehr gute Qualitäten. Zusätzlich im Angebot hat Vitaform Strumpfwaren und Pflegeprodukte.

Bei dem Rundgang ging es zunächst in die frühere Kfz-Werkstatt, die die heutige Heizzentrale für das 7,5 Hektar große Firmengelände bildet. Die Wärmeerzeugung erfolgt über Pellets und sei somit CO2-neutral. Alle Gebäude werden mit neuen Wasser- und Stromanschlüssen versorgt und sind mit einem Fernwärmenetz an die Heizzentrale angeschlossen. Die zentrale Heizsteuerung sei effizient, wirtschaftlich und umweltfreundlich, meinte Steffen Schmutz. Zudem seien alle Gebäude mit energiesparender LED-Beleuchtung ausgestattet. „Auch die im historischen Stil gestaltete Außenbeleuchtung nutzt modernste und hocheffiziente LED-Lichttechnik“, führte der Geschäftsführer aus.

Privatwohnungen geschaffen

Vorbei an Küchenhaus und der alten Schule (Schule und Küchenhaus von 1947 bis 1955) und dem Lager 28 (zunächst Krankenstall als Remonten auf dem Gelände waren und dann Schweinestall) führte die Tour zum heutigen Wohnhaus von Ruth Schmutz, in dem einst die Pferdeklinik mit Bewegungsbecken und die Schmiede untergebracht waren. Vorbei an der denkmalgeschützten Lindenallee ging es zu den langgezogenen Stallungen der Pferde: Ein alter Stall im mittleren Gebäude, vor allem für das Winterquartier. Dort befindet sich heute die Wohnung von Bruder Thorsten Schmutz, der ein großer Pferdeliebhaber ist.

Interessant war der Blick in das heutige Verwaltungsgebäude von Vitaform, in dem früher Familien lebten. Dort sind heute schmucke Büroräume, Besprechungszimmer und die Produktentwicklungsräume. In den Räumen liegen alte Land- und Postkarten aus, viele Bilder, Baupläne und Zeitungsartikel, die die bedeutungsvolle Geschichte des Remonte Breithülen und des früheren Truppenübungsplatzes beleuchten. Im Außenbereich ist heute eine idyllische Sitzecke mit antikem Brunnen zu finden.

Stärken durften sich die Gäste in der Alten Schule, die einst als Seuchenstall für die Ausbildungspferde diente. Von 1955 bis 1966 wurde das Gebäude in ein Schulhaus umfunktioniert. Das neu gestaltete Gebäude an der L 230 ist heute ein edler Veranstaltungsraum für Seminare, Firmenveranstaltungen und Feste. Das Haus in schönem Ambiente kann für Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und Firmenevents gebucht werden. Im Oktober findet hier das erste Vitaform-Azubi-Camp statt. Hier werden die Auszubildenden auf einen guten Start ins Berufsleben vorbereitet.

Zukunft der Villa ist offen

Schließlich ging es zur sogenannten Villa, dem früheren Dienst- und Wohngebäude des jeweiligen Kommandanten. Von 1925 bis 1935 diente es als Jugend- und Erholungsheim mit 75 Betten. 1700 Kinder aus ganz Deutschland sollen in den zehn Jahren die Sommerferien hier verbracht haben. Ab 1935 waren dort die Militärs untergebracht, von 1948 an wurde das Gebäude zum „Landesheimathof Breithülen, einem staatlichen Arbeitserziehungs- und Bewahrungsheim umfunktioniert. Bis zu 100 Leute waren in dem Heim untergebracht. In dem herunter gekommenen Haus sind noch die Schlafzimmer, Küche sowie die Waschräume mit Toiletten zu sehen. „Was wir mit der Villa machen, ist noch offen. Unsere Planungen und Überlegungen sind noch offen. Lassen wir uns überraschen“, erklärte Steffen Schmutz zum Abschluss der sehr interessanten Tour, bei der der Regenschirm und Anorak wichtige Begleitutensilien waren.

Zur Geschichte des Remontedepots Breithülen: 1898 ließ das Kriegsministerium des Königreichs Württemberg am östlichen Rand des Truppenübungsplatzes Münsingen das Remontedepot erbauen. Auf dem 13 Hektar großen Areal in Breithülen wurden dann bis 1918 junge Pferde (sogenannte Remonten) für das XIII. Armeekorps ausgebildet. Hier fanden 300 Tiere Platz.

Nach dem Ersten Weltkrieg richtete die Stadt Stuttgart im Jahre 1920 auf dem Gelände ein landwirtschaftliches Mustergut ein. Nur fünf Jahre später eröffnete der evangelische Jugendverein Stuttgart ein Jugenderholungsheim. 1934 übernahm das Militär das Depot und richtete erneut einen Pferdeausbildungsbetrieb ein. Am 1. Oktober 1942 gründete die Wehrmacht den gemeindefreien „Heeresgutsbezirk Münsingen“, dem Breithülen angeschlossen wurde. Zuvor gehörte das Hofgut zu Ennabeuren. Von 1943 an diente das Remontedepot nicht nur Tieren, sondern vor allem Soldaten als Unterkunft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kassierten die Franzosen das Areal, das sie Ende der 1940er-Jahre wieder an Württemberg zurückgaben. In den 1950er-Jahren entstand erneut ein landwirtschaftlicher Betrieb, bevor die Bundeswehr das Gelände von 1961 bis 2004 als Mobilmachungsstützpunkt und Übungsareal vormerkte.

Ab 2005 wurden einige Gebäude an Privatpersonen vermietet, die diese mittlerweile auch erwerben konnten. Breithülen gehört seit der Rekommunalisierung Seit Januar 2011 zur Gemeinde Heroldstatt. Sie hatte das Gelände von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gekauft und 2012 es an die Feldstetter Schuhfabrik Vitaform veräußert.

Der Veranstaltungskalender von Vitaform und viele weitere Infos finden sich im Internet unter www.remontedepot.com