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Zeckenpapst erklärt: „Auch auf der Alb gibt es eine große Anzahl“

Ehingen / Lesedauer: 5 min

Zeckenexperte Dr. Gerhard Dobler erklärt die Tiere – Weniger Zecken auf der Alb
Veröffentlicht:22.05.2019, 16:41

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Privatdozent Dr. Gerhard Dobler ist Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und Leiter der Abteilung für Virologie und Rickettsiologie am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr München. Daneben leitet er das nationale Konsiliarlabor für FSME und ist damit für die Abklärung aller fraglichen oder ungewöhnlichen Fälle von FSME in Deutschland zuständig. SZ-Mitarbeiter Marc Manz hat sich mit Dobler unterhalten.

Sie gelten als „Zeckenpapst“ und sind fasziniert von diesen Tieren. Wie kam es zu dieser Faszination?

Mich interessieren die Erreger in den Zecken, insbesondere das Virus FSME, welches die Hirnhautentzündung hervorruft. So muss man sich zwangsläufig mit Zecken beschäftigen, den Überträgern von diesem Virus.

Das Bundeswehr-Institut in München gilt als Referenzzentrum für Zecken und die Krankheit FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis/Hirnhautentzündung). Wie viele Zecken beherbergt das Bundeswehr-Institut in München. Wie viele haben Sie bereits gesammelt?

Wir sammeln im Jahr 30.000 bis 50.000 Zecken. Wenn ich auf 15 Jahre Zeckensammeln zurückblicke, kommen wir sicherlich auf mehr als eine halbe Million. Diese werden auf spezielle Erreger hin untersucht und dann verworfen. Es sind über 150 verschiedene Sorten und somit eine der größten privaten Zeckensammlungen auf der ganzen Welt.

Das Jahr 2018 war ein großes Zeckenjahr. Wie sieht die Situation für das Jahr 2019 aus?

Das Modell, welches hierfür entwickelt wurde, sagt mittlere Zeckenzahlen voraus. Wobei die ersten Sammlungen auf einem hohen Niveau waren. Es gibt natürlich auch den Faktor Mensch. Es kann eine hohe Zeckenanzahl geben und einen verregneten Sommer, währenddessen kein Mensch in den Wald geht und nicht infiziert wird. Daher ist der Faktor Mensch sehr wichtig.

Wie sehen Sie die Zeckensituation auf der Schwäbischen Alb, im Alb-Donau-Kreis und darüber hinaus im Umkreis von 50 Kilometern?

Wir haben im Alb-Donau-Kreis noch keine spezifischen Sammlungen vorgenommen. Auf der Alb, wo wir Erfahrungen haben, dürfte es weniger Zecken geben, da dort die Temperaturen ein bisschen niedriger sind und die Zeckenaktivität somit erst später beginnt als an den Südhängen und im Tal. Dennoch dürfte es auch dort eine große Anzahl geben.

... im Ehinger Stadtwald.

Wo sind die sogenannten Hotspots der Zecken, wo befinden sie sich hauptsächlich? Wo ist deren Lebensraum?

Die Zecken befinden sich normalerweise in den Übergangszonen zwischen Wald und Wiesen, wo sie gegen Austrocknung geschützt sind. Diese Zone nennt sich Ökoton. Sollte es ein ganz heißes Jahr geben, ziehen sich die Zecken fünf bis zehn Meter in den Wald zurück.

Wie viel Prozent der Zecken tragen Borrelien und wie viel Prozent FSME-Viren in sich?

Borrelien sind bei zehn bis 30 Prozent vorhanden. 0,5 bis maximal fünf Prozent tragen das FSME-Virus.

Erkrankt ein Mensch automatisch, wenn er von einer mit FSME infizierten Zecke gebissen wird?

Nein. Es müssen genügend Viren in einer bestimmten Zeit von der Zecke übertragen werden. Dabei spielt natürlich das Immunsystem und das Alter des Menschen eine entscheidende Rolle.

FSME kann tödlich enden. Wie viele FSME-Fälle führen in Deutschland zum Tod?

Es gibt vereinzelte Fälle, bei denen das Gehirn so geschädigt wird, dass die Patienten unmittelbar danach oder Monate später an einer Zweitinfektion sterben. In Deutschland gibt es hierzu keine offiziellen Zahlen. In der Schweiz gab es letztes Jahr fünf Todesfälle, in Österreich drei.

Für welchen Personenkreis stellen Sie eine dringende Empfehlung aus, um sich gegen FSME impfen zu lassen?

Da gibt es eindeutige Empfehlungen von der Impfkommission des Robert-Koch-Institutes, dass alle Menschen, die sich in der Natur aufhalten und sich im Verbreitungsgebiet des FSME-Virus befinden, impfen lassen sollten. Hierzu zählt ganz Süddeutschland mit Baden-Württemberg und Bayern.

Wie sehen die Vorkehrungen aus, um mit der Familie einen Tag lang unbeschwert in der Natur zu verbringen?

Wenn man in die Vegetationsbereiche der Zecke kommt, empfiehlt es sich, lange, helle Kleidung zu tragen, dass man die Zecken krabbeln sieht und die Hosenbeine in die Strümpfe steckt. Auch sollte man sich nach einem Aufenthalt in der Natur gründlich auf Zecken untersuchen.

In den Medien ist neuerdings von einer neuen „Superzecke“ die Rede. Was gibt es hierzu zu sagen?

Der Begriff ist natürlich falsch. Es beruht darauf, dass diese Zecken fünf mal größer sind als unsere heimischen. Diese kommen in den Tropen vor und werden als Larve und Nymphe durch Zugvögel zu uns gebracht. Da wir einen heißen, trockenen Sommer hatten, konnten diese sich in erwachsene Zecken entwickeln.

Gibt es allgemein Grund zur Beunruhigung?

Mmmmhh, eher nein. Dieses Phänomen muss natürlich beobachtet werden, wie sich diese tropischen Zecken hier etablieren können und wie dann dagegen vorgegangen werden kann. Im Moment ist es eher veterinärmedizinisch als humanmedizinisch anzusehen.

Herr Dobler, vielen Dank für das Interview. Fassen Sie kurz zusammen, was den Lesern dieses Interviews unbedingt im Kopf bleiben sollte.

Zecken sind ein Teil unserer Natur. Sie sollen uns nicht die Freude an der Natur verderben, aber man sollte trotzdem aufpassen, wenn man solche Tiere an sich findet, dass man nicht krank wird davon.